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„Kein Druck? Schwachsinn!“Rolfes über Trainer Bosz, Kai Havertz und Wohlfühloasen

Lesezeit 5 Minuten
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Simon Rolfes (36) ist seit 1. Dezember 2018 Sportdirektor bei Bayer 04, zuvor war er Leiter der Nachwuchsabteilung. Als Profi absolvierte Rolfes 288 Pflichtspiele für die Werkself. 

  • Simon Rolfes ist seit 1. Dezember 2018 Sportdirektor von Bayer 04 Leverkusen.
  • Vor dem Rückrundenstart gegen Mönchengladbach spricht Rolfes über den neuen Trainer Peter Bosz.

Leverkusen – Herr Rolfes, Sie sind seit Anfang Dezember Sportdirektor von Bayer 04 Leverkusen. Ihre ersten Wochen waren sicher intensiv.

Ja, es war sehr arbeitsreich. So ist es aber immer, wenn man eine neue Funktion übernimmt. Und dann war im Dezember noch einiges los: Viele Spiele, die Entscheidung, den Trainer zu wechseln, die Gespräche mit Peter Bosz und seinem Team und jetzt die Vorbereitung.

Die Diskussionen um Heiko Herrlich waren ein Grund für den Abschied ihres Vorgängers Jonas Boldt – und auch dafür, dass Sie nun Sportdirektor sind. Wie haben Sie dieses Thema verfolgt?

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Zur Einleitung Ihrer Frage: Das haben Sie festgestellt, dazu sollte man die beteiligten Personen fragen. Grundsätzlich gilt: Wenn man weit entfernt von seinen Zielen ist, ist es normal, dass es Diskussionen in der Öffentlichkeit gibt. Spieler werden von außen kritisiert, und auch der Trainer muss sich Kritik stellen. Rudi Völler hat Heiko Herrlich sehr lange gestützt. Aber vor der Winterpause sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es nicht die spielerischen Weiterentwicklungen gibt, die wir uns vorstellen, und dass wir einen neuen Impuls setzen wollen.

Mit Peter Bosz.

Ja. Wir glauben, dass er gut zur Mannschaft passt und zu dem offensiven und aktiven Spielstil, für den Bayer 04 vom Grundsatz her seit Jahrzehnten steht.

Sie waren zehn Jahre Profi von Bayer 04, haben nun eine leitende Funktion inne. Sie kennen den Verein wie kaum ein Zweiter. Dem Klub wird immer wieder, zuletzt von Matthias Sammer, nachgesagt, er sei eine „Wohlfühloase“ – was nicht als Lob zu verstehen ist. Rudi Völler reagiert allergisch auf diese Formulierung. Sie auch?

Es gibt bei uns – wie bei allen anderen Vereinen auch – nur unter einer Prämisse eine Wohlfühloase – und zwar, wenn du gewinnst. Es ist völliger Schwachsinn, dass es hier keinen Druck gibt, wenn es nicht gut läuft. Das hat man ja zuletzt gesehen. Bayer 04 hat hohe Ziele. Man muss sich ja nur ansehen, welche Platzierungen Bayer 04 in den letzten 20  Jahren erreicht hat. Das schafft man nicht, wenn man in einem Schlaraffenland lebt und die Profis sowie der Verein nicht ambitioniert sind. Nicht zu vergessen: Viele Spieler haben den Sprung von hier auf die ganz große Fußball-Bühne geschafft. Das klappt nur, wenn alles hochprofessionell abläuft.

Wird diese Professionalität zum Problem, wenn gerade Nachwuchsspielern zu viel im Alltag abgenommen wird?

Jein. Die Anforderungen an die Nachwuchsspieler sind gewachsen, mit 18 Jahren sollen sie alles unter einen Hut bringen: Vier- bis fünfmal pro Woche Training, die Spiele, Schule, das Privatleben und dann vielleicht noch Jugend-Nationalmannschaft. Da ist professionelle Unterstützung hilfreich, sonst funktioniert es in der Regel nicht. Die Eigenverantwortung der Spieler sollte vielmehr auf dem Platz entwickelt werden. Wenn wir dem Jugendspieler dort alles abnehmen, wird es schwierig. Sie sollen lernen, selbst Verantwortung zu übernehmen, aktiv zu sein. Wenn etwas auf dem Platz klappt, dann kann es auch außerhalb funktionieren.

Wie sind Ihre ersten Eindrücke von Trainer Peter Bosz?

Gut. Er ist sehr fordernd, das Trainingsniveau ist sehr gut. Die Spieler ziehen gut mit, die Testspiele waren ordentlich. Wir machen kleine Schritte in die richtige Richtung, aber wir wissen, dass es noch ein langer Weg ist.

Der neue Trainer hatte nur zwei Wochen Zeit. Wie viel Peter Bosz wird man zum Auftakt gegen Borussia Mönchengladbach am Samstag (15.30 Uhr/Bay-Arena) schon in der Mannschaft sehen?

Man wird schon einige Dinge erkennen, der Fußball unter ihm hat einen hohen Wiedererkennungswert. Aber natürlich wird in puncto Abstimmung noch nicht alles perfekt laufen.

Sie haben selbst noch unter Roger Schmidt in einem ähnlich offensiven System gespielt. Haben Sie als ehemaliger defensiver Mittelfeldspieler auch Bedenken?

(lacht) Wenn es dieses eine System ohne Risiken gäbe, würden alle Teams das gleiche spielen. Unabhängig vom System muss man kompakt stehen. Egal, ob man früh attackiert oder defensiv auf Konter spielt. Wenn man weit auseinander steht, hat man als Sechser keinen Spaß. Aber wenn man im Mannschaftsverbund agiert, dann sind viele Systeme gut umsetzbar. Dann würde ich nicht sagen, dass dieses System bei Defensivspielern für mehr Schweißperlen auf der Stirn sorgt als bei Angreifern.

Peter Bosz wurde auch wegen seines Rufs, einen sehr guten Einfluss auf die Entwicklung junger Spieler zu haben, verpflichtet. Was erwarten Sie von ihm?

Die Entwicklung von jungen Spielern ist eine Zielsetzung des gesamten Vereins. Die offensive Herangehensweise von Peter Bosz fordert Spieler mehr im technischen und taktischen Bereich. Dadurch entwickeln sich gute Spieler noch besser.

Ohne Kai Havertz wäre aus der mäßigen Hinrunde eine katastrophale geworden. Wie lange kann sich Bayer noch an ihm erfreuen?

Er hat einen langfristigen Vertrag, deshalb sind wir sehr entspannt. Wir planen fest mit ihm, er hat eine sehr enge Beziehung zu Bayer 04. Er hat hier viele Schritte vorwärts gemacht, und ich glaube, dass wir gemeinsam noch weitere machen können. Wir rechnen fest mit ihm, auch über den Sommer hinaus.

Saisonziel bleibt trotz der Hinrunde die Champions League?

Wir sind jetzt Neunter, Verfolger. Das haben wir uns vor der Saison anders vorgestellt. Ziel sind die internationalen Plätze. Es gibt acht Mannschaften, die vor uns stehen, die wollen wir attackieren.

Wo müssen sich die Spieler in der Rückrunde steigern?

Wir müssen zu einem höheren spielerischen Niveau kommen, da sind die Profis gefordert. Sie müssen sich entwickeln, jeden Tag, in jeder Einheit, in jedem Spiel.

Jonas Boldt hatte dieser Zeitung im Sommer erklärt, dass wenn Bayer 04 eine weitere Saison auf Champions-League-Einnahmen verzichten müsste, der Kader in seiner derzeitigen Form nicht gehalten werden könne.

Das hat Jonas gesagt. Mein Fokus liegt aktuell auf der Rückserie und vor allem auf dem ersten Spiel gegen Borussia Mönchengladbach. 

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