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Schalke hat Umbruch hinter sichWiedersehen des 1. FC Köln mit einem West-Rivalen

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Sebastiaan Bornauw köpft am 22. Mai 2021 den späten Siegtreffer gegen Schalke und führt den FC in die Relegation.

Köln/Gelsenkirchen – Der 22. Mai 2021 – und das lässt sich ohne Übertreibung behaupten – war einer der wichtigsten Tage in der jüngeren Vereinsgeschichte des 1. FC Köln. Es war ein seltsamer Tag aufgrund der besonderen Umstände, und es war vor allem ein dramatischer. Bis 17.13 Uhr sah es an diesem Samstag aus, als ob der FC denselben Weg wie Schalke 04 einschlagen würde. Und zwar den in Liga zwei. Es wäre ein verheerender Abstieg für die Kölner gewesen, vor allem aus finanzieller Sicht.

Bis zur 86. Minute hatte es 0:0 gestanden zwischen den Kölnern und den Gästen aus Gelsenkirchen, deren Abstieg nach einer völlig verkorksten Saison bereits feststand. Doch der FC benötigte am 34. Spieltag unbedingt einen Sieg, um ebenfalls den direkten Abstieg zu vermeiden. Aber er konnte im Rhein-Energie-Stadion nicht auf die Hilfe seiner Fans bauen, durch die Corona-Beschränkungen wurde der sonst so stimmungsvolle West-Schlager zum Geisterspiel.

Andersson beim Brondby-Medizincheck

Sebastian Andersson fehlte auch Donnerstag im Training des 1. FC Köln. Grund ist der anvisierte Wechsel des Stürmers zu Bröndby IF. Nach Informationen dieser Zeitung absolvierte der Schwede den Medizincheck beim dänischen Erstligisten. Offiziell perfekt ist der Wechsel aber noch nicht, die Klubs müssen sich noch einigen, sollen sich aber angenähert haben. In der Einheit fehlte  auch der angeschlagene Verteidiger Timo Hübers, der individuell trainierte. Mark Uth konnte immerhin dosiert mittrainieren.

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Bei Schalke 04 konnte Simon Terodde, der wegen muskulärer Probleme bereits das Pokalspiel beim Bremer SV (5:0) verpasste, am Donnerstag nicht am Mannschaftstraining teilnehmen. Der Ex-FC-Stürmer trainierte individuell.  Wieder mit dabei war Kapitän Danny Latza.

Hinter der Südtribüne hatten sich aber tausende FC-Anhänger versammelt, um ihr Team  zumindest von außen zu unterstützen. Von Minute zu Minute wurden sie nervöser. Hochspannung in Müngersdorf. Der FC war überlegen, doch der Ball wollte  nicht über die Torlinie. Die Schalker wehrten sich nach Kräften. Mark Uth war nicht unter ihnen, der gebürtige Kölner, Ex-FC-Profi und bekennende Fan fehlte im Kader. „Zum Schutz des Spielers“, wie es Schalke kommunizierte, und Uth kehrte zur Saison 2021/22 dann auch zum FC zurück.

Dramatisch wurde es, als ein Tor von Sebastian Andersson in der 71. Minute nach einer umstrittenen Abseitsstellung keine Anerkennung fand, der Videoschiedsrichter hatte sich eingeschaltet.

Happy End dank Bornauw

Doch dann kam es doch  zum großen Kölner Happy End. Vier Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit schraubte sich Verteidiger Sebastiaan Bornauw nach Flanke von Jan Thielmann  im gegnerischen Strafraum  hoch und köpfte zum 1:0 ein. Ein ekstatischer Jubel, aber noch nicht die Erlösung war die Folge. Denn in  der Nachspielzeit hatte der nach vorne mitgelaufene S04-Torwart Ralf Fährmann fast noch das 1:1 geköpft. Vorbei. Von allen Kölnern fiel eine Zentnerlast ab. Die Relegation war erreicht, in der sie den Klassenerhalt gegen Holstein Kiel perfekt machen sollten. Bornauw („Wenn draußen tausende Fans stehen, dann  musst du in den Krieg ziehen“), der den FC danach in Richtung Wolfsburg verließ, und FC-Interimstrainer Friedhelm Funkel, der am 12. April Markus Gisdol spät, aber nicht zu spät abgelöst hatte, waren die gefeierten Retter.

Danach trennten sich vorerst die Wege der Rot-Weißen und der Königsblauen. Der FC, Fast-Absteiger der vergangenen zwei Spielzeiten, startete in der Spielzeit 2022/22 unter dem neuen Trainer Steffen Baumgart im Oberhaus durch und wurde fast sensationell Siebter. Das noch deutlich mehr als der FC verschuldete Schalke 04 stand dagegen vor dem ungewissen Neuanfang und großen Umbruch in der 2. Bundesliga.

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Der gelang dem Traditionsklub aus dem Ruhrgebiet allerdings auf Anhieb, deshalb sehen sich der Aufsteiger und der FC nun im Oberhaus wieder. Und das schon zum Auftakt am Sonntag (17.30 Uhr) in Köln. „Es ist schön, dass Schalke wieder aufgestiegen ist und somit ein weiterer Hochkaräter in der Bundesliga spielt. Wir freuen uns enorm, dass wir das erste Spiel vor vollen Rängen zu Hause spielen. Wir sind sehr gut vorbereitet, aber wir treffen auf einen sehr guten Gegner. Da spielt es keine Rolle, dass Schalker Aufsteiger ist. Der Klub steht für sich“, zeigt FC-Torwart Marvin Schwäbe Vorfreude, aber auch viel Respekt vor dem Liga-Rückkehrer, bei dem die Ex-Kölner Dominick Drexler und Simon Terodde unter Vertrag stehen.

Schalke hat immer noch einen großen Namen und eine große Anhängerschaft. Bei 40.000 abgesetzten Dauerkarten stoppte der Klub den Verkauf, zur Saisoneröffnung pilgerten über 70.000 Fans. Doch tatsächlich sind die Knappen eben auch  ein ganz normaler Aufsteiger – mit allen Problemen, die damit verbunden sind. Der Verein, der sich von Hauptsponsor Gazprom trennte, musste sich einen harten Sparkurs samt Spielerverkäufen verordnen. Schalke kann nur noch einen Gehaltsetat von knapp 40 Millionen Euro stemmen. Immerhin sanken  die Verbindlichkeiten um 33,5 Millionen Euro auf 183,5 Millionen. Zum Vergleich: Den FC drücken Schulden von rund 52 Millionen Euro. Auf Schalke, das predigen sie dort unisono, geht es vorerst einzig um den Klassenerhalt.

Der Verein hat einen großen personellen Umbruch hinter sich. Und den haben Sportvorstand Peter Knäbel und vor allem Sportdirektor Rouven Schröder zu verantworten, der seit Sommer 2021 für die Kaderplanung verantwortlich ist. Der frühere Mainzer Manager baute in Rekordgeschwindigkeit eine Mannschaft mit Champions-League-Kosten erst zu einem Zweitligisten und dann in diesem Sommer zu einem Bundesliga-Team um.

Larsson zwölfter Neuzugang

Schröder wickelte bereits mehr als 70 Transfers ab. Mit Ralf Fährmann, Michael Langer und Amine Harit sind nur noch drei Spieler da, die bereits vor 2020 im Kader standen. Und der Techniker Harit, der den höchsten Marktwert im Aufgebot hat, wird wohl noch verkauft werden. Das passt aber zum Sanierungskurs der Schalker, die sich vor der Saison von 17 Spielern trennten, aber auch elf externe holten. Zugang Nummer zwölf dürfte Jordan Larsson werden, ein 25-jähriger Mittelstürmer, der noch in dieser Woche ablösefrei von Spartak Moskau kommen soll. Und der einen berühmten Vater hat. Henrik Larsson (50), Sturmlegende des FC Barcelona und von Celtic Glasgow.

Schröder setzte auch durch, dass die Schalker einen Trainer als Nachfolger für Aufstiegscoach Mike Büskens verpflichteten, den wohl keiner auf der Rechnung hatte und bei dessen Verkündung es neben Raunen auch viele gehässige Kommentare gab: Frank Kramer war erst am 20. April bei Arminia Bielefeld freigestellt worden. Für den 50-Jährigen ist der Großklub die Chance seines Trainer-Lebens. Die will er nutzen. Einfach wird es nicht. Aber auch dem 1. FC Köln hatten viele nach zwei Fast-Abstiegen die sportliche Renaissance nicht zugetraut.

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