Abschied von BayerDer unsichtbare Trainer Hannes Wolf geht dankbar

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Wolf Abschied

Hannes Wolf und Aleksandar Dragovic verabschieden sich am Samstag von Bayer 04 Leverkusen

Leverkusen – Einen Rekord hat Hannes Wolf schon vor dem Ende dieser Saison sicher: Er wird als erster Trainer von Bayer 04 Leverkusen in die Geschichte eingehen, den nie ein Zuschauer im Stadion zu Gesicht bekam. Seinen Auftrag hat der 40-Jährige schon vor dem Abschluss bei Borussia Dortmund erfüllt. Er hat den Werksklub ins internationale Geschäft geführt. Das Arbeitsverhältnis wird, wie bekannt, nach acht Spielen enden.

Die Frage, was hätte geschehen müssen, damit Wolf über die Saison hinaus geblieben wäre, ist müßig. Vermutlich hätte er alle Spiele überzeugend gewinnen und wider alle Wahrscheinlichkeit doch noch die Champions-League-Qualifikation schaffen müssen. Das ist aus einer bekannten Vielzahl von Gründen nicht geschehen. So wird er vorerst zu seinem eigentlichen Arbeitgeber, dem Deutschen Fußball-Bund, zurückkehren und dort in der kommenden Saison die U 19 übernehmen, wenn nicht zuvor ein Profi-Klub, den er selbst interessant findet, sein Interesse anmeldet. Für ihn wird am 1. Juli der Schweizer Meistertrainer Gerardo Seoane (Young Boys Bern) übernehmen.

In sportlicher Hinsicht hat Wolf mit drei Siegen, drei Unentschieden und einer Niederlage (beim FC Bayern München) die Erwartungen erfüllt. In diplomatischer Hinsicht hat er einen herausragenden Job erledigt. Nie kam ihm ein Wort der Unzufriedenheit über nicht noch größere Wertschätzung über die Lippen, nie ein Wort des Drängens. Stets hatte er die Win-Win-Situation im Blick. „Wir haben hier den Auftrag erfüllt. Das ist ein tolles Gefühl, denn im Profi-Fußball gibt es null Garantien dafür“, sagte Wolf bei seinem letzten Gesprächsauftritt in Leverkusen. „Es war eine sportliche und auch menschlich erfüllende Zeit mit vielen tollen Begegnungen. Jetzt kommt es so, wie es von Anfang an besprochen war. Ich habe am 1. Juli einen Vertrag beim DFB und freue mich unglaublich darauf, dort meine Arbeit fortzusetzen.“

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Auf die Frage, ob er je ein langfristiger Trainer-Kandidat für Bayer 04 gewesen sei, ließ sich der 40-Jährige nicht ein. „Es gab hier so viel zu tun, ich müsste mich um so viel kümmern, dass ich daran nicht viele Gedanken verschwenden konnte. Ich bin immer noch dankbar dafür, dass man acht Spieltage vor Schluss die Idee hatte, uns diesen Auftrag zu geben. “ Er gehe mit „95 Prozent positiven Gefühlen“. Die fehlenden fünf Prozent seien alleine sportlicher Natur. „Wir hatten einige Entwicklungen, die wir wegen Verletzungen nicht zu Ende bringen konnten. Leon Bailey war unser Unterschiedsspieler, Exequiel Palacios hatte eine sehr gute Entwicklung genommen, Dailey Sinkgraven bewies Spielmacherqualitäten. Lucas Alario war neben Patrik Schick eine tolle Alternative. Sie alle sind dann ausgefallen. Wir werden es nie beweisen können, aber ich glaube, dass wir auch deshalb am Ende ein Unentschieden zu viel hatten.“

Wolf ist nicht das einzige Gesicht, das man am Samstagnachmittag zum letzten Mal im Team von Bayer sehen wird. Der Abschied von Lars und Sven Bender (32) und ihre Verdienste um den Werksklub sind vielfach gewürdigt worden. Aleksandar Dragovic kann sich seinen nächsten Arbeitgeber bei auslaufendem Vertrag aussuchen. Vermutlich wird es Roter Stern Belgrad, der Lieblingsklub seiner serbisch-stämmigen Familie. Andere werden vielleicht nicht wiederkommen. Mitchell Weiser ist offenbar bei seinem Ex-Klub Hertha BSC Berlin ein Thema. Lucas Alario, der mit Argentinien die Copa America spielt, könnte ein lukrativer Verkaufskandidat, falls ihn der neue Trainer Gerardo Seoane nicht unbedingt neben Patrik Schick behalten will.

Gewissheit über diese Personalfragen wird der Sommer bringen. Zuvor muss in Dortmund diese Achterbahn-Saison beendet werden, in der Bayer 04 nach zwölf Spieltagen Bundesliga-Spitzenreiter war und nach dem 26. Spieltag alles zu verspielen drohte. Was auf dem Papier am Samstag eine bedeutungslose Partie ist, nimmt im Leben beider Übergangstrainer eine herausragende Position ein. Viel wurde geschrieben über die freundschaftliche Verbundenheit der beiden früheren Dortmunder Jugendcoaches, die ihren später unabhängig voneinander gemacht haben. „Dass wir jetzt als Trainer von Borussia Dortmund und Bayer 04 Leverkusen aufeinandertreffen, ist etwas, das total unwahrscheinlich war“, sagt Wolf, „ich habe Edin in Bochum kennengelernt und später nach Dortmund geholt. Ich bin sehr stolz auf ihn, wie er seinen Weg gegangen ist und wie er auch in schwierigen Situationen klar geblieben ist.“

Die Freundschaft der beiden, die ihren Cheftrainer-Posten am Samstagnachmittag räumen müssen, erstreckt sich auf alle Lebensbereiche. Allerdings gilt es noch den letzten Job zu erledigen. „Wir haben beide unsere Ziele erreicht, das ist schön“, sagt Hannes Wolf, „dennoch wird Edin gegen mich gewinnen wollen und ich gegen ihn. Wir wollen es beide ordentlich zu Ende bringen.“

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