VertragsauflösungStanislawskis lautloser Abgang

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FC-Trainer Holger Stanislawski

FC-Trainer Holger Stanislawski

Köln – Holger Stanislawski verspürt keine Eile. Seine Spieler haben das Geißbockheim bereits verlassen, er ist der Letzte, der am Morgen des Pfingstmontag aus dem Kabinentrakt schlurft. Er trägt einen blauen Schal und eine blaue Jacke, die Mode-Epoche der plakativen Kölner Fan-Utensilien ist vorüber. Der kölsche Trainer Holger Stanislawski hat sich in den Menschen Holger Stanislawski zurückverwandelt.

Er tritt noch einmal vor die Kameras - und schwankt zwischen den Rollen. Trotz sichtbarer Erleichterung wirkt er müde, das turbulente Wochenende hat Kraft gekostet. Auch bei dem Versuch, seine Entscheidung zu erklären, ohne allzu viel darüber zu sagen, wirkt er matt. Er bemüht sich nicht mehr sonderlich, den Eindruck zu widerlegen, zu seinem Rücktritt hätten ihn andere Dinge bewegt, als die offiziell am Vortag kommunizierten. Und er sagt auf Nachfrage Sätze wie: "Das ist so wie viele andere Dinge, die transportiert werden, die nicht so sind, wie sie sind."

Damit entwertet Stanislawski die am Pfingstsonntag eilig einberufene Gesprächsrunde nach dem 3:0-Sieg beim FC Ingolstadt bereits wieder. Mit Präsident Werner Spinner und Geschäftsführer Alexander Wehrle hatte der FC in den badezimmerhaften Nebenraum der Umkleideräume geladen, um die Beweggründe des Trainers zu erläutern und die Saison zu bilanzieren. Nachdem die Schmährufe gegen Fortuna Düsseldorf aus der Spielerkabine nebenan verstummen und darauf hingewiesen wird, dass Nachfragen nicht gestattet seien, beginnt Wehrle mit seinem Fazit: "Wir sind sehr zufrieden mit dem was wir erreicht haben." Und weiter: "Wir haben die Saison als Übergangssaison definiert. Was Stani nach dem Umbruch hinbekommen hat, ist super gewesen. Die Mannschaft hat klasse gespielt."

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Holger Stanislawski übernimmt nach rund fünf Minuten. Auch er ist zufrieden. Es wird gescherzt. Kurzzeitig scheint es, als sei der FC doch aufgestiegen, und nicht eben nur der hoch verschuldete Tabellenfünfte der Zweiten Bundesliga, dessen Trainer gerade das Weite gesucht hat. Nach den ersten Worten Stanislawskis entsteht zudem der Eindruck, die Trennung sei umgekehrt verlaufen. Stanislawski zeigt sich großzügig. "Ich habe eher die Vereinsbrille auf, als die Trainerbrille. Das ist ein Grund, dass ich mich entschlossen habe, den Vertrag zum 30. 6. aufzulösen, dass da keinerlei Kosten auf den Verein zukommen."

Der speziellen Sichtweise des von ihm erbetenen Vertragsbruchs folgt sein Fazit. "Ein Umbruch, die Integration von jungen Spielern, Kredit von Fans zurückgewinnen, in der Außendarstellung den Sponsoren die gewisse Wertschätzung entgegenbringen und ein Team formen. Das waren die Ziele, die vor der Saison ausgegeben worden sind." Und auch hier: "Alle Ziele erfüllt." Sogar: "Es macht mich unheimlich stolz, dass ich so einen Haufen trainieren durfte."

Doch all das reichte nicht aus, um ein weiteres Jahr am Geißbockheim zu verweilen. Zum Rücktritt bewog Stanislawski schließlich - neben der als "unter der Gürtellinie" empfundenen Berichterstattung - ein in der Winterpause selbst gestecktes, und schließlich verpasstes Ziel: Der Aufstieg. "Ich kann mich nicht aus der Verantwortung herausziehen. Selbst wenn wir viele Ziele erreicht haben, war dieses Ziel möglich. Das haben wir nicht geschafft. Dazu stehe ich. Dafür mache ich keinen anderen verantwortlich, sondern mich."

Jetzt fliessen sogar ein paar Tränen bei Stanislawski, der einen Wechsel zu Werder Bremen ausschließt und eine Auszeit ankündigte. Zum Abschluss ehrt Spinner seinen Ex-Trainer als "Mensch mit Werten": "Nicht zu vergessen ist, dass Holger Stanislawski - das hat es beim FC lange nicht gegeben - seinen Vertrag auflöst und den Verein ohne eine Abfindung verlässt."

Alles gut also beim FC. Fast. Kapitän Miso Brecko durchbricht die Oh-wie-ist-das-schön-Stimmung, nachdem sich der Leiter des auf zwei Jahre angelegten Projekts verabschiedet hat: "Ich bin sehr enttäuscht. Ich habe aber beim FC unterschrieben, nicht bei Stani."

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