FC-Vize Carsten Wettich im Interview„Ich möchte den Zusammenhalt im Verein fördern“

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Carsten Wettich ist für den zurückgetretenen Jürgen Sieger in den Vorstand aufgerückt.

  • Der gebürtige Kölner rechnet mit einem harten Kampf bis zum Saisonende, ist aber zuversichtlich, dass der Klassenverbleib gelingt.
  • Wettich ist der Ansicht, dass sich die Satzung des 1. FC Köln angesichts der Rücktritte im Vorstand bewährt hat.
  • Als langjähriges Mitglied im Mitgliederrat will der 40-Jährige wieder mit der Fanszene ins Gespräch kommen.

Köln – Herr Wettich, seit Sie beim FC im Amt sind, hat die Mannschaft vier von fünf Spielen gewonnen. Eine bemerkenswerte Bilanz – die drittbeste der Liga.

Ja, und das hat mit Sicherheit ausschließlich mit mir zu tun (lacht). Nein, im Ernst: Die Mannschaft, das Trainerteam und die sportliche Leitung haben offenkundig an den richtigen Schrauben gedreht. Von mir aus kann das gern so weitergehen, aber ich gehe davon aus, dass es noch ein harter Kampf wird. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass wir die Klasse halten. Der sportliche Erfolg tut dem ganzen Verein gut und hat  natürlich auch dem Vorstand nach dem Rücktritt von Jürgen Sieger und dem Übergang auf mich geholfen.

Jürgen Siegers Rücktritt wurde während des Heimspiels gegen Leverkusen öffentlich. War Ihnen sofort klar, dass es nun ernst für Sie wird?

Ich wusste ja schon früher Bescheid, und wir hatten intern auch schon die entsprechenden Gespräche geführt. Zu dem Zeitpunkt war alles geregelt. Ernst geworden ist es für mich eher schon eine Woche vorher nach dem Spiel bei Union Berlin (0:2, d. Red.). Ich war mit meinem Bruder dort und saß nach dem Abpfiff noch relativ lange im Stadion. Ich wusste da schon, was passieren würde.

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Als gebürtiger Kölner und langjähriger FC-Fan sind Sie nun plötzlich Teil des Präsidiums. Was löst das in Ihnen aus?

Ich wache nicht nachts auf und jubele, dass ich Vizepräsident bin (lacht). Die Sache war nun einmal so, wie sie war: Der Mitgliederrat hat diesmal mich entsandt. Wenn man von Kindesbeinen an FC-Fan ist und seit Jahren in den Gremien arbeitet, ist es eine schöne Sache, die Geschicke des Herzensvereins mit lenken zu dürfen. Das macht mir große Freude.

Sie sind zwei Monate im Amt. Ist es gekommen, wie Sie es sich vorgestellt haben?

Insgesamt schon. Die Kollegen im Vorstand haben mich gut aufgenommen. Und mir hat geholfen, dass Jürgen Sieger die Dinge in vielen Gesprächen gut auf mich übergeleitet hat. Der sportliche Erfolg hilft, aber es hat sich auch gezeigt, dass die Satzung funktioniert.

Der Mitgliederrat mit Ihnen als stellvertretendem Vorsitzenden hat sich intensiv mit der Auswahl des Vorstandsteams befasst. Als Jürgen Sieger dann zurücktrat – stand da für Sie das Auswahlverfahren in Frage?

Der Mitgliederrat wird unabhängig davon, jetzt ja dann ohne mich, den Auswahlprozess analysieren und überlegen, ob es Verbesserungsmöglichkeiten beim nächsten Mal gibt. Aber ich kenne Jürgen Siegers persönliche Gründe. Die müssen wir akzeptieren, und das kann ich auch. Sie waren für mich aber nicht absehbar. Ich glaube daher nicht, dass deswegen das Auswahlverfahren falsch war. Manchmal entwickeln sich Dinge in der Praxis einfach anders als erwartet.

Was steht bis zur nächsten Mitgliederversammlung auf Ihrer Agenda?

An vielen Dingen, zum Beispiel der strategischen Ausrichtung oder den Strukturen des FC, arbeiten wir zu dritt beziehungsweise  mit der Geschäftsführung und den weiteren Gremien. Dann gibt es ein paar Themen, die mir  wichtig sind. Ich möchte den Zusammenhalt im Verein fördern, denn da haben wir Defizite. Ein wichtiges Ziel des Vorstands, in dem ich auch für mich selbst in den kommenden Monaten einen Schwerpunkt meiner Arbeit sehe, ist es, die Basis des Fußballs zu erhalten – das bedeutet Transparenz und Offenheit gegenüber den Mitgliedern und Fans, sie bei wichtigen Entscheidungen mitzunehmen und für ihre Interessen in den Verbänden einzutreten, um dem FC eine Stimme in Fußball-Deutschland zu geben. Nicht nur, weil das dem Zeitgeist entspricht. Sondern auch, weil es den Kern eines mitgliedergeführten Vereins ausmacht.

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Carsten Wettich auf der Mitgliederversammlung im September 2019

Das Verhältnis zwischen Klubführung und der aktiven Fanszene liegt seit Jahren im Argen. Wie kann es sich verbessern?

Durch mehr Dialog und Zusammenhalt. Die Sprachlosigkeit, die in den letzten Jahren herrschte, hilft keinem. Wir müssen die aktive Fanszene wieder an den Verein heranführen und eine vernünftige Gesprächsebene aufbauen.

Warum schafft es der FC trotz der Voraussetzungen eines Traditionsvereins in einer Millionenstadt seit vielen Jahren nicht, nachhaltig erfolgreich zu sein?

Darüber haben wir zuletzt intensiv diskutiert. Das war   ein Schwerpunkt des Wochenendes mit der Geschäftsführung am Petersberg. DFB-Präsident Fritz Keller hat das für mich gut damit umschrieben, dass es aus seiner Sicht beim DFB einer Fehlerkultur bedarf. Das sollten wir   in Köln beherzigen. Die Vergangenheit analysieren, aus den – leider zu vielen – Fehlern lernen, die passenden Strukturen schaffen und das Potenzial des Vereins, der Stadt und der Region besser nutzen.

Den Stresstest hat die Satzung bestanden. Der Verein war nach dem Rücktritt von Präsident Werner Spinner im März und dem von Jürgen Sieger funktionsfähig.

Absolut. Die Satzungsväter hatten sicher nicht die Situation im Kopf, dass in einem Jahr Präsident und Vizepräsident zurücktreten könnten. Dennoch hat man diese Fälle sehr gut geregelt mit dem Nachrücken einer Person aus dem Mitgliederrat. Ich sehe auch ansonsten einen guten Dreiklang mit dem Vorstand, dem  Mitgliederrat und dem Gemeinsamen Ausschuss.

Nach Spinners Rücktritt war die Vorstandsarbeit allerdings zum Erliegen gekommen.

Die Satzung ist immer so gut oder schlecht wie die Personen, die in der Verantwortung stehen, sie auch leben. Was passiert ist, war für mich kein Problem der Satzung, sondern der handelnden Personen untereinander. Wenn es sich so entwickelt, dass zwei Vorstandsmitglieder nicht mehr mit dem Dritten sprechen, fällt mir keine Satzung ein, die das heilen kann. Der Vorstand hat allerdings seine Arbeit nicht eingestellt.  Gerade Stefan Müller-Römer (Interimsvorstand, d. Red.) hat Dinge vorangebracht.

Müller-Römer ist nach einem halben Jahr in den Mitgliederrat zurückgekehrt. Können Sie sich vorstellen, über die nächste Mitgliederversammlung hinaus Vizepräsident zu bleiben?

Ich mache meine Arbeit erst einmal bis Oktober. Die Frage stellt sich für mich derzeit nicht.

Können Sie es ausschließen?

Es stand grundsätzlich nicht auf meinem Lebensplan, in den Vorstand aufzurücken. Aber als Jurist habe ich gelernt, nie etwas auszuschließen.

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