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Abschied nach 15 JahrenHenrichs wechselt aus Leverkusen zur AS Monaco

Lesezeit 4 Minuten
Henrichs BMG

Benjamin Henrichs (l.) im Duell mit Gladbachs Fabian Johnson

Leverkusen – Dies ist die Geschichteeines Jungen, der auszog, um Fußballer zu werden. Im Juni 2008, kurz vor Beginn der Europameisterschaft der Männer, hat er erstmals in dieser Zeitung darüber gesprochen. „Ich will Profi werden“, sagte Benjamin Henrichs, damals elf Jahre alt, beispielhaft für alle Nachwuchsspieler mit großen Träumen. Und er hatte auch einen Plan B, falls es nicht klappt: „Dann werde ich Schriftsteller.“

Damals hatte der Sohn eines Deutschen und einer Ghanaerin schon vier Jahre für Bayer 04 Leverkusen gespielt. Er war – die Experten hatten keinen Zweifel – der Auserwählte; eines der ganz wenigen Talente, die es wirklich nach oben würden schaffen können. So stand der kleine Benny immer im Mittelpunkt, auch in den Auswahlmannschaften des DFB, für die er insgesamt 44 Spiele absolviert hat. 

DFB-Debüt in 2016

Der Rest lief wie im Film: Jung-Profi mit 19. Erste Spiele unter Trainer Roger Schmidt in Bundesliga und Champions League. Durchbruch auf einer ungewohnten Position. Und dann, quasi über Nacht, die Berufung in die Fußball-Nationalmannschaft: Das erste Länderspiel am 11. September 2016 in San Marino. Am Tag darauf ein Besuch mit der Mannschaft beim Papst. 2017 Gewinn des Confed Cup unter Joachim Löw. Bilanz bis heute: Drei Einsätze in der A-Nationalmannschaft.

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Dieser junge Mann wechselt, wenn der medizinische Check unfallfrei verläuft, im Alter von 21 Jahren von Bayer 04 Leverkusen zur AS Monaco. Die Ablösesumme soll über 20 Millionen Euro betragen. Das ist viel Geld. Aber der Werksklub trennt sich freiwillig von einem jungen Profi, den man als ein Kind des Klubs bezeichnen könnte. Das sieht auf den ersten Blick aus wie ein Widerspruch, als wollte Bayer 04 selbst produziertes Talent unter allen Umständen zu Geld machen.

Henrichs zuletzt nur noch Ersatz

Auf den zweiten Blick zeigen die Daten allerdings, dass Benjamin Henrichs seit mehr als einem Jahr keinen Stammplatz mehr hatte bei seinem Klub. Eigentlich war es nur abwärts gegangen, nachdem er im Mai 2017 seinen ersten großen, bis 2022 datierten Profi-Vertrag bei Bayer 04 unterschrieben hatte. Sein großer Förderer Roger Schmidt, der den natürlichen Mittelfeldspieler in einen Rechtsverteidiger verwandelt hatte, war seit Monaten weg. Im Kampf um den Klassenverbleib unter Trainer Tayfun Korkut wurde Henrichs zum Teilzeitspieler. Und das hat sich in dem Jahr unter Heiko Herrlich nicht geändert.

Der Trainer ließ mehrmals durchblicken, dass er sich wenigen Spielern so intensiv gewidmet habe wie dem Bayer-04-Zögling Benjamin Henrichs.  Aber wann immer der Aufsteiger der Saison 2016/17 eingesetzt wurde, zeigte er die alt bekannten Schwächen: Probleme im Stellungsspiel, geringer Aktionsradius, flatternde Nerven unter Druck. Heiko Herrlich war gewillt, daran zu arbeiten. „Ich biete doch als Trainer die größte Angriffsfläche, wenn ich ein so großes Talent, das im eigenen Verein ausgebildet wurde, nicht aufstelle“, hat der Trainer vergangene Saison gesagt. Dennoch hat er Henrichs neunmal aus Leistungsgründen aus dem Kader geworfen und ihn nur achtmal über 90 Minuten spielen lassen. Obwohl Henrichs eine Alternative auf beiden Seiten ist und die Stammspieler wegen Verletzungen oft ausgefallen waren.

Ersatzspieler-Rolle wurde Anspruch nicht gerecht

Benjamin Henrichs war darüber nicht sehr erfreut. „Die komplette letzte Saison war schwierig für mich, das hatte ich so nicht erwartet. Der Trainer hat mich meist von der Bank gebracht. Das ist nicht mein Anspruch“, hat er im Sommertrainingslager in Österreich gesagt. Mit dem Hinweis: „Im Fußball kann man nie wissen.“

Den Entschluss, den nächsten Schritt anderswo zu tun, hatte Benjamin Henrichs offenbar schon gegen Ende der letzten Saison getroffen. Die Gerüchte um das Interesse aus Monaco waren nie abgerissen. Als er nach Jahren der Zusammenarbeit mit Berater Ali Bulut, der viele Jahre lang mit Stefan Kießling zusammengearbeitet hatte, die Betreuung durch die Management-Firma des ehemaligen Bayern-Managers Christian Nerlinger suchte, war klar, dass er wechseln wollte. Aber Bayer 04 war nicht bereit, ihn für weniger als 20 Millionen Euro gehen zu lassen, denn es hat einen Preis, einem Klub einen solch speziellen Spieler abzukaufen.

Abschied fällt schwer

Als Benjamin Henrichs am Montag um 15.31 Uhr mit dem Auto vom Bayer-Gelände fuhr, um die nächste Maschine in Richtung Monaco zu nehmen, wo am Dienstag die medizinische Untersuchung stattfindet, hatte er Tränen in der Augen. Es sei hart, sagte er, einen Klub, dem man 15 Jahre lang angehörte, zu verlassen. Dennoch hat diese Geschichte für beide Seiten ein gutes Ende gefunden.

Mit sieben Jahren war Henrichs mitsamt seiner Familie von Porz nach Leverkusen gezogen, um dort das Fußballspiel zu erlernen. Mit elf hat er seinen Traum erstmals öffentlich ausgesprochen. Mit 20 war er durch die Unterschrift unter einen großen Vertrag finanziell unabhängig geworden. Durch den Wechsel zum französischen Top-Klub Monaco ist er ein gemachter Mann und kann sich in neuem Umfeld seiner Karriere widmen. Wenn die vorbei ist, kann er immer noch Schriftsteller werden.

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