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Kölner Abwehr-TalentDas perfekte Debüt des Sava-Arangel Cestic

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Sava Cestic (rechts) im Duell mit BVB-Kapitän Marco Reus

Köln – Nach wie vor ist Markus Gisdol nicht in der Position, Lucien Favre zu jagen, doch seit Samstag ist der Trainer des 1. FC Köln seinem Dortmunder Kollegen wieder ein Stück näher gekommen. Nicht wegen des Kölner 2:1-Sieges im Signal Iduna Park, der FC steht in der Tabelle weiterhin zwölf Punkte hinter den Westfalen. Allerdings rückte Gisdol in einer anderen Wertung an Favre heran: Der 63-jährige Schweizer hat in seiner Karriere bislang 19 Teenagern zum Erstligadebüt verholfen, kein aktiver Bundesliga-Trainer kommt auf eine höhere Zahl. Doch auf Rang zwei folgt Markus Gisdol: Sava-Arangel Cestic, 19-jähriger Innenverteidiger, war in Dortmund Gisdols 16. Debütant unter 20. Die Konkurrenz liegt deutlich zurück: Hertha-Chefcoach Bruno Labbadia steht bei zwölf Nachwuchs-Debütanten, selbst Christian Streich kommt in seinen bereits acht Jahren beim vermeintlichen Ausbildungsklub SC Freiburg auf nur fünf Teenager-Debüts.

Dass Gisdol den Mut hat, junge Spieler in die Verantwortung zu nehmen, war ein Grund für seine Verpflichtung – und auch für seine Weiterbeschäftigung nach dem schwachen Saisonfinale. Der Kölner Vorstand hat in seinen Zielvereinbarungen für die sportliche Leitung verankert, dass in jedem Jahr ein Spieler aus dem Nachwuchs in die Profimannschaft zu integrieren ist. Schon vor einem Jahr hatte Gisdol in ähnlicher Lage einen Debütanten hervorgeholt: Nach einer schweren Niederlage gegen Union Berlin hatte der Coach Jan Thielmann, damals 17 Jahre alt, für das Spiel gegen Bayer 04 Leverkusen nominiert. Köln gewann, es war der erste von acht Siegen in den folgenden zehn Spielen.

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Nun also Cestic, der im Sommer keine Ahnung hatte, wohin sein Weg gehen würde. „Durch Corona ist alles ein bisschen aus dem Ruder gelaufen. Man wusste nicht, wo man ist: Bei den Profis, bei der U21? Wird man womöglich ausgeliehen? Ich habe mich dann sehr gefreut, dass ich mit ins Trainingslager fahren durfte“, sagte der gebürtige Offenbacher mit serbischen Wurzeln während der Vorbereitung. Das vornehmliche Ziel sei gewesen, nach den Unterbrechungen der ersten Corona-Phase in einen geregelten Trainingsbetrieb zu kommen, „am besten bei den Profis“, befand Cestic im August. Am Samstag lieferte er auf der rechten Position der Dreierkette ein fehlerfreies Debüt gegen den Vizemeister, zwei Tage später machte der 1. FC Köln offiziell bekannt, mit Cestic einen langfristigen Vertrag bis ins Jahr 2024 geschlossen zu haben. „Mit dem Spiel am Samstag ist für mich ein Traum in Erfüllung gegangen“, sagte Cestic. „Ich spüre hier beim 1. FC Köln das Vertrauen in mich und werde weiterhin alles geben, um es zurückzuzahlen.“

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Cestic dachte an ein Studium

Vor drei Monaten dachte Cestic noch laut darüber nach, vielleicht ein Studium zu beginnen, „wenn es absehbar ist, dass mit Fußball nichts zu erreichen ist, muss ich mir Gedanken machen“, sagte er da. Nun wird er vorerst seine Chance in der Bundesliga erhalten, seine erste am Samstag hat der Manndecker mit Gardemaß bravourös genutzt. Es ist das vorläufige Ziel eines langen Weges. Mit 15 verließ er das Elternhaus in Offenbach und ging ins Jugendinternat von Schalke 04. „Das war hart für Mama und Papa. Die Euphorie ist am Anfang groß, aber man merkt schnell, dass es nicht einfach ist. Deswegen ist man sehr dankbar, wenn man bei den Profis landet. Weil man weiß, wie viele es nicht schaffen.“ Gerade in der Zeit, in der er Schule und Leistungssport gleichzeitig bewältigen musste, war der Fußball auch eine Last. Dennoch erlaubte er sich keine Zweifel. „Wenn man einfach mal mathematisch schaut, wie viele Leute es schaffen, dann ist die Chance so gering, dass man sich schon fragen muss, ob man dafür seine Jugend opfern sollte. Aber im Leistungszentrum ist jeder davon überzeugt, es zu schaffen. Darum ist man ja dort.“

FC-Startelf im Schnitt 23,9 Jahre alt

Dass im Sommer keine Zugänge für die Kölner Innenverteidigung kamen, registrierte Cestic durchaus. „Man könnte meinen, das spielt mir ein bisschen in die Karten“, sagte er damals. Nun berief ihn sein Trainer in die Startelf für das Spiel in Dortmund, die im Schnitt 23,9 Jahre alt war – nur einmal in diesem Jahrtausend stellte der 1. FC Köln eine noch jüngere Mannschaft: Beim 3:1-Sieg in der zweiten Pokalrunde am 25. Oktober 2017 schickte Peter Stöger eine erste Elf auf den Rasen, die im Schnitt 23,8 Jahre alt war.

Gisdol scheint den richtigen Ton zu treffen, wie schon vor einem Jahr gegen Leverkusen überzeugte seine Mannschaft vor allem kämpferisch, der 51-jährige Vater zweier Kinder kommt gut an bei der jungen Generation – offenbar besser als bei den etablierten Spielern. Doch nicht nur läuferisch lieferte der FC eine bemerkenswerte Leistung. Sava Cestic etwa zeigte im Duell mit den Dortmunder Hochbegabten taktische Reife und eine enorme Ruhe. „Wenn man in ein Spiel startet und direkt zwei, drei Fehlpässe hat, verfolgt einen das in den nächsten Aktionen. Deswegen ist es das Wichtigste, Ruhe zu bewahren“, beschreibt der Verteidiger: „Es strahlt Dominanz aus, es ist mein Ziel, so ruhig und cool wie möglich zu wirken, ohne schläfrig zu sein. In den Zweikämpfen geht es natürlich darum, richtig dazwischen zu gehen. Aber am Ball ist die Ruhe ein wichtiges Element, vor allem wenn man sieht, wie der Trainer spielen lassen will: sauber von hinten raus, keine langen Bälle kloppen.“

Das 2:1 in Dortmund war das Signal dafür, dass Markus Gisdol und Sava Cestic ein wenig länger zusammenarbeiten dürften.

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