Kiels Wolfgang Schwenke„Kein Groll gegen Markus Anfang und den FC"

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Der frühere Handball-Nationalspieler Wolfgang Schwenke ist seit 2009 Geschäftsführer und Vizepräsident von Holstein Kiel.

Köln/Kiel – Es ist schon erstaunlich: Da verliert ein Zweitliga-Aufsteiger nach einer sensationellen Saison, die beinahe mit dem Bundesliga-Aufstieg gekrönt worden wäre, seinen Erfolgstrainer, seinen Sportchef und drei Schlüsselspieler. Für einige Experten galt er nach dem Scheitern in der Relegation gegen Wolfsburg sogar als Abstiegskandidat.

Dennoch mischt die KSV Holstein Kiel nach dem Abgang von Coach Markus Anfang und den Spielern Rafael Czichos und Dominick Drexler zum 1. FC Köln, dem Wechsel von Torjäger Marvin Ducksch zu Fortuna Düsseldorf und dem Weggang von Ralf Becker zum HSV in der Tabelle erneut oben mit. Fünfter sind die Schleswig-Holsteiner vor dem Spitzenspiel Sonntag beim Ersten Köln (13.30 Uhr). Und durchaus selbstbewusst.

„Wir haben eine gute Basis hinterlassen. Bei Holstein wird jetzt weiter gute Arbeit abgeliefert. Ich finde es toll, wie sich ein kleiner familiärer Verein weiter entwickelt. Sie sind stabil in der 2. Liga und können vielleicht auch oben angreifen“, lobte FC-Coach Anfang am Freitag seinen ehemaligen Verein.

Es ist ein Lob, das auch bei Wolfgang Schwenke gut ankommt. Der ehemalige Handball-Nationalspieler, der 13 Jahre lang das Trikot des THW Kiel trug und fünfmal Meister wurde, ist seit August 2009 Vizepräsident und Geschäftsführer der Fußballer aus der Landeshauptstadt.

Dass Anfang auch noch Co-Trainer Tom Cichon, Abwehrchef Czichos und Drexler (über den kurzen Umweg FC Midtjylland ) zum FC mitnahm und im folgenden Sommer Rechtsaußen Kingsley Schindler folgen wird, das sieht der 51-Jährige erstaunlich sportlich. „Ich hege da keinen Groll und kann Markus Anfang und dem FC nicht wirklich böse sein. Vielleicht hat das für den einen oder anderen Fan einen Beigeschmack, doch wir bewegen uns nun einmal im bezahlten Leistungssport. Der FC ist eine tolle Adresse, mit der wir uns nicht vergleichen können. Und Markus ist in Kiel mit seinem freundlichen Wesen und der Art und Weise, wie er hat Fußball spielen lassen,  hier  super angekommen. Ich freue mich darauf, ihn am Sonntag im Stadion zu sehen“, sagt Schwenke im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Was die Historie, Finanzen, Fanbasis und auch die Breite des Kaders angeht, kann sich Holstein in der Tat nicht mit dem FC vergleichen. Doch schon im Hinspiel (1:1) machten die Störche dem FC das Leben schwer, auch am Sonntag gelten sie nicht als chancenlos. Schwenke bezeichnet es als „herausragend“, was das neue sportliche Führungs-Duo Fabian Wohlgemuth  (Sportdirektor) und  Tim Walter (Trainer) leiste. Das sei in der Form nicht zu erwarten gewesen, „zumal der Trainer ein neues, anspruchsvolles Spielsystem eingeführt“,  sagt Schwenke.

Der Ex-Handballer hat gewiss seinen Anteil daran, dass Holstein stetig wuchs und zunehmend professionalisiert wurde. 2009 hatte der Verein noch 700 Mitglieder, 400 Dauerkarten-Inhaber und 65 Sponsoren-Partner, heute sind es  3000 Mitglieder, 6000 Dauerkarten-Inhaber und 320 Partner. Das ist zwar wenig im Vergleich zum FC, aber das Stiefmütterchen-Dasein in Kiel hat die KSV damit beendet.

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Wolfgang Schwenke (M., vor Pokal) feiert 1997 mit dem THW Kiel den Gewinn des DHB-Pokals. 13 Jahre trug der Rückraumspieler das Trikot der Zebras, wurde fünf Mal Meister.

Die Fußballer machen den viele Jahre so erfolgsverwöhnten Handballern des THW, einstmals der beste Klub der Welt, in der eigenen Stadt Konkurrenz. Das schien einst ausgeschlossen. Die Etats, die beide Vereine in ihre Kader stecken, bewegen sich auf ähnlicher Höhe von  rund neun bis 9,5 Millionen Euro.  „Als ich 2009 anfing, sagten mir einige: ,Wolle, warum tust du dir das bei Holstein an?’ Da wurde ich schon belächelt. Jeder kannte Holstein, aber das Image des Klubs war nicht das Beste. Es galt, Klinken zu putzen“, erinnert sich der studierte Betriebswirt. Und auch heute gebe es noch so manche Unkenrufe, dass ausgerechnet ein Ex-THW-Star mithalf, den Fußball salonfähig zu machen. „Das kam nicht bei jedem gut an. Aber ich hatte auch nie ein Angebot vom THW“, sagt Schwenke heute mit einem Schmunzeln. Denn beide Klubs könnten  gut nebeneinander existieren. „Unser Verhältnis ist eher freundschaftlich, nicht feindlich.“

Für den THW ist es sicherlich noch ungewohnt, dass er sich in Kiel mit „König Fußball“ messen muss.  Und Holstein hat sicherlich sein Potenzial noch nicht ausgereizt und rüstet sich für die Zukunft. Der Verein erweitert seine Geschäftsstelle und nimmt zum Beispiel nach größeren Problemen den  Stadionausbau in die eigene Hand.

Der ist auch zwingend notwendig, erst recht, sollte sogar der Sprung in die Bundesliga gelingen. Doch eilig hat es Holstein nicht, schon gar nicht in dieser Saison. Schwenke: „Unser Motto für den Endspurt ist: alles kann, nichts muss. Am Sonntag können wir  im Gegensatz zum FC ohne Druck auflaufen.“ 4200 Fans begleiten die Störche – auch das ist neu an der Förde.

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