Amiri rassistisch beleidigt?Union Berlin verstrickt sich in Widersprüche

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Wütender und enttäuschter Abgang in die Kabine: Nadiem Amiri nach dem Spiel gegen Union

Leverkusen – Welche Worte genau Florian Hübner am Freitagabend verwendet hat, um Nadiem Amiri zu beleidigen, ist auch zwei Tage später noch nicht ganz klar. Direkt nach dem 1:0-Sieg von Union Berlin gegen Bayer 04 hatte Jonathan Tah von einer rassistischen Äußerung gegen seinen Teamkollegen berichtet: „Scheiß-Afghane“. Allerdings, so viel ist bekannt, hatte der Verteidiger die Worte nicht selbst vernommen, Tah berief sich auf „Hörensagen“.

Für eine derartige Beleidigung spricht, dass Amiri nach dem Spiel aufgelöst und der Kabine gesessen haben soll. Und Hübner zu ihm kam, um sich zu entschuldigen. TV-Bilder, die den Berliner Abwehrspieler entlarven, sind noch nicht aufgetaucht. In einer Szene, als sich Bayers Leon Bailey nach einem Foul nicht aufhelfen lassen wollte, ist von einem unbekannten Spieler „chillt mal, wir sind in Deutschland hier“ zu hören – ein gleichfalls rassistischer Ausspruch. Am Samstag kündigte der DFB-Kontrollausschuss an, Ermittlungen gegen Hübner aufzunehmen.

Amiri nimmt Entschuldigung an

Kurz zuvor hatte Amiri bereits über seinen Klub verlauten lassen, dass er Hübners nach dem Spiel geäußerte Entschuldigung angenommen hätte. „Er ist zu mir in die Kabine gekommen. Es sind aus den Emotionen heraus unschöne Worte gefallen, die ihm sehr leid tun.“ Aus Sicht des 24 Jahre alten deutschen Nationalspielers mit afghanischen Wurzeln sei die Angelegenheit damit „erledigt“. Für Hübner freilich nicht, seine Entschuldigung könnte sich bei einer Verurteilung maximal strafmildernd auswirken.

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Wenig hilfreich war derweil das Gebaren seines Vereins. Direkt nach dem Spiel hatte Unions Pressesprecher Christian Arbeit in Rücksprache mit Manager Oliver Ruhnert erklärt, dass „eine rassistische Beleidigung auf dem Platz passiert ist. Vonseiten des 1. FC Union gilt auf jeden Fall auch ganz klar die Position: Rassismus hat auf dem Fußballplatz und auch sonst in der Gesellschaft nichts zu suchen. Es tut uns leid, wenn das so gefallen ist.“ So weit, so gut. Doch bis zum nächsten Tag hatte Ruhnert seine Meinung geändert, ruderte zurück und ließ Hübner gar als Opfer dastehen.

Ruhnerts unsinnige Argumentation

„Für uns hat es diese rassistische Thematik, wie sie jetzt gerade dargestellt wird, nicht gegeben“, sagte Ruhnert nun. „Der Spieler hat gesagt, er hat sich so nicht geäußert“. Hübner werde vom Verein deshalb nicht sanktioniert. Unions Manager verblüffte mit einer völlig unsinnigen Argumentationskette: Hübner könnte kein Rassismus vorgeworfen werden, da dieser mit einer „nicht weißen“ Frau liiert sei. Es sei schwierig, „ihm da was anzudichten“. Bei Bayer 04 dürfte großes Unverständnis wegen dieser Aussagen herrschen, zumal in Amiris beschwichtigendem Statement nicht einmal mehr von einer rassistischen Beleidigung die Rede war. Eine offizielle Reaktion des Werksklubs gab es am Sonntag nicht.

Der DFB-Kontrollausschuss wird ab Montag die Aussagen aller Beteiligten einholen und das TV-Material auswerten. Sollte Hübner die Beleidigung nachgewiesen werden können, droht ihm eine lange Sperre.

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