BundesligaRolfes lobt die Fußball-Fans: "Sie sind verantwortungsbewusst"

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Bayer-Sportdirektor Simon Rolfes

  • Der Bayer-Sportdirektor sieht gute Chancen für Spiele vor Publikum im Herbst.
  • Große Vorfreude auf das Spitzenspiel: "Es macht Spaß gegen die Bayern".
  • Bayer-Profis fühlen Wertschätzung für Deutschland und die Bundesliga.

Herr Rolfes, Bayer 04 Leverkusen gilt nach zwei Siegen in Folge über den FC Bayern München schon als dessen Angstgegner. Was spricht dafür, dass sie das auch im Top-Spiel am Samstag sein können? Wir haben eine gute Mannschaft und sind mit neun Punkten aus vier Spielen ordentlich aus dieser ungewöhnlichen Corona-Pause gekommen. Unabhängig davon sind Spiele gegen die Bayern immer etwas Besonderes. Sie haben eine große Qualität, aber die haben wir auch. Sie wollen immer Fußball spielen, wir wollen das auch. Es macht Spaß gegen die Bayern. Aber wir werden versuchen, ihnen das Leben so schwer wie möglich zu machen.

Bayer 04 kämpft als derzeit Fünfter auf Augenhöhe mit Mönchengladbach und Leipzig um die Qualifikation für die Champions League. Wir haben in der Rückserie viel Boden gut gemacht auf Gladbach und Leipzig. Es ist eine ganz enge Konstellation. Wir sind in einer guten Verfassung, deshalb bin ich da optimistisch. Wir haben das wichtige Spiel in Gladbach gewonnen. Aber es wird sehr eng, weil einfach alle Mannschaften gut sind. Letztes Jahr sind wir nach 34 Spieltagen mit 58 Punkten in die Champions League eingezogen. Jetzt haben wir nach 29 Spieltagen schon 56 und sind Fünfter. Das sagt, glaube ich, alles.

Die 1:4-Niederlage gegen Wolfsburg betrachten Sie offensichtlich als Unfall. Gegen Wolfsburg waren Frische und Aggressivität nicht da, das Spiel gegen Gladbach drei Tage zuvor hatte uns viel Kraft gekostet. Den Gladbachern übrigens auch, wie man einen Tag später beim 0:0 in Bremen gesehen hat. Da braucht man hinterher im Detail gar nicht viel zu analysieren. Zumal es Wolfsburg auch gut gemacht hat. Deshalb war es sehr wichtig, dass wir in Freiburg punktemäßig in die Erfolgsspur zurückgekommen sind. Das ist nach Rückschlägen immer das Wichtigste. Man muss einfach gewinnen. Da gibt es keinen Schönheitspreis zu gewinnen. Das haben wir gut gemacht.

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Drei Tage nach dem Top-Spiel in der Bundesliga spielen Sie gegen den Viertligisten Saarbrücken in Völklingen um den Einzug in den DFB-Pokal. Es geht jetzt um die großen Ziele. Ja. Wir haben gesagt, dass wir in allen Wettbewerben das für uns Maximale erreichen wollen, und der Fokus liegt erst einmal auf Bundesliga und Pokal. Wir wollen am Dienstag ins Finale nach Berlin. Ob der Gegner die Bayern sind oder ein Viertligist, darf keine große Rolle spielen. Das Entscheidende ist die Fokussierung als Mannschaft auf ein Ziel. Das Ziel ist Berlin. Dass die Rahmenbedingung zurzeit ungewohnt sind, das haben wir verinnerlicht. Darauf darf man keinen Gedanken verschwenden. Wie das Stadion aussieht, wie die Anlage ist, ob da Zuschauer sind oder nicht, das ist alles unerheblich. Erfolgreich sein: Darum geht es am Samstag. Darum geht es auch am Dienstag im Pokal.

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Wenn der kommende Spieltag absolviert ist, haben die Bundesligen fünf von neun Spieltagen in der Corona-Phase dieser Saison geschafft. Wie ist Ihre Zwischenbilanz? Sehr positiv. Ich glaube, nicht viele haben damit gerechnet, dass es so reibungslos laufen würde. Damit meine ich nicht nur den Fußball, sondern das Leben in Deutschland, dass sich trotz der Lockerungen die Infektionslage so verbessern würde. Mittlerweile erfüllen wir mit dem Hygienekonzept der DFL sehr strenge Auflagen im Vergleich zum restlichen gesellschaftlichen Leben. Wir werden sie auch weiterhin erfüllen, um die höchstmögliche Wahrscheinlichkeit dafür zu haben, dass es keine Infektionen gibt. In der neuen Saison sollte der Fußball aber die Chance haben, sich der Situation im ganzen Land anzupassen. Natürlich werden wir uns immer an den Einschätzungen der Experten orientieren. Mein Wunsch jedoch wäre, dass das Hygienekonzept den aktuellen Entwicklungen Rechnung trägt und wir wieder vor Teilen der Fans spielen können., In meinen Augen ist das in einem riesigen Stadion auch möglich, in dem man Abstand halten kann und an der frischen Luft ist. Das sollte alles organisierbar sein. 

Werden die Fans solche Einschränkungen mitmachen? Dass die Fans damit nicht umgehen können würden, das haben einige Kritiker als Drohkulisse genutzt. Aber die Fans haben in den letzten Wochen gezeigt, dass sie sehr verantwortungsbewusst mit der Situation umgehen. Deshalb traue ich ihnen im Falle einer Lockerung auch zu, wenn nur einige ins Stadion dürfen, dass sie auch hier verantwortungsvoll reagieren werden. 

Es gab große Zweifel daran, ob in leeren Stadien nach dieser Pause anspruchsvoller Fußball gespielt werden kann. Wie bewerten Sie die Qualität der Spiele? Man hat am ersten Spieltag gesehen, dass viele Mannschaften noch ein wenig unsicher waren und erst ins Spiel reinfinden mussten. Aber mittlerweile sehen wir, dass viele Partien richtig gut sind. Das zeigt auch, dass die Spieler trotz leerer Stadien eine hohe Eigenmotivation aufweisen. Man sieht, dass sie gerne Fußball spielen, dass sie gewinnen wollen. Sie tragen das in sich. Und sie sind in der Lage, auch in dieser Situation Top-Leistungen zu bringen und an ihre Leistungsgrenze zu gehen.

Offenbar erkundigen sich gerade viele Trainer aus den Ligen in England, Italien und Spanien, die auch vor dem Re-Start stehen, bei den Kollegen in der Bundesliga danach, wie man sich auf solch eine Situation vorbereitet. Die Aufmerksamkeit weltweit für die Bundesliga ist enorm. Ich bekomme nach Spielen auch Nachrichten aus Südamerika von ehemaligen Mitspielern und Bekannten. Der Brasilianer Juan beispielsweise, mein ehemaliger Mitspieler, hat nach dem 1:0 in Freiburg geschrieben: „Wichtiger Sieg.“ In der Regel macht er das nicht nach einem normalen Spiel, auch wenn wir einen guten Kontakt haben. Im Moment verfolgen jedoch alle die Bundesliga. Es war für den Fußball in den anderen Ländern ein wichtiges Signal, dass es in Deutschland funktioniert. Und unsere Spieler wertschätzen es sehr, in Deutschland zu sein, bei Bayer 04 zu spielen. Sie fühlen sich hier im Klub gut betreut, aber sie wissen es auch zu schätzen, das deutsche Gesundheitssystem in Anspruch nehmen zu können. Gerade im Hinblick auf die eigene Familie.

Im Fokus des Top-Spiels steht Kai Havertz, dessen Vertrag bis 2022 läuft. Sie spielen gegen den FC Bayern, der als Kandidat für einen Transfer gilt, sich aber zurückhaltend äußert. Wie bewerten Sie die Situation? Für uns hat sich nichts geändert. Kai konzentriert sich ganz aufs Sportliche. Das beweist er durch gute Leistungen auf dem Platz. Er ist einer der allerbesten Spieler. Und wir werden sehen, wie sich alles entwickelt.

Neben Kai Havertz hat Bayer 04 offenbar das nächste große deutsche Talent im Kader. Florian Wirtz hat nur wenige Monate nach seinem Wechsel vom 1. FC Köln den Sprung ins Team geschafft und ist mit 17 Jahren zum jüngsten Bayer-Profi geworden. Ich habe Florian zum ersten Mal gesehen, als er 13 war. Ich hatte schon die Fantasie, dass er zu unserem Spielstil passt, in dem Kombinationsspiel und Handlungsschnelligkeit wichtig sind. Wir haben uns intensiv um ihn bemüht. Wir sind für hochtalentierte junge Spieler als Klub interessant, weil es unser Ansatz ist, sehr viele Situationen spielerisch zu lösen, durch schnelle Kombinationen, nicht nur durch Zweikämpfe. Deshalb haben Spieler wie Florian Wirtz hier auch in jungen Jahren die Chance, sich durchzusetzen.

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