Sportliche KriseEin Absturz mit Konsequenzen – wie geht es weiter beim 1. FC Köln?

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Gestern Abend trennte sich der 1.FC Köln von Manager Jörg Schmadtke. Trainer Peter Stöger bleibt.

Gestern Abend trennte sich der 1.FC Köln von Manager Jörg Schmadtke. Trainer Peter Stöger bleibt.

Köln – Die Saison 2017/18 ist erst rund zwei Monate alt, da hat der 1. FC Köln bereits seinen Manager verloren. Der Verein trennte sich am Montagabend von Jörg Schmadtke. Der FC ist nach dem grandiosen Platz fünf in der vergangenen Spielzeit abgestürzt und mit nur zwei Punkten und 3:17-Toren Tabellenletzter der Bundesliga. Noch nie in der Geschichte der Liga startete ein Verein so schlecht. Dagegen sind  die drei Niederlagen in drei Partien  der Europa League fast noch zu verschmerzen. Wie konnte es so weit kommen, welche Fehler wurden gemacht? Wie geht es nun weiter? Und ist eine Wende überhaupt möglich – und wenn ja, wie? Die Fragen zum Kölner Albtraum-Start.

Was sind sportlich die größten Probleme des FC?

Da ist in erster Linie die miserable Chancenverwertung zu nennen, mit indiskutablen 3,4 Prozent die schlechteste in der Bundesliga. Zum Vergleich: Die nächsten beiden Bundesliga-Gegner, Leverkusen und Hoffenheim, nutzen 19,2 beziehungsweise 20,0 Prozent ihrer Möglichkeiten. 17 Gegentore sind für den in der vergangenen Saison defensiv noch so stabilen FC ebenfalls zu viel und bedeuteten auch in dieser Statistik den letzten Platz – zusammen mit Freiburg und Mönchengladbach.

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Ungewöhnlich ist, dass der FC neun Gegentore bereits in der ersten Halbzeit kassierte. Da muss sich sicherlich auch ein Trainer hinterfragen. Stöger erhält von der Vereinsführung  Rückendeckung. Noch. Nicht nur sie weiß: Der Österreicher kann auch nur mit dem Kader arbeiten, den er zur Verfügung gestellt bekam. Stöger  ist für einiges verantwortlich zu machen, aber nicht dafür, dass Spieler wie jüngst ein Sehrou Guirassy das Tor aus zwei Metern nicht treffen.

Verantwortlich für den Kader ist in erster Linie der Manager. Führte das auch zur Trennung von Jörg Schmadtke?

Ja, auch das – natürlich. Schmadtke war über vier Jahre beim FC tätig und wurde bis zum Sommer noch für seine Arbeit gefeiert. Er stand wesentlich für den Kölner Aufschwung.  Doch er und seine Mitstreiter haben sich vom größten Erfolg der vergangenen 25 Jahre offensichtlich blenden lassen und in der Hochphase der Euphorie, die leider auch in die Zeit der Sommer-Transferperiode fiel, Fehler gemacht. Das ist mittlerweile unstrittig und wird auch intern so gesehen.

Im Juli verlor die Mannschaft, die in der vergangenen Saison auch manchmal über ihren Möglichkeiten gespielt hatte und von der Schwäche der Konkurrenz profitierte, ihre Torversicherung Anthony Modeste in Richtung China. Seine 25 Treffer kaschierten so manche Schwäche des Teams, dessen zweitbester Schütze Yuya Osako mit sieben Toren war. Für Modeste kassierte der Verein eine Ablösesumme von rund 30 Millionen Euro  – die mit Abstand höchste der Klubgeschichte. Durch gestiegene Einnahmen hatte der FC sogar einen noch größeren finanziellen Spielraum für Transfers, nutzte diesen aber bei weitem nicht aus. Es wurden überwiegend Perspektivspieler verpflichtet und für die unglaublich hohe Ablösesumme von rund 17 Millionen Euro Angreifer Jhon Córdoba, der erst die Erwartungen nicht erfüllte und sich dann verletzte.

Es war allerdings fahrlässig von der sportlichen Führung, nicht noch zwei, drei gestandene Spieler zu engagieren. Schmadtke bemühte sich zwar um diese, doch aus unterschiedlichen Gründen wurden die Transfers nicht realisiert. Letztlich zählt aber nur das Ergebnis – und das war unbefriedigend. Der Druck wurde für Schmadtke offenbar zu groß. Der Manager wirkte zuletzt deutlich angeschlagen, fühlte sich in den vergangenen drei, vier Wochen als der Buhmann schlechthin.  Ihn schmerzte  der Vorwurf der Vetternwirtschaft, da sein Sohn Nils beim FC als Scout arbeitet. Zudem war von einem gestörten Verhältnis zu Sportdirektor Jörg Jakobs die Rede. Und dies, obwohl beide seit gemeinsamen Zeiten bei Hannover 96 noch als Kumpel und kongeniale Partner galten. Jakobs, dessen Vertrag im Sommer 2018 ausläuft, ist bereits seit Monaten nicht mehr beim Profi-Team und arbeitet im Nachwuchsbereich.

Welches Bild geben Trainer, Geschäftsführung und Vorstand in der Krise ab?

Trainer Stöger hat sich kaum verändert, arbeitet so weiter, wie man es von ihm kennt. Der charismatische Wiener beherrscht das Spiel mit der Öffentlichkeit und versteht es, sich sympathisch und gut zu verkaufen. Natürlich gibt es auch an ihm Kritik, aber er zehrt noch von seinen unbestritten großen Verdiensten – deutlich mehr als Schmadtke. Der Vorstand um Werner Spinner hielt sich in den vergangenen Wochen mit öffentlichen Aussagen merklich zurück, einigte sich aber nun mit Schmadtke auf eine Auflösung des Vertrags. Fraglich ist aber, ob Spinner und Co. dem gebürtigen Düsseldorfer  die nächste Transferperiode auch noch zugetraut hätten. Geschäftsführer Alexander Wehrle, der Finanz-Chef, ist derzeit eher damit beschäftigt, den Laden zusammenzuhalten und vermittelt zwischen allen Seiten. Wehrle ist mit Schmadtke befreundet – die Trennung ist auch für ihn ein Einschnitt. Bei der Wahl des neuen Managers wird er ein gewichtiges Wort mitsprechen, die letzte Entscheidung hat der Vorstand.

Mögliche Schmadtke-Nachfolger und Neuzugänge

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Georg Heitz

Wer könnte denn der neue Sportchef werden?

Der Schweizer Georg Heitz (47),  bis Juni Sportdirektor des FC Basel, soll ein Kandidat sein. In der neunjährigen Ära des  früheren Fifa-Mitarbeiters und Journalisten gewann Basel den Meistertitel achtmal in Folge. Gehandelt wird auch Europameister Matthias Sammer, zuvor Sportdirektor beim DFB und Vorstand Sport beim FC Bayern München. Der 50-jährige, einstige Weltklassespieler hat allerdings Verpflichtungen als Experte für den TV-Sender Eurosport und soll diesen Job auch sehr schätzen. Thomas Linke (47, zuvor Ingolstadt) könnte ein Außenseiter-Kandidat sein, vielleicht auch der ehemalige FC-Stürmer Klaus Allofs (60), der das Geschäft aus 17-jähriger Arbeit als Sportchef von Werder Bremen und des VfL Wolfsburg aus dem Effeff kennt und bestens vernetzt ist.

Kann der FC jetzt noch Spieler verpflichten?

Ja, aber nur derzeit vertragslose Spieler. Das tat der FC auch jüngst, indem er den 39-jährigen Claudio Pizarro an sich band. Weitere arbeitslose Profis, die den Kölnern aus dem Stand weiterhelfen könnten, sind aber nicht in Sicht. Wäre ja auch komisch, sonst wären sie ja nicht seit Monaten vertraglos. Das offizielle Winter-Transferfenster öffnet  am 1. Januar um null Uhr und endet am 31. Januar um 18 Uhr. Es ist kein Geheimnis, dass der FC die Periode nutzen  und auf dem Transfermarkt tätig wird und werden muss. Als Neuzugang für den Sturm wird der ehemalige Dortmunder Adrian Ramos (31) gehandelt, der beim FC Granada nicht so recht glücklich wird.

Warum helfen die Neuzugänge  bisher kaum weiter?

Córdobakam noch nicht in Schwung, vielleicht hat der Stürmer auch einfach nicht die Klasse, die sich die Verantwortlichen von ihm erhofften. Jetzt ist der Kolumbianer verletzt. Jorge Meré, der rund sieben Millionen Euro Ablöse kostete und mit 20 Jahren immerhin schon 60 Spiele in der ersten  spanischen Liga absolviert hat, konnte in wenigen Einsätzen auch noch nicht überzeugen und ist ebenfalls angeschlagen. João Queirós (19, drei Millionen Euro Ablöse) läuft nur für die zweite Mannschaft  auf und war vorerst wohl ohnehin nur für diese eingeplant. Tim Handwerker (19), der ablösefrei aus Leverkusen kam, ist in seinen Kurzeinsätzen bisher eine positive Überraschung. Er wirkt frisch und unbekümmert, ist aber natürlich nicht fehlerfrei. Die Personalie  Jannes Horn, der aus Wolfsburg für rund sieben Millionen Ablöse kam, gibt Rätsel auf. Der Linksverteidiger, immerhin U-21-Nationalspieler,  muss schon sehr schlecht trainieren, um keine Alternative zu Konstantin Rausch zu sein. Claudio Pizarro war unbestritten ein großer Spieler, der Stürmer ist aber  seit Ende April nicht mehr im ständigen Wettkampf-Modus, hatte Trainings-Rückstand und ist  39 Jahre alt.

Spielt das Verletzungspech eine große Rolle? Und wann könnten verletzte Spieler zurückkehren?

Dies zu negieren wäre nicht fair. Mit Nationalspieler Jonas Hector und Marcel Risse fehlen dem Team ganz wesentliche Stützen. Hector wird aufgrund eines Syndesmosebandrisses in dieser Hinrunde voraussichtlich gar nicht mehr zum Einsatz kommen und den Kölnern dann 20 Partien gefehlt haben. Der 27-Jährige geht noch an Krücken. Rechtsaußen Risse ist praktisch seit einem Jahr außer Gefecht, spielte zu Saisonbeginn offenbar zu früh wieder  und hat sich erneut am Meniskus verletzt. Risse trainiert  individuell und ist vielleicht nach der Länderspielpause Mitte November eine Option – ebenso wie der am Oberschenkel verletzte Córdoba. Die angeschlagenen Marco Höger und Kapitän Matthias Lehmann fallen für das Pokalspiel am Mittwoch in Berlin ebenso noch aus wie Abwehrspieler Konstantin Rausch, der krank geworden ist (grippaler Infekt). Für das Derby am Samstag in Leverkusen könnte das Trio dann wieder in Betracht kommen, Pizarro aber  sicher noch nicht. Vor der Länderspielpause folgen die  Heimspiele in der Europa League gegen Borissow (2. November) und das in der Liga gegen den Tabellenvierten Hoffenheim (5. November). Sicher ist: Die Aufgaben werden keineswegs leichter, voll gepackt  bleibt der Terminkalender ohnehin.

Und was ist mit den großen Plänen, Visionen des Klubs, also ein möglicher Neubau des Stadions und der dringend benötigte Ausbau am Geißbockheim?

Die sind derzeit dem sportlichen Überlebenskampf total untergeordnet. Sie werden zwar weiterhin verfolgt, spielen in der öffentlichen Diskussion allerdings nicht mehr die große Rolle und sind derzeit ohnehin ins Stocken geraten.

Was macht denn Hoffnung?

Sechs Punkte beträgt der Rückstand auf Nichtabstiegs-Platz 15, 25 Partien sind noch zu absolvieren. Das könnte man durchaus aufholen – könnte ...

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