Rudi Völler über Trainer Peter Bosz„Er steht auch in der Verantwortung“

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Rudi Völler, Geschäftsführer Sport von Bayer 04 Leverkusen

Leverkusen – Herr Völler, nach der 1:2-Niederlage gegen Arminia Bielefeld ist auch das letzte große Saisonziel Champions League in Gefahr. Wie kann es sein, dass eine Mannschaft, die nach zwölf Spieltagen Tabellenführer der Fußball-Bundesliga war, mit Niederlagen gegen Essen, Bern, Freiburg und Bielefeld innerhalb kürzester Zeit alles verspielt? Das ist auch für mich schwer zu verstehen. Im Grunde sehe ich in diesen Spielen immer dasselbe Muster. Wir haben unglaublich viel, fast rekordverdächtig viel Ballbesitz, machen die ersten Chancen nicht rein, erlauben aber dem Gegner, mit dessen erster Chance zum ersten Tor zu kommen. Und dann mit der zweiten Chance zum zweiten. Danach wirkt, was wir tun, oft zu verkrampft. Wir verteidigen zurzeit sehr schlecht. Und wir machen aus unserer spielerischen Überlegenheit und dem riesigen Ballbesitz viel zu wenig. Diese Abläufe wiederholen sich. Es ist klar, dass es gegen solch tiefstehende Gegner wie Bielefeld nicht so einfach ist, zu sehr vielen Torchancen zu kommen. Es ist aber deren Recht, so zu spielen, die wissen ja, wie das geht. Es sind ihre Mittel, und die bereiten uns momentan Probleme. Wir müssen das aber auf jeden Fall besser verteidigen und vor dem Tor effektiver werden.

Können Sie solche Rückschläge einfach so akzeptieren? Ich muss zugeben, dass ich extrem enttäuscht war. Wir alle waren das. Das muss man auch am Tag danach natürlich erst einmal verarbeiten. Wir kamen ja aus einer guten Woche. Wir hatten in Mönchengladbach ein super Spiel gemacht und nach einer schwierigen Phase 1:0 gewonnen. Das sah aus wie ein Wendepunkt, nach dem wir dann zu unserer normalen Leistung finden und gute Ergebnisse holen würden. Das haben wir alle geglaubt, zumal wir jetzt auch keine Englischen Wochen mehr haben. Wenn du dann gegen Bielefeld so verlierst, dann ist das schwer zu begreifen, tief enttäuschend. Mit drei Punkten wären wir an den Champions-League-Plätzen dran gewesen. Jetzt stehst du auf Platz sechs, und auch von hinten entsteht Druck. Frankfurt hat ein ordentliches Spiel gemacht gegen Leipzig, die Dortmunder haben die Kurve gekriegt. Aber dem müssen wir uns stellen und schauen, dass wir die Saison auf jeden Fall in den internationalen Plätzen beenden.

Wie sehen Sie die Position Ihres Trainers Peter Bosz, der als Favorit 2021 aus beiden Pokal-Wettbewerben ausgeschieden ist und in der Rückrunde acht Punkte aus acht Spielen geholt hat? Im Moment hat ja fast jeder Bundesliga-Klub aus den Top sechs oder sieben eine Trainerdiskussion, aus den unterschiedlichsten Gründen. Auch die, die erfolgreich sind, das hängt natürlich auch mit der Bundestrainer-Diskussion zusammen. Bei uns genießt Peter Bosz große Wertschätzung, er hat Rückendeckung erhalten. Umso mehr weiß er natürlich, dass wir nächsten Sonntag bei Hertha BSC Berlin und in den kommenden Wochen ein anderes Gesicht zeigen müssen, dass auch er in der Verantwortung steht. Es ist ja derselbe Trainer, mit dem wir nach zwölf Spieltagen Tabellenführer waren und hervorragenden Fußball gespielt haben. Uns fehlen derzeit Mentalitätsspieler wie die Benders, wie Baumgartlinger oder Hradecky, das ist uns auch klar. Aber das alleine darf keine Entschuldigung sein. Die Mannschaft muss besser spielen und darf vor allem nicht so schlecht verteidigen wie gegen Bielefeld.

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Am Talent und der Qualität des Kaders kann es nicht liegen. Zu Spielbeginn saßen am Sonntag Profis wie Florian Wirtz, Leon Bailey und Karim Bellarabi auf der Bank. An der Qualität liegt es sicherlich nicht. Ich glaube auch, dass alle Spieler alles geben, ich würde ihnen nicht mangelnden Einsatz vorwerfen. Aber wenn der Trainer glaubt, dass der eine oder andere Spieler nicht in Form ist, dann muss er andere Spieler bringen. Man hat gegen Bielefeld gesehen, dass es anders wurde, als Florian Wirtz reinkam. Uns fehlen halt generell Frische und vor allem Unbekümmertheit im Spiel. Im Nachhinein würde man es zur Halbzeit vielleicht anders machen, Florians Einwechslung hat mehr bewirkt als die Umstellung auf 4-4-2 mit der Doppelspitze Schick/Alario, auch wenn durch die beiden dann das 1:2 fiel. Das weiß man eben im Nachhinein besser. Aber wenn keine Räume entstehen, dann können unsere schnellen Spieler wie Moussa Diaby ihre Qualität nicht entwickeln. Mit Florian ist das sofort anders geworden. Er hat schon einen Unterschied gemacht. Er ist unbekümmert. Das ist seine große Qualität.

Welche Folgen hätte das erneute Verpassen der Champions-League-Plätze für Bayer 04? Das Verpassen der Champions-League-Plätze Folgen hätte spürbare Folgen. Auch wir müssen wirtschaftlich vernünftig planen. Dann müssten wir uns von dem einen oder anderen Spieler trennen. Aber was wir im Sommer machen, werden wir im Sommer sehen. Noch haben wir neun Spiele.

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