Bayer geht 1:5 unterDie Bayern erteilen der Werkself eine Fußball-Lektion

Lesezeit 3 Minuten
Bayer Versagen

Die Leverkusener Gesichter der Niederlage

Leverkusen. – Lukas Hradecky und Karim Bellarabi mussten die Teamkollegen animieren, sich nach der historischen Topspiel-Schmach doch noch den eigenen Fans zu stellen. Einige der Jungprofis schienen nach des bislang größten Debakels ihrer Karriere etwas ängstlich. Was den Spielern von Bayer 04 am späten Sonntagnachmittag nach dem verheerenden 1:5 (0:5) gegen den gnadenlosen Tabellenführer FC Bayern wohl drohen würde? Ein ohrenbetäubendes Pfeifkonzert in der erstmals seit Pandemie-Beginn vollen Bay-Arena?

Doch die Reaktion des Leverkusener Anhangs überraschte. Anstatt der nachvollziehbaren Wut gab es Applaus und aufmunternde Rufe für die niedergeschlagenen Spieler von Bayer 04, die mit gesenktem Kopf an der Tribüne entlang schlichen. „Mit unserer Leistung haben wir diese Stimmung nicht verdient“, sagte Kapitän Hradecky.

Erinnerungen an legendäres 7:1 gegen Brasilien

Thomas Müller und Manuel Neuer hatten einen ähnlichen Spielverlauf schon einmal erlebt. Am 8. Juli 2014 im brasilianischen Belo Horizonte, als ein gastgebendes Team zum Entsetzen der anwesenden Fans niederschmetternd besiegt und in seine Einzelteile zerlegt wurde. Damals gewannen Müller und Neuer mit der DFB-Elf das WM-Halbfinale 7:1 gegen Brasilien. Das Bundesliga-Spitzenspiel in Leverkusen weckte Erinnerungen daran.

Alles zum Thema Florian Wirtz

Ob der Sonntag aus Sicht von Bayer 04 anders verlaufen wäre, wenn Charles Aránguiz nicht mit Wadenproblemen aus Chile zurückgekehrt wäre? Oder Exequiel Palacios ohne Erkältung aus Argentinien? Gut möglich. Denn so bestand Leverkusens Zentrale aus Nadiem Amiri und Kerem Demirbay – zwei technisch hervorragende Fußballer, die aber weder für Laufstärke noch Zweikampflust bekannt sind und sich daher als Doppelsechs nicht gut ergänzen. So war das Mittelfeld fest in Münchener Hand. Eine Hauptursache des Debakels.

Das könnte Sie auch interessieren:

Nach dem frühen 1:0 durch Robert Lewandowski, das der Pole nach einem von Bayer 04 schlecht verteidigten Freistoß in der vierten Minute in Weltfußballer-Manier mit der Hacke erzielt hatte, durfte man noch ein paar Momente auf Spannung hoffen – ehe Lewandowski ein Dribbling von Alphonso Davies mit dem 2:0 vollendete (30.). Dann war Leverkusens Gegenwehr gebrochen, die Defensive zerbröselte, Bayern durfte machen, was es wollte. Erbarmen zeigte der Rekordmeister keines. „Wir waren nicht bissig, nicht aggressiv und zu weit auseinander. Wir sind immer einen Schritt zu spät gekommen“, sagte Trainer Gerardo Seoane. Es folgten die vielleicht schlimmsten Minuten der jüngeren Leverkusener Vereinsgeschichte.

„So etwas möchte ich nie wieder erleben“

Müller nach Vorarbeit von Niklas Süle (34.) und zweimal Serge Gnabry (35./37.) konnten die Bayern-Tore drei bis fünf innerhalb von knapp 180 Sekunden erzielen. Die Umschreibung „wie im Training“ ist unzutreffend, weil auch im Training auf eine gewisse Schärfe in den Zweikämpfen Wert gelegt wird. Doch Bayer 04 hatte offenbar im Kollektiv die Grundlagen des Fußballs vergessen. „So etwas möchte ich nie wieder erleben“, sagte Hradecky.

Für den Werksklub ging es nach zuvor fünf Siegen in Folge längst nur noch um Schadensbegrenzung. Doch schien zur Pause unklar, wie diese angesichts der Münchener Gier und Leverkusens Verfassung gelingen sollte – für die meisten Jungprofis hatte es eine solche Demontage zuvor noch nicht gegeben. Seoanes Lösung war die Einwechslung von Edmond Tapsoba, der in der zweiten Halbzeit sein Comeback nach einem Syndesmoseriss gab. „Unser Ziel für die zweite Halbzeit war es, kein weiteres Gegentor zu bekommen“, sagte Hradecky. „Wir haben an die Ehre appelliert“, berichtete Seoane.

Tatsächlich gelang es Bayer 04 mit einer Dreierkette, die Schmach nicht weiter ausufern zu lassen. Ob dies nun der Verdienst Tapsobas war oder eher die Nachlässigkeit der Bayern beim Verwerten der nach wie vor vorhandenen Chancen, dürfte für Leverkusen keine große Rolle spielen. Das 1:5 durch Patrik Schick, erzielt nach schönem Pass von Florian Wirtz, allerdings auch nicht. Leverkusens seit Wochen überzeugender Talente-Sammlung wurde im vermeintlichen Spitzenspiel mit Wucht vor Augen geführt, wie weit enteilt die Bayern sind, selbst wenn in der Tabelle bis Sonntag nur wenige Tore zwischen beiden Klubs lagen.

KStA abonnieren