Gladbachs Vize Bonhof„Ich habe die Derbys gegen den 1. FC Köln vermisst"

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Gladbachs Vizepräsident Rainer Bonhof im Borussia-Park, der zuletzt im großen Stil erweitert wurde.

  • Borussia Mönchengladbachs Vizepräsident Rainer Bonhof hat zweieinhalb Jahre auch für den FC gespielt und spricht von einer „geilen Zeit".
  • Bonhof kann sich in seinen langjährigen Weggefährten Toni Schumacher hineinversetzen, der beim FC als Vizepräsident abdankte.
  • Der Borusse hofft auf ein friedliches, leidenschaftliches Derby und will den Chaoten nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken.

Mönchengladbach – 

Sie kennen Toni Schumacher sehr lange, haben mit ihm beim 1. FC Köln und in der Nationalmannschaft zusammengespielt. Sie sind seit Jahren Vizepräsident der Borussia, Schumacher war dies bis Sonntag beim FC. Können Sie nachvollziehen, dass Schumacher große Schwierigkeiten hatte, das Amt nach über sieben Jahren abzugeben und derart emotional reagierte?

Rainer Bonhof: Ich weiß nicht genau, weiß beim FC intern vorgefallen ist und ob - und wenn ja - wer wie Politik gemacht hat. Ich weiß nur, dass Toni mit seinem ganzen Herzen FCer durch und durch ist. Und wenn Toni seiner Leidenschaft nicht mehr nachgehen kann, dann tut ihm das persönlich und auch körperlich weh. Ich habe Ausschnitte seine Rede während der Mitgliederversammlung gesehen, da war ihm das richtig  anzumerken. Er war emotional so geladen, dass er seinen Unmut herausgelassen hat. Das kann ich verstehen. 

Wird der FC Toni Schumacher vermissen?

Ich denke schon. Es ist ja kein anderer der FC-Legenden mehr an vorderster Stelle im Klub. Ich sehe jedenfalls keinen. Vielleicht wird die neue Führung noch versuchen, ihn irgendwie an den Verein zu binden.

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Sie sind seit über zehn Jahren im Amt. Rolf Königs ist seit 2004 VfL-Präsident, Stephan Schippers ist sogar seit 1999 Geschäftsführer. Und auch Max Eberl fungiert seit rund elf Jahren als Sportdirektor. Diese personelle Kontinuität gab es beim FC fast nie.

Diese Kontinuität ist sicherlich ein Erfolgsgeheimnis. Du weißt einfach ganz genau, mit wem du es zu tun hast. Das schafft großes Vertrauen. Du musst dich aber trotzdem ständig auf den Prüfstand stellen und deine Entscheidungen hinterfragen. Das machen wir, und deshalb gibt es auch nicht die Gefahr eines Kuschelkurses. Ich denke, wir zusammen haben den Verein schon vorangetrieben. 

Haben Sie in dieser Saison die ersten Spiele von Borussia überzeugt?

Wir sind in der richtigen Spur und haben die Spiele so mutig angepackt, wie wir uns das vorgestellt hatten. Wenn wir das Niveau weiter kontinuierlich steigern, geht es in die richtige Richtung. 

Wo reiht sich Borussia in dieser Spielzeit ein?

Wir sollten immer erst einen einstelligen Tabellenplatz im Blick haben. Wir sind einer von nur drei Vereinen, denen das in den letzten acht Jahren am Ende immer gelungen ist. Läuft es bei uns rund, können wir die internationalen Plätze ins Visier nehmen. Mit dieser Herangehensweise sind wir bislang gut gefahren. 

Das ist aber eine vorsichtige Herangehensweise, die dem Fan auch Geduld abverlangt.

Das stimmt, aber ich denke, die meisten Fans haben diese. Aus meiner Sicht haben wir unsere Mannschaft erneut gut verstärkt. Aber die Leistungsdichte in der Bundesliga ist so hoch, dass eine Prognose nur ganz schwer abzugeben ist. Mir gefällt, wie unser neuer Trainer Marco Rose mit dem Team arbeitet. Er nimmt alle mit ins Boot und versucht den Geist der Mannschaft und die Spielphilosophie etwas zu verändern. Unser Spiel geht jetzt schneller nach vorne. Das ist ein aktiverer Fußball, der den Fans gut gefällt. 

Haben Sie den 1. FC Köln in der vergangenen Bundesligasaison vermisst?

Natürlich, weil für mich der FC seit der Gründung der Bundesliga einfach zu ihr gehört. Es gab so viele tolle Derbys. Es tut weh, wenn die Klubs in einer Saison nicht gegeneinander spielen. Sie gehören gemeinsam in die Bundesliga. 

Wie sehen Sie den FC aufgestellt?

Aus der Ferne betrachtet sieht das gut aus. Der FC hatte schon eine überdurchschnittliche Zweitliga-Mannschaft und hat sie noch einmal verstärkt. Auch mit dem neuen Trainer scheint es zu funktionieren. 

Was erwarten Sie für ein Derby?

Zu Beginn des Spiels werden sich die Mannschaften eher beschnuppern, erst im Laufe der zweiten Halbzeit werden beide wohl mehr ins Risiko gehen. Ich weiß nicht, ob wir Favorit sind. Das Kölner Stadion ist schon ein stimmungsvoller Fußballtempel, da müssen wir erst einmal bestehen und gegenhalten. Vielleicht liegt es eher an uns, das Spiel zu machen. Aber wenn der FC will, kann er aufgrund seiner Qualität zu Hause Gas geben. 

Denken Sie denn, dass es im und rund um das Stadion ruhig bleibt und die Fans sich diesmal im Griff haben?

Randale braucht kein Mensch. Die Fans beider Seiten sollen ihre Teams einfach leidenschaftlich anfeuern, und dann ist es auch gut. Den anderen Quatsch will keiner sehen. Ich will Fans sehen und hören, die keinen in Gefahr bringen und Freude an diesem Sport haben. 

Sie haben 18 Derbys gespielt, 13 für Borussia, fünf für den FC. Sind Letztere ein schwarzer Fleck auf Ihrer Vita?

Überhaupt nicht. Sie gehören zu meinem Fußballerleben dazu. Es war eine gute Zeit in Köln: Wir hatten eine tolle Mannschaft, ein tolles Management und wären fast Meister geworden. Ich war zwar nur zweieinhalb Jahre beim FC. Doch die Zeit war so intensiv, dass ich sie nicht missen oder von mir schieben will. Mit einigen Weggefährten wie Bernd Cullmann bin ich immer noch befreundet. Tony Woodcock treffe ich regelmäßig auf der Karnevalssitzung. Ich bin Borusse, aber von der FC-Zeit ist bei mir noch einiges hängengeblieben. 

Borussias Vereinslegende Günter Netzer wird am Samstag 75 Jahre alt. Im Gegensatz  zum Kölner Wolfgang Overath findet sich Netzer in der ersten Jahrhundertelf des DFB wieder. Zu Recht?

Natürlich. Aber Wolfgang hätte es ebenso verdient gehabt. Ich verstehe, dass er etwas sauer darüber war und bestimmt gedacht hat: ,Warum haben die mich nicht gewählt‘ (lacht). Er hat deutlich mehr Länderspiele als Günter. Günter war ein Fußball-Ästhet, eine Stilikone, die eine ganze Generation geprägt hat. Schon zu meiner aktiven Zeit empfand ich es als ungerecht, dass beide in der gleichen Zeit gespielt haben. 

In Köln diskutieren Verein, Fans und Öffentlichkeit seit Jahren über einen Stadionumbau oder –neubau. Mit dem vereinseigenen Borussia-Park ist Ihr Verein dem FC da gleich mehrere Schritte voraus.

Borussia war 1999/2000 in einer Situation, in der zwei Wege möglich waren: Der eine war, mit dem alten Bökelberg in der Versenkung zu verschwinden. Der andere war visionär: Wir wollten den nächsten Schritt gehen und den Verein auch auf lange Sicht wettbewerbsfähig machen. Und als das Grundstück für den heutigen Borussia-Park frei war, das zuvor die britische Armee genutzt hatte, kooperierte die Stadt mit Borussia, obwohl wir damals große Schulden hatten. In Köln sind die Voraussetzungen schwierigere: Das Stadion ist fest in diesem tollen Viertel in Müngersdorf verankert, das Geißbockheim im Grüngürtel. Wir konnten schon Ende 2002 anfangen, das Stadion zu bauen, hatten sicherlich einen Plan und waren in der Lage, später alles peu à peu zu erweitern. Wir mussten hier auch erst alles mit Leben füllen. Aber das ist uns gelungen und war für die Entwicklung des Vereins unabdingbar. Ich denke, ich kenne den Kölner etwas: Der fühlt sich in Müngersdorf zu Hause. Und wenn jemand dann einen Stadionbau außerhalb vorschlägt, entgegnet der: Dat jeiht nit. Diese Problematik zu lösen, ist nicht einfach. 

Das letzte Derby, das Borussia an einem September-Wochenende im Kölner Stadion gespielt hat, war vor allem aus Gladbacher Sicht ein denkwürdiges.

Da muss ich überlegen. 

Ihr Ex-Trainer Lucien Favre überrumpelte nach dem 0:1 in Köln alle mit seinem Rücktritt. Vier Jahre ist das her.

Vier Jahre schon? Lucien Favre war wirklich aufgelöst nach diesem Spiel. Er war zuvor noch nie als Trainer mit fünf Niederlagen gestartet. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Wir haben noch versucht, ihn umzustimmen, aber er war davon überzeugt, dass er nicht mehr kann und will. Trotzdem habe ich heute noch ein gutes Verhältnis zu ihm und wir telefonieren des Öfteren. Die Aufgabe heute beim BVB ist für ihn ganz sicher ein großes Ding. 

Eine abschließende Frage an den Weltmeister von 1974: Gefallen Ihnen die derzeitigen Aufritte der Nationalmannschaft?

Nicht wirklich. Die zweite Halbzeit in Nordirland war ordentlich, aber ich hätte mir schon gewünscht, dass die Mannschaft nach der Niederlage gegen Holland von Anfang zeigt, wer hier Herr im Hause ist – trotz des Auswärtsspiels. Wie sich unsere Mannschaft gegen Holland in der zweiten Halbzeit den Schneid hat abkaufen lassen, das war natürlich nicht in Ordnung. Wir werden uns für die EM qualifizieren, aber die Mannschaft muss es schaffen, die vielen Fans, die jahrelang so euphorisch hinter ihr standen, wieder zurück zu gewinnen. Und das ist nicht so einfach: Wir haben einen hohen Anspruch, aber die anderen Länder haben aufgeholt oder uns sogar überholt.

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