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Traumspiele des 1. FC KölnVoigts Sonntagsschuss macht die Rückkehr perfekt

Lesezeit 4 Minuten
Freude über den Wiederaufstieg: Markus Pröll und Carsten Cullmann in Hannover

Freude über den Wiederaufstieg: Markus Pröll und Carsten Cullmann in Hannover

  • Am 8. Mai 2000 schaffte der 1. FC Köln den ersten Wiederaufstieg.
  • In Hannover gewann der FC nach 1:3-Rückstand noch mit 5:3. Dabei erzielte Alexander Voigt ein Traumtor.
  • In der Stadt herrschte großer Jubel, Fans und Spieler tanzten auf der Theke. Warum beim „Kölner Stadt-Anzeiger“ tags darauf die Stimmung eisig war, lesen Sie in der aktuellen Folge der Serie „Traumspiele – Eine Zeitreise des Fußballs“.

Köln – Nach beinahe 20 Jahren dürfte nun ausreichend Zeit vergangen sein, um das Redaktionsgeheimnis ein wenig aufzuweichen. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ machte am 9. Mai 2000 mit der einzig denkbaren Nachricht des Tages auf: „1. FC Köln ist wieder erstklassig“, stand auf der Titelseite, und während die Stadt frohlockte, nach zwei Jahren Abstinenz wieder einen Bundesligisten zu beherbergen, war die Stimmung in der Redaktionskonferenz eisig.

„Lienens Team sichert sich durch 5:3-Sieg bei Hannover 96 den Aufstieg“ stand auf der Titelseite, und weiter: „Die Mannschaft gewann am Montagabend das Zweitligaspiel bei Hannover 96 mit 5:3 (1:2) und sicherte sich vier Spieltage vor Saisonschluss den Aufstieg.“

Ein verstimmter Chefredakteur

Die Fakten waren damit korrekt wiedergegeben, doch war der Chefredakteur, eigentlich alles andere als ein Fußball-Enthusiast, merklich verstimmt. Der Spätdienst der Sportredaktion sei seiner Aufgabe nicht gerecht geworden, neben den Fakten schon „auf der Eins“ auch den Jubel der vergangenen Nacht zu transportieren. Dem Chefredakteur war von einer Stadt im Ausnahmezustand berichtet worden. Das hätte er gern in der Zeitung wiedergefunden. Und zwar vorn.

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Nun war dem Spätdienst, der an diesem Abend die Texte des Reporters aus dem Stadion verarbeitet und die Titelseite betextet hatte,  keine Abneigung gegenüber dem Fußballsport vorzuwerfen, im Gegenteil. Doch hatte seine norddeutsche Herkunft und die grundsätzliche Neigung, die Kirche eher im Dorf zu lassen, zu dieser auffallend sachlichen Gestaltung geführt – die dem Chefredakteur dieser Epoche an jedem anderen Tag wohl zugesagt hätte. Doch an diesem 9. Mai 2000, da hätte er sich etwas anderes gewünscht.

Ausschweifender Jubel in der Stadt

Der Redakteur aus dem Sport reagierte still-beleidigt auf die Kritik der Konferenz, „beim nächsten Mal“, nahm er sich zynisch vor, denn wer rechnete damals schon damit, dass der 1. FC Köln jemals wieder in die Verlegenheit kommen würde, in die Bundesliga aufsteigen zu müssen; beim nächsten Mal werde er im Rahmen seiner Möglichkeiten voll aufdrehen.

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Außer auf der Titelseite des „Stadt-Anzeiger“ war zuvor soweit überall in der Stadt sowie in der Nordkurve des Niedersachsenstadions ausschweifend gejubelt worden. Dabei war der Abend gar nicht so dramatisch angelegt gewesen: Vier Spieltage vor dem Ende der Saison hatte sich für die Kölner die erste Gelegenheit aufgetan, mit einem Sieg den Aufstieg zu vollenden. Doch hätte es weitere Möglichkeiten gegeben. Zu verlieren hatten nur jene etwas, die auf die Reise nach Hannover verzichteten, liefen sie doch Gefahr, den ersten und womöglich einzigen Wiederaufstieg des dreifachen Deutschen Meisters zu verpassen.

FC lag in Hannover 1:3 zurück

Rund 2000 Kölner Fans waren nach Hannover gekommen, die Stimmung war eher gelassen als aufgeregt. Nach sieben Minuten waren die FC-Anhänger bereits im „Was mache ich hier eigentlich?“-Modus: Nach Treffern von Kobylanski und Stendel lag der FC 0:2 zurück. Man hatte sich also den halben Montag freigenommen, würde sehr spät zu Hause sein und  hatte mal wieder Geld für Benzin und Eintrittskarte verplempert, um sich über den FC zu ärgern. Aber so ist das eben als Fan.

Dirk Lottner traf kurz vor der Pause zum 1:2, nach einer Stunde stellte Altin Lala auf 3:1 für Hannover. Der Abend war ruiniert, daran gab es keinen Zweifel mehr. Dann traf Carsten Cullmann, nur zwei Minuten später glich Thomas Cichon aus. In der Nordkurve wuchs die Anspannung. Würde es doch schon heute geschehen?

Historischer Hieb von Voigt

Dann kam Voigt an den Ball. Sieht man sich die Szene nach 20 Jahren an, wundert man sich vor allem über den unendlichen Raum, den der Mittelfeldspieler hat. Er blickt sich um, vom ersten Kontakt an hat er den Ball auf dem starken linken Fuß. Ein kleiner Wackler, niemand attackiert. Dann der Schuss aus 25 Metern in den Winkel. Ein sagenhafter, ein historischer Hieb. Es war die 81. Minute, in der Nordkurve strömten die Tränen. Fünf Minuten später erhöhte Markus Kurth noch auf 5:3, in Köln feierten da bereits die Fans auf den Ringen und später am Geißbockheim, wo die Mannschaft tief in der Nacht bei ihrer Rückkehr groß empfangen wurde – und Fans und Spieler auf der Theke tanzten.

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