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„Der Junge brennt“Rudi Völler über Kai Havertz und die Wiederbelebung des 1. FC Köln

Lesezeit 6 Minuten
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Rudi Völler

  • Bayer 04 Leverkusen bereitet sich im spanischen La Manga auf die Rückrunde vor.
  • Im Interview spricht Sport-Geschäftsführer Rudi Völler über die durchwachsene Hinrunde der Werkself, die Krise von Kai Havertz, die Zukunft von Charlie Aránguiz und die unfreiwillige Hilfe für den 1. FC Köln.
  • Zudem wirft Völler einen Blick auf den Rest der Saison.

La Manga – Herr Völler, wenn Sie Vorsätze für Bayer 04 für das Jahr 2020 formulieren müssten, wie würden diese lauten?

Dass wir besser in die Rückrunde starten, als wir die Hinrunde beendet haben – obwohl wir ja gewonnen haben. Da sind wir selbstkritisch genug. Die letzten drei Spiele waren trotz des 1:0 in Mainz nicht gut. Das war vielleicht eine Kopfsache und möglicherweise hat zum Ende hin die letzte Spitzigkeit gefehlt. Aber jetzt war Urlaub und jeder konnte den Akku aufladen.

Haben Sie eine Erklärung für die fehlende Konstanz in der Hinrunde? Zwischen dem Sieg in München und der Niederlage in Köln lagen nur zwei Wochen.

Wenn man das wüsste, dann würde man es ja abstellen. Dass es mal Höhen und Tiefen gibt, das hat jeder Klub. Aber bei uns war es nach den überzeugenden Spielen gegen Bayern, Schalke und Juve wirklich überraschend. Man denkt, da kommen nochmal drei Spiele und einige Punkte, und dann kommt so ein Derby. Mit den drei Zählern gegen Mainz sieht das Konto ganz manierlich aus, aber in der Hinrunde war punktetechnisch sicher noch ein bisschen mehr drin. So drei bis fünf Punkte haben wir liegen lassen. Die fehlen uns jetzt.

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Das Niveau der Hinrunde war unter dem Niveau der Rückrunde 2019.

Ja, das beweist ja auch ein Blick in die Statistik.

War der Abgang von Julian Brandt doch schwerer aufzufangen, als zuvor gedacht?

Das wäre mir jetzt zu billig zu sagen, dass es nur an einem Spieler liegt. Julian ist ein Topspieler, der eine tolle Rückrunde hatte, wie aber fast alle bei uns im vergangenen Jahr. Doch es nur an ihm festzumachen, ist falsch.

Wenn man noch die erste Krise von Kai Havertz dazu nimmt…

Seine Tore (elf in der Rückrunde, zwei in der laufenden Saison, d. Red.) haben uns gefehlt. In einigen Szenen war er ganz nah dran. In der Rückrunde wären sie noch alle reingegangen. Jetzt landen sie knapp daneben, am Pfosten oder der Torwart hält sie. Aber wenn man Kai jetzt im Training sieht – der Junge brennt, er will es allen zeigen nach dem kleinen Hänger in der Vorrunde. 

Ärgert Sie die durchwachsene Hinrunde besonders, weil Bayern gestrauchelt ist? Sie hatten mal gesagt, dass man da sein müsse, wenn München Fehler macht. Leverkusen war nun nicht da, im Gegensatz zu Leipzig und Mönchengladbach.

Ein bisschen. Obwohl nach der letzten Saison klar war, dass Dortmund und vor allem Leipzig auch weiter oben stehen werden. Gladbach ist in dieser Saison auf jeden Fall stabiler geworden im Vergleich zum Vorjahr, als wir zwölf Punkte Rückstand noch aufgeholt haben. Trotzdem: Unmöglich ist es nicht, dass wir sie nochmal abfangen. Bayern, Leipzig und Dortmund sind die Top drei. Gladbach, Schalke, Wolfsburg, vielleicht noch ein Überraschungsteam und wir – das ist mein Tipp für den Kampf um Platz vier.

In der Europa League und im DFB-Pokal haben Sie auch noch Ziele.

Ja, beide Wettbewerbe sind Chancen, richtig weit zu kommen. Letztes Jahr sind wir hier wie dort direkt nach der Winterpause ausgeschieden…

… im Pokal gegen Heidenheim und in der Europa League gegen Krasnodar. Hat die Mannschaft die Wettbewerbe nicht richtig angenommen?

Für den Europapokal hört sich dieses „angenommen“ falsch an. Krasnodar hat es in der Zwischenrunde gegen uns auch einfach gut gemacht. Im Achtelfinale sind sie dann gegen Valencia auch erst in der letzten Sekunde ausgeschieden. Ohne jetzt Krasnodar besser zu machen, als sie sind - es war nicht der leichte Gegner, für den ihn viele gehalten haben. Das Pokal-Aus gegen Heidenheim hat mich viel mehr geärgert, bei allem Respekt für Heidenheim. Aber, um auf die aktuelle Saison zu schauen: Gladbach würde sicher gerne mit uns tauschen, was Pokal und Europa League angeht (Die Borussia ist in beiden Wettbewerben bereits ausgeschieden, d. Red.). Und bei nur noch einem Wettbewerb kann ein zu großer Kader auch Probleme bereiten.

Im Sommer 2020 tritt Deutschlands Fußball-Nationalmannschaft bei Olympia an. Sehen Sie einen Profi von Bayer 04 als Kandidaten für das Team? Trainer Stefan Kuntz war ja kurz zu Gast am Trainingsplatz am Montag.

Da gibt es einige Kandidaten. Es hängt natürlich auch davon ab, wer für die Europameisterschaft nominiert wird.

Kevin Volland vielleicht? Ein erfahrener Führungsspieler, der keine Rolle in der A-Nationalmannschaft spielt.

Das müssen Sie Stefan Kuntz fragen. Ich weiß von Stefan, dass es bei uns ein paar Spieler gibt, die interessant sind für ihn. Aber es wird letztlich so ähnlich sein, wie vor vier Jahren, als wir Lars Bender und Julian Brandt abgestellt haben. Du kannst nicht von einem Klub vier Spieler nehmen und von einem anderen keinen. Das muss ausgewogen sein. Einer oder zwei wären sicher wieder in Ordnung, so war auch die letzte Absprache vor vier Jahren.

Im Sommer enden bei Bayer 04 zwei wichtige Verträge. Die von Trainer Peter Bosz und Charles Aránguiz. Wie laufen die Gespräche?

Bei Charles gibt es keinen neuen Stand, das wird man sehen. Aber ich bin immer noch optimistisch. Er will sich im Moment noch nicht entscheiden. Und mit Peter Bosz sind wir in Gesprächen, das habe ich ja schon gesagt.

Eine Einigung könnte also in den nächsten Tagen verkündet werden?

Das würde ich nicht sagen. Aber wir sind in einem guten Dialog. Und man hat das Gefühl, dass beide Parteien eigentlich gerne weitermachen wollen.

Gibt es eine Deadline, bis Sie eine Entscheidung von Kai Havertz haben möchten, ob er den Verein verlässt oder doch noch bleibt?

Manchmal ist es im Profifußball so, dass es keinen idealen Zeitpunkt gibt, an dem so etwas verkündet wird. Das sieht man ja jetzt gerade am Fall von Schalke und Alexander Nübel. Bei Kai ist es aber viel unbeschwerter. Wir gehen da mit ihm, seiner Familie und seinem Berater völlig offen um. 

Sie hätten aber lieber früher Klarheit als später.

Schlaflose Nächte habe ich deswegen nicht. Darum ist es egal, ob es jetzt irgendwann Klarheit gibt oder erst im März oder April. Erstmal ist wichtig: Wir wollen den Kai Havertz in der aktuellen Rückrunde so haben, wie wir ihn in der vergangenen Rückrunde erleben konnten. Dafür wird er alles tun.

Ein Blick auf die andere Rheinseite: Mit der Niederlage im Derby hat Bayer 04 den 1. FC Köln unfreiwillig wiederbelebt. Wie sehen Sie die Situation im Abstiegskampf?

Da gibt es mehrere Klubs, die in der Verlosung sind. Selbst Paderborn, die viele ja schon mit einem Bein in der Zweiten Liga sehen, schätze ich stark ein. Sie haben ja auch zwei gute Spiele gegen uns gemacht, im Pokal und in der Meisterschaft. Im Abstiegskampf ist noch vieles möglich, genau wie oben rund um die Champions-League-Plätze.

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