Steffen Baumgart im Interview„Wenn der Verein es will, dann verlängere ich“

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Anführer auch im Training: Steffen Baumgart, Trainer des 1. FC Köln

Köln – Steffen Baumgart, Trainer des 1. FC Köln, spricht im großen Interview über die aktuelle Omikron-Variante und die Folgen für Spieler und ein leeres FC-Stadion. Außerdem spricht er über den Umbruch des 1. FC Köln sowie weitere Spieler und die Torwart-Frage.

Omikron macht natürlich auch nicht vor der Bundesliga halt. Befürchten Sie Spielabsagen und eine Verzerrung des Wettbewerbs?

Steffen Baumgart: Wenn bei uns sechs Spieler ausfallen würden, was zum Glück bisher nicht der Fall ist, wäre das schon eine Verzerrung des Wettbewerbs. Ich kann nur sagen: Ich wünsche mir einfach Klarheit für alle Menschen. Bisher konnte mir noch keiner plausibel erklären, ob Omikron so gefährlich ist, dass es all diese Maßnahmen rechtfertigt. Und die betreffen ja nicht nur den Sport. Es wird etwas entschieden, wir wissen aber wenig.

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Viele Spieler haben sich nach Fernurlauben infiziert. Hätte man das untersagen müssen?

Nein, ich finde es schwierig, das Spielern zu untersagen. Ich bin auch nach Österreich in den Skiurlaub gefahren, weil ich nicht 14 Tage in Köln oder in meiner Wahlheimat Berlin bleiben wollte. Ich habe alles getan: Boosterung, Test und Vorsicht, um Corona zu vermeiden. Das habe ich in erster Linie getan, weil ich mein Leben leben, selbst gestalten und natürlich andere nicht gefährden möchte. Es geht dabei vor allem um Eigenverantwortung. Ich glaube, Corona wird nie ganz verschwinden. Wir müssen deshalb lernen, mit Corona zu leben.

Ihre Mannschaft ist durchimmunisiert. War es schwierig, alle von der Impfung zu überzeugen?

Ja, das war schwer. Aber ich habe einige Bedenken durchaus verstanden und ernst genommen. Auch ich mache mir Gedanken über die Langzeitwirkung der Impfung. Wir haben dennoch versucht, die Spieler von der Impfung zu überzeugen, da die Vorteile eindeutig überwiegen. Aber 100-prozentige Sicherheit gibt es auch mit der Impfung nicht.

Es kommt erneut zu Geisterspielen. Was ändert sich für Sie wieder?

Die Leute werden mich in einem leeren Stadion wieder mehr hören (lacht). Ich bin aber auch emotional, wenn das Stadion leer ist. Darum geht es aber auch nicht. Ich möchte gerne plausibel erklärt haben, warum wir wieder vor leeren Rängen spielen müssen. Bisher habe ich nur gehört, dass wir wieder vor leeren Rängen spielen müssen. Aber andere Sportarten und auch die Kultur können davon ebenfalls ein Lied singen, denen geht es schlechter als uns.

Dem Trainer Steffen Baumgart kann es allerdings nach der starken Hinrunde kaum schlecht gehen. Wie gehen Sie mit dem Hype um Ihre Person um?

Ich sehe das als Anerkennung der Art und Weise unseres Fußballs. Das hatte ich auch in Paderborn, doch in der Form und Größe war dies neu für mich. Die Präsenz des FC in der Stadt und Region ist enorm. Der FC gehört zu den großen Vereinen in Deutschland. Die Zuneigung ist sehr schön, aber es geht um die Mannschaft. Alle freuen sich, dass es anders geht und wir anders spielen, als das vorher der Fall war. Man sieht eine deutliche Entwicklung der Mannschaft. Dennoch ist das alles eine Momentaufnahme. Wir wollen, dass es keine bleibt. Wir haben das wichtige Derby gegen Gladbach gewonnen, viele gute Spiele gemacht und deutlich mehr Punkte als in der Vorsaison. Das ist schön. Abgerechnet wird aber nicht nach 17 Spielen, sondern zum Schluss. Noch haben wir nichts Großes erreicht.

Können oder wollen Sie als Typ so offen bleiben?

Warum soll ich mich verändern?

Weil Ihnen es irgendwann vielleicht zu viel wird?

Ich will mich nicht verändern. Ich bin ein offener Mensch.

Ist eine 25-Punkte-Serie auch in der Rückrunde möglich?

Auch da wieder die Gegenfrage: Warum denn nicht? Ich gehe davon aus, dass wir das erreichen können, es wird aber ein hartes Stück Arbeit. Ich setze mir diese Marke aber nicht als Ziel. Wir werden das Saisonziel auch jetzt nicht gleich korrigieren. Unser großes Ziel ist es, diesen Fußball weiter zu entwickeln und weiter Gas zu geben. Dann folgen auch der Lohn und das Glück. Es ist für mich zum Beispiel ein Gewinn, wie sich ein Benno Schmitz entwickelt hat, wie Tony Modeste wieder spielt und trifft oder welch enormen Sprung sogar ein Führungsspieler wie Jonas Hector noch einmal gemacht hat. Das macht mich glücklich. Es gibt aber auch noch genug Sachen, die wir verbessern können.

Sind Sie selbst davon überrascht, wie gut es gleich lief?

Nein, ich habe ja immer gesagt, dass ich von der Mannschaft überzeugt bin. Ich musste eher andere davon überzeugen.

Wollen Sie Ihren 2023 auslaufenden Vertrag verlängern? Sportchef Jörg Jakobs sprach jüngst davon, sich 18 Monate vor Vertragsende mit Ihnen zusammenzusetzen, um sich auf ein weiteres Jahr zu einigen. Das wäre ungefähr jetzt der Fall.

Man sieht mir hoffentlich an, dass ich mich in Köln wohlfühle und beim FC Spaß habe. Die Entwicklung der Mannschaft und des gesamten Vereins ist noch längst nicht abgeschlossen. Es ist ja bekannt, dass unser neuer Sport-Geschäftsführer Christian Keller erst Anfang April anfängt. Das gilt es zu berücksichtigen und zu respektieren. Aber wenn der Verein das gerne möchte, dann können wir gerne über eine Verlängerung sprechen. Ich jedenfalls habe nicht vor, bald meine Sachen zu packen, da muss sich keiner Sorgen machen. Der Verein macht keinen Druck, ich mache keinen.

Sie bleiben und verlängern also, wenn es der Verein will?

So sieht es aus (lacht).

FC hofft auf Offensiv-Duo

Stürmer Sebastian Andersson und Rechtsaußen Kingsley Schindler fehlten zwar auch am Dienstag im Training des 1. FC Köln, dennoch hat Trainer Steffen Baumgart Hoffnung, dass die erkrankten Offensivspieler zum Rückrunden-Auftakt bei Hertha BSC (Sonntag, 15.30 Uhr) fit werden. Das sei „auf keinen Fall“ ausgeschlossen, sagte der Coach und fügte an: „Wir müssen aber abwarten, wie es körperlich aussieht. Sebastian hatte Fieber.“

Tomas Ostrak, den zuletzt eine Muskelverletzung im Oberschenkel zum Pausieren gezwungen hatte, musste vorzeitig aus der Einheit aussteigen. Laut Baumgart handelte es sich beim offensiven Mittelfeldspieler um eine Ermüdungserscheinung. „Er muss sich nach seiner Pause erstmals wieder an die Belastung gewöhnen. Deshalb haben wir ihn aus Sicherheitsgründen rausgenommen.“ (ksta)

Dieser Verein ist gewaltig im Umbruch. Sie hatten kurz vor Weihnachten die Befürchtung geäußert, dass alle, die Sie im Sommer geholt haben, bald weg sein könnten. Das wird nun eintreten. Horst Heldt ist bereits nicht mehr da, Alexander Wehrle geht, Jörg Jakobs tritt wieder in den Hintergrund zurück. Ärgert Sie das, und verändert das Ihre Arbeit?

Das ist Fußball. Ich bin davon ausgegangen, dass ich mit Horst arbeite, dann hat Jörg übernommen. Und mit ihm, Thomas Kessler und Lukas Berg arbeite ich super zusammen. Eine Persönlichkeit wie Alex Wehrle ist nie eins zu eins zu ersetzen und selten zu finden, damit meine ich neben dem Fachlichen auch das Menschliche. Trotzdem bin ich überzeugt davon, dass auch sein Nachfolger gute Arbeit machen wird. Wenn ich etwas gelernt habe im Fußball, dann ist es die Veränderung. Ich bin als offener Mensch auch offen zu neuen Verantwortlichen und Mitarbeitern. Unabhängig davon muss ich meine Arbeit machen und abliefern.

Seit über einem halben Jahr hat der FC keinen Geschäftsführer Sport. Fehlt Ihnen auf der Ebene ein Ansprechpartner?

Nein. Und warum nicht? Weil hier im sportlichen Bereich alles gut abgesprochen ist und angesprochen wird.

Wie ist der Austausch mit dem Vorstand?

Aus meiner Sicht gut. Ich habe mit allen dreien immer wieder Kontakt. Es ist ein regelmäßiger und offener Austausch.

Ist es ein Risiko, Abwehrchef und Vizekapitän Rafael Czichos gehen zu lassen und ihn dann nicht zu ersetzen?

Ein großes Risiko sehe ich da nicht – von großem Verletzungspech mal abgesehen. Wir sind mit vier Innenverteidigern in die Saison gegangen. 80 bis 90 Prozent der Partien spielst du meistens mit zwei Innenverteidigern durch. Aus menschlicher Sicht wir uns Rafa fehlen, aus sportlicher Sicht haben wir mit Luca Kilian, Timo Hübers und Jorge Meré drei weitere sehr gute Innenverteidiger.

Czichos war aber auch ein Sprachrohr der Mannschaft.

Da müssen sich jetzt Timo und Luca weiterentwickeln. Dazu hat Jonas Hector eine große Präsenz, die von Salih Özcan wird immer größer, dazu haben wir Timo Horn und Marvin Schwäbe von hinten, die laut werden können. Doch der Lautestete bin immer noch ich (lacht).

Müssen jetzt noch Neuzugänge kommen?

Im Moment sehe ich das nicht. Für mich wäre es auch eher ein Alibi, sich nach Rafas Abgang hinzustellen, und ein, zwei Neuzugänge zu fordern. Nein, ich bin vom Kader und unserer Arbeit überzeugt.

Sie müssen einen Torwart enttäuschen, Timo Horn oder Marvin Schwäbe. Wie schwer fällt das, und wie wollen Sie das moderieren?

Wenn wir auf Timo setzen, dann müssten wir ihm nach seiner Verletzungspause auch die Zeit geben. Und auch Marvin müssten wir diese geben, um mit der neuen Situation als Nummer eins zurecht zu kommen. Er hätte dann mehr Druck und eine andere Konkurrenz. Für beide ist bereits jetzt eine neue Situation entstanden. Einen von beiden wirst du erst einmal sehr enttäuschen. Und wir müssen versuchen, das vernünftig zu moderieren. Und dann gilt es für die Jungs, Verständnis dafür zu entwickeln. Was nicht heißt, dass sie es akzeptieren.

Horn war fast zehn Jahre bei seinem Heimatverein unangefochten die Nummer eins. Die Reservistenrolle wäre ein gewaltiger Einschnitt, oder?

Ja. Und genau das ist alles zu bedenken. Mit dieser Entscheidung werde ich einen von beiden erst einmal wehtun. Sie ist aber nicht in Stein gemeißelt, dafür sind beide auf einem zu ähnlichen Leistungsniveau.

Stammtorhüter Horn kommt gerade erst von einer Verletzung zurück, Herausforderer Schwäbe hat zuletzt überzeugt. Welchen Grund haben Sie, Schwäbe wieder aus dem Tor zu nehmen?

Genau das ist doch das Schwierige an der Entscheidung. Aber wir sind natürlich im Profifußball, da geht es um die aktuelle und langfristige Leistung. Marvin hat es zuletzt sehr gut gemacht, Timo über einen langen Zeitraum zuvor.

Könnte Horn denn mit einer Entscheidung gegen ihn umgehen?

Ja, das könnte er. Er wäre definitiv enttäuscht, die Situation wäre neu für ihn. Ich hätte dafür auch komplettes Verständnis. Doch wer Timo bereits in der Verletzungspause erlebt hat, der hat gemerkt, wie er mit den Teamkollegen umgegangen ist und sich immer wieder eingebracht hat. Davor kann man nur den Hut ziehen.

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