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Kölner Spektakel gegen LeipzigDer FC liefert ein weiteres großes Spiel

Lesezeit 4 Minuten
UthundBaumgart

Steffen Baumgart und Mark Uth (l.) in der Schlussphase des Spiels am Samstag 

Köln – Am Sonntagmorgen begab sich die Mannschaft des 1. FC Köln mit den Fahrrädern auf eine Entspannungsrunde durch den frühherbstlichen Grüngürtel, nach den Geschehnissen des Vorabends konnte etwas Ruhe nur guttun. Das 1:1 (0:0) gegen RB Leipzig vor 25 000 abermals hingerissenen Zuschauern im Rhein-Energie-Stadion war derart unterhaltsam ausgefallen, dass sich Steffen Baumgart hinterher nachträglich spontan in die Rolle des Unbeteiligten gewünscht hatte. „Wir haben zwei geile Mannschaften auf dem Platz gesehen, die einfach ein überragendes Fußballspiel gezeigt haben. Ich hätte mich glücklich gefühlt, auf der Couch zu sitzen und als Neutraler ein solches Spiel zu sehen“, erklärte der Trainer.

FC-Trainer Steffen Baumgart als Hauptdarsteller

Baumgart ist das ziemliche Gegenteil eines Neutralen, auch gegen Leipzig war er ein Hauptdarsteller des Spektakels, das seine Mannschaft dem Vizemeister aufzwang. Nach nur einem Sieg in vier Spielen und der 3:6-Pleite in der Champions League bei Manchester City waren die Sachsen nach Köln gereist, um auf den Weg in eine erfolgreiche Saison einzubiegen. Und tatsächlich spielte RB von Beginn an hervorragend, hatte beste Torchancen und in Christopher Nkunku, Dominik Szoboszlai und Dani Olmo atemberaubendes Offensivpersonal auf dem Platz.

„Kein langweiliges Unentschieden“

Jesse Marsch war ebenfalls beeindruckt. „Das war sicher kein langweiliges 1:1-Unentschieden“, stellte Leipzigs US-Coach lachend fest. Seine Mannschaft ist bei aller Prominenz des Kaders noch nicht in der Lage, leichte Siege einzufahren, zumal gegen einen Gegner wie die Kölner, die sich auch im fünften Bundesligaspiel als verbissen kämpfende und herausragend organisierte Einheit präsentierten. „Ich bin stolz auf unsere Mannschaft. Es hätte in beide Richtungen laufen können“, sagte Marsch.

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Anthony Modestes Führungstreffer aus der 53. Minute hatte Amadou Haidara 20 Minuten vor Schluss ausgeglichen. Timo Horn war zwar im Verlauf der zweiten Halbzeit zum besten Spieler auf dem Platz avanciert. Leipzig hätte gewinnen können. „Es gibt nicht viele Spiele, in denen man so an die Bälle kommt. Darum genieße ich das und bin froh, dass ich den Jungs in der kritischen Phase den Rücken freihalten konnte“, sagte der Keeper hinterher.

In der Nachspielzeit hatte dann aber Sebastian Andersson einen Konter an den Leipziger Strafraum getragen und per Flachschuss abgeschlossen, weil der direkte Passweg zum mitgelaufenen Ondrej Duda verstellt gewesen war. Gulasci hatte pariert, den Ball jedoch vor Dudas Füße gelenkt, der aus vollem Lauf wiederum die einzige Stelle im Tor getroffen hatte, an der Leipzigs Keeper stand. Müngersdorf taumelte zwischen Ekstase und Verzweiflung.

Duda vergibt und überzeugt für den 1. FC Köln

Doch niemand beklagte sich hinterher über die verpasste Chance auf drei Punkte, zumal Duda seine beste Leistung unter Baumgarts Verantwortung geboten hatte. Der stoische Slowake hatte den FC nach zehn Minuten Leipziger Angriffswirbel ins Spiel gebracht, als er auf Vorlage des erneut verblüffenden Benno Schmitz einen Direktschuss an den Pfosten gejagt hatte. Zuvor hatte Nkunku für Leipzig einen Alutreffer verzeichnet. Es gab eine Fülle guter Chancen für beide Mannschaften, allein vier Tore hielten der Überprüfung durch den Videoschiedsrichter nicht stand: Zweimal traf Köln aus dem Abseits, zweimal Leipzig.

Uths verdächtige Vorarbeit

Am längsten wurde allerdings Modestes 1:0 geprüft: Mark Uth hatte von rechts einen Haken in den Strafraum geschlagen und dabei den Ball eigentlich an Mohamed Simakan verloren. Dann aber hatte der Kölner Angreifer nachgesetzt und den Franzosen derart gestört, dass dessen Befreiungsschlag zu Modeste getrudelt war. Modeste hatte im Stile eines Klassestürmers versenkt, anschließend tobte der Protest. Marsch lächelte zwar. Dennoch befand er: „Klares Foul.“ Uth sah die Sache differenzierter. „Er holt aus, um den Ball wegzuschlagen. Ich berühre ihn leicht, will ihn aber nicht foulen. Ich weiß nicht, ob es ein Foul ist. Der Schiri hat das Tor gegeben, wir freuen uns.“ Modeste weinte in Uths Armen und widmete das Tor seinem verstorbenen Vater, der am Samstag 67 Jahre alt geworden wäre. Es waren große Szenen an einem emotionalen Abend.

Auch Steffen Baumgart wollte sich nicht beschweren. „Die Leistung hat komplett gestimmt. Wir dürfen nicht vergessen, gegen wen wir gespielt haben“, sagte er: „Wir haben uns das Unentschieden hart erarbeitet, gut erarbeitet.“ Der Faktor Arbeit ist in der Laufleistung abzulesen: Seit diesem Spieltag stehen die Kölner auf Rang 1 der Lauftabelle der Bundesliga.

Zweimal nacheinander hat der FC nun 1:1 gespielt, vor einer Woche in Freiburg hatten sie in Führung gelegen und durch ein Eigentor in der Schlussminute den Ausgleich kassiert. Am Samstag vergaben sie in der Nachspielzeit die Chance auf den Siegtreffer. Für Baumgart bloß der nächste Ruf zur Arbeit: „Wir haben uns wohl noch nicht jedes Quäntchen Glück erarbeitet“, schloss der Trainer – versteckte in dem Satz aber womöglich auch eine Ankündigung: Was, wenn die Kölner auch noch vom Glück verfolgt werden?

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