Lukas Hradecky im Interview„Der Wechsel zu Bayer Leverkusen war überragend“

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Auch nach einem Jahr zufrieden bei Bayer 04: Torwart Lukas Hradecky

  • Lukas Hradecky ist seit einem Jahr Torwart bei Bayer 04 Leverkusen.
  • Im Interview erzählt er von seinem ersten Jahr, der Begegnung mit einem Bären und die Ziele für die kommende Saison.

Herr Hradecky, wie lautet Ihr Fazit nach einem Jahr bei Bayer 04?

Persönlich war es ein Sprung nach vorne. Ich darf zum ersten Mal in meinem Leben Champions League spielen, höher habe ich noch nie gespielt. Der Anfang der Hinrunde war schwierig, aber in der Rückrunde haben wir guten Fußball gezeigt. Insgesamt war es nicht überragend, aber sehr gut.

Den Wechsel aus Frankfurt nach Leverkusen haben Sie also nie bereut?

Ich hatte drei Super-Jahre in Frankfurt, an die ich gerne zurückdenke. Der Wechsel war aber überragend für mich. Und ich bereue sowieso nichts in meinem Leben.

Ihre Sprint-Vorbereitung hat bereits im Slowakei-Urlaub in einem Wald begonnen. Berichten Sie bitte von der Begegnung mit dem Bären.

Wir müssen auch im Urlaub unser Programm durchziehen. An diesem Tag hätte ich laufen müssen, eine halbe Stunde. Im Wald habe ich mich dann ein bisschen verlaufen und für vier oder fünf Minuten keinen Menschen mehr gesehen. Plötzlich hat dann dieser Bär seinen Kopf in meine Richtung gedreht. Dann bin ich einfach losgerannt. Letzten Mittwoch haben wir die Daten der Fitnessuhr analysiert: Vier Minuten lang hatte ich einen 190er-Puls, 33,6 km/h war mein Topspeed (lacht). Ich weiß nicht, ob ich jemals auf dem Platz schneller gewesen bin.

Ist laufen nicht ihr Ding, wenn Sie nicht gerade vor Bären flüchten?

Laufen, Schwimmen, Fahrradfahren: Alles nichts für mich. Ich mache Stabilitätstraining und viele Dehnübungen. Und bislang hatte ich noch nie eine Muskelverletzung.

Ihr Vater Vladimir war Volleyball-Profi in der Slowakei…

… ob er Profi war, weiß ich nicht. Er hat jedenfalls viel gespielt und war gut. Videos habe ich nie gesehen (lacht).

Also behauptet er, dass er Profi war?

(lacht) Ja, man behauptet vor seinen Kindern immer, sehr gut in etwas gewesen zu sein. Fußball konnte er jedenfalls gar nicht. Ich weiß nicht, woher ich die Gene habe. Irgendwas Sportliches hat er aber gemacht.

Warum haben Sie sich für den Fußball entschieden?

Damals in Finnland hatten wir nicht viel Geld, Eishockey konnten wir uns aufgrund der Ausrüstung nicht leisten. Fußball war das Einfachste. Als ich acht Jahre war, ist in unserer Mannschaft unser Torwart nicht zum Training gekommen, dann bin ich ins Tor gegangen – und wollte nie wieder raus.

Ihr Vater ist heute Ihr Berater. Also braucht man für den Job keinen fußballerischen Hintergrund?

Nein, ihm kann ich einfach vertrauen. Das passt. Und wenn er mich mal belügen würde, dann bekomme ich das Geld ja als Erbe wieder (lacht). Wir haben eine sehr gute Beziehung. Den größten Respekt vor ihm habe ich, weil er sich getraut hat, aus der Slowakei nach Finnland zu gehen, ohne ein Wort Finnisch zu sprechen. Dort haben sich meine Eltern dann ein Leben aufgebaut.

Ihre beiden jüngeren Brüder sind ebenfalls Profifußballer. Wie laufen Familientreffen ab?

Natürlich wird über Fußball gesprochen, gerade wenn ein Spiel läuft. Aber wir reden nicht so viel über unsere letzten Spiele.

Wer ist Ihr größter Kritiker in der Familie?

Mama ist immer positiv, egal, ob ich drei Fehler gemacht habe. Ihr Sohn hat einfach noch nie etwas falsch gemacht. Von den Brüdern kommt aber ab und zu schonmal ein Video, wenn ich gepatzt habe.

Im Trainingslager gab es kürzlich den obligatorischen Doping-Vortrag. Wovor wurde gewarnt?

Es ging darum, dass man meldepflichtig ist, wenn man plötzlich einen freien Tag hat. Dass man immer eine Stunde verfügbar sein muss, man muss ein Zeitfenster angeben. Wenn man das nicht macht, zählt es als Dopingvergehen.

Können Sie diese Handhabung verstehen?

Eigentlich sollte es immer erst eine Gelbe Karte geben. Direkt eine Sperre, das finde ich schon hart.

Doping ist ein großes Thema im Wintersport, der Leichtathletik und dem Radsport. Nur der Fußball, das Milliarden-Geschäft im Sport überhaupt, scheint irgendwie resistent dagegen zu sein. Glauben Sie tatsächlich, dass im Fußball nicht gedopt wird?

Die Überlegung stimmt schon. In unserer Sportart gibt es viel Geld zu verdienen. Allerdings wird der Fußball sehr gut überwacht, es wird oft getestet. Natürlich will jeder immer besser sein als der andere, aber das läuft meiner Meinung nach mit legalen Ideen. Mein Ding ist ab und zu mal ein Bier, damit entspanne ich. Und das ist aktuell erlaubt, das wurde auch beim Doping-Vortrag bestätigt.

Befürchten Sie, dass Ihre gerne zitierte Bier-Zuneigung einmal gegen Sie verwendet werden könnte?

Ich weiß, dass es viel mit Erfolg zu tun hat. Wenn ich zu viele Tore nach Fehlern kassiere, dann würde es vermutlich noch häufiger erwähnt. Aber ich bin ein Mensch, und Bier wurde erfunden, damit Menschen es trinken.

Ein Blick nach Frankfurt: Luka Jovic ist weg, Sébastian Haller ebenfalls. Blutet Ihr Herz, wenn Ihr altes Team auseinanderfällt?

Sie haben mit Fredi Bobic und der sportlichen Leitung herausragende Leute, die die vielen Millionen gut einsetzen werden. Die werden das schon hinkriegen. Und die Spieler hatten es nach fantastischen Leistungen verdient, den nächsten Schritt bei einem anderen Verein zu machen.

Leverkusen musste in Julian Brandt nur den Verlust eines Stammspielers verkraften, Kai Havertz konnte dafür gehalten werden. Was macht ihn so außergewöhnlich?

Alles. Wie entspannt er bleibt, wie elegant er ist. Das sind keine Selbstverständlichkeiten. Dass es so leicht aussieht, dahinter steckt sehr viel Arbeit und Klasse. Er erinnert mich an Roman Eremenko (finnischer Nationalspieler, d. Red.), der hat auch immer so kleine, fantastische Sachen mit dem Ball gemacht. Aber Roman ist 1987 geboren. Kai ist jetzt schon so, mit 20. Er spielt wie ein 30-Jähriger, hat aber noch 15 Jahre vor sich. Das ist das Erstaunlichste.

Versetzen Sie sich ein Jahr in die Zukunft. Wie sollte Ihr Fazit der zweiten Bayer-Saison lauten?

Dass wir extraordinär gespielt haben, über unseren Erwartungen. Weit in der Champions League gekommen sind, vielleicht auch den Pokal geholt haben – und um die Meisterschaft mitgekämpft haben.

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