DFB-Pokal-FinaleBayer-04-Chef Carro fordert vom DFB ein Zuschauer-Konzept für Berlin

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Fernandocarro

Bayer-04-Geschäftsführer Fernando Carro

  • Leverkusens Geschäftsführer spricht vor dem Derby über den 1. FC Köln, Titelambitionen und Kai Havertz
  • Der Anspruch des Spaniers ist es, mit Bayer 04 zu den besten 16 Klubs in Europa zu gehören
  • Wenige Berührungspunkte mit dem 1. FC Köln, aber Lob für Geschäftsführer Alexander Wehrle

Herr Carro, wie sind vor dem Rückspiel Ihre Erinnerungen an das Hinrunden-Derby gegen den 1. FC Köln? Sie haben 0:2 verloren und waren nicht glücklich. Wir hatten vorher in München gewonnen und dann gegen Schalke, die damals gut drauf waren. Nach 15 Minuten des Spiels in Köln habe ich gedacht, dass auch diese Begegnung in unsere Richtung laufen würde. Deshalb war ich nachher einfach sauer und enttäuscht, dass wir nicht in der Lage waren, diese drei Punkte mitzunehmen.

Der FC war als Tabellenletzter in dieses Spiel gegangen und hat nach diesem Sieg ein Spiel nach dem anderen gewonnen. Ja, wir haben sie wiederbelebt.

Im Januar haben sie auf der „Spobis“ in Düsseldorf den Satz über die unterschiedliche Bekanntheit von Bayer Leverkusen und 1. FC Köln im Ausland gesagt, der für ein wenig Ärger sorgte. Haben Sie das bereut? Ich habe lediglich zitiert, was andere gesagt haben. Man hatte mich gefragt, wie wir uns als Bayer 04 gegen Schalke, Düsseldorf, Gladbach und Köln auf so engem Raum behaupten können, gegen Klubs, die in ihrer jeweiligen Region mehr Fans hätten als wir. Dann habe ich den Satz eines Offiziellen von Atlético Madrid wiedergegeben, der im Zuge eines Champions-League-Spiels gegen uns die Frage gestellt hatte, ob es auch in Köln einen Bundesligaverein gebe. Ich habe das ohne böswilligen Hintergedanken gesagt und war mir nicht bewusst, was daraus gemacht wird. Im Nachhinein bedaure ich das. Ich wollte niemandem zu nahe treten. 

Wie würden sie als Sprecher der Geschäftsführung von Bayer 04 Leverkusen ihr Verhältnis zum 1. FC Köln bezeichnen? Wir waren mit dem neuen Präsidium und der Geschäftsführung des FC vor dem Hinspiel essen. Ich halte insbesondere viel von Alexander Wehrle, der nicht nur in Köln, sondern auch im DFL-Präsidium einen guten Job macht. Es ist eine kollegiale und meist entspannte Beziehung zwischen zwei sehr unterschiedlichen Vereinen ohne allzu große Berührungspunkte im Alltag.

Sie haben die Qualifikation für die Champions League vor diesem Derby wieder in der eigenen Hand.

Unser Ziel ist es ganz klar, jedes Jahr in die Champions League zu kommen. Ich würde gern auch irgendwann ernsthaft um die Meisterschaft mitspielen, das ist mein natürlicher Antrieb. Dieses Jahr haben wir in der Liga fünf sehr gute Mannschaften. Und egal, wen es trifft: Es wird bitter für den Fünften, der es nicht in die Champions League schafft. Ich hoffe, dass wir das nicht sind.

Sie klingen nach fast zwei Jahren bei Bayer 04 nicht bescheiden. Immerhin hat Ihr Arbeitgeber den Titel „Vizekusen“ einst beim Patentamt schützen lassen. Ich möchte generell immer das Maximale erreichen, so ticke ich einfach. Das wirkt manchmal vielleicht unrealistisch in den Augen anderer. Aber ich bin sehr ehrgeizig und möchte das hohe Niveau bei Bayer 04 in allen Bereichen weiter anheben. Wir haben uns als Ziel gesetzt, in den kommenden Jahren zu den Top 16 in Europa zu gehören. Das sehe ich als meine Aufgabe an.

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Haben Sie das Gefühl, in dieser Frage schon etwas bewirkt zu haben? In Ihrer Amtszeit ist Trainer Peter Bosz für Heiko Herrlich gekommen und Simon Rolfes als Sportdirektor für Jonas Boldt. Hundertprozentig habe ich das Gefühl, etwas bewirkt zu haben, aber wir sind auf einem Weg, der noch lange nicht zu Ende ist. Wichtig ist: Die Entscheidungen in den Top-Personalfragen treffe ich nicht alleine. Peter Bosz als Trainer zu holen war ein wichtiger Beschluss, wir sind sehr zufrieden mit ihm und seiner Arbeit. Aber noch davor fiel die Entscheidung in der Frage des Sportdirektors, das war eine mindestens so bedeutende Weichenstellung für den Klub. Ich war von Beginn an überzeugt, dass es mit Simon Rolfes funktionieren würde. Ich hatte schon einige Monate mit ihm gearbeitet, er war im Juli 2018 als »Leiter Jugend und Entwicklung« zurück zu Bayer 04 gekommen. 

Sie kamen als ehemaliger Top-Manager und Vorstand bei Bertelsmann aus der Wirtschaft. Nicht immer waren Wirtschaftsleute im Fußball-Business erfolgreich. Es ist auf jeden Fall etwas anderes. Aber ich hatte ein paar Vorteile. Ich war immer nah am Fußball, habe in meiner Zeit in Spanien, aber auch später bei Bertelsmann, viel mit Führungspersonen aus dem Sport zu tun gehabt. Und ich bin seit langer Zeit mit Hans Krankl befreundet. Er war Nationalspieler und später Nationaltrainer in Österreich. So bin ich im Fußball gewissermaßen sozialisiert worden und habe auch ein Selbstverständnis aufgebaut, diesen Bereich zu verstehen und letztlich auch managen zu können. Wenn ich höre, dass Wirtschaftsleute im Fußball nicht erfolgreich sein können, spornt mich das nur an, denn ich bin überzeugt, dass dies auf mich nicht zutrifft.

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Die Spieler von Bayer Leverkusen bejubeln in Saarbrücken den Einzug ins DFB-Pokal-Finale.

Die Geschäftsgrundlage von Bayer 04 Leverkusen war und ist, Spieler mit großem Talent auf die nächste Stufe zu führen und sie dann mit Gewinn zu verkaufen. Ein solcher Prozess ist bei Kai Havertz im Gange. Es wird viel über einen Wechsel in diesem Sommer spekuliert. Wie ist die Situation aktuell? Generell würde ich Spieler wie Kai Havertz oder zuletzt Julian Brandt gerne länger bei Bayer 04 behalten, aber man muss natürlich die Gedanken der Spieler akzeptieren. Bei Kai Havertz sehe ich, dass viele Vereine Interesse an ihm haben. Kai ist seit zehn Jahren bei uns. Ich sehe den Wunsch des Spielers, irgendwann in naher Zukunft einen nächsten Schritt zu machen. Den muss man respektieren, genauso wie man die Tatsache respektieren muss, dass er einen Vertrag bis 2022 bei uns hat. Man muss versuchen, eine Lösung zu finden, bei der das Ziel des Spielers mit unserem in Einklang gebracht werden kann. Zurzeit kann niemand sicher sagen, was passieren wird. 

Wie wirkt sich die Corona-Krise auf diese Situation aus? Rudi Völler hat gesagt, dass Bayer keinen Rabatt akzeptiert. Man kann über den Wert natürlich diskutieren. Ich bin der Meinung, dass der Wert von 100 Millionen, der immer kolportiert wird, vor der Corona-Zeit für einen Spieler wie Kai Havertz zu wenig gewesen wäre, im Marktvergleich wohlgemerkt. Joao Felix wurde für 126 Millionen Euro vom FC Porto zu Atlético Madrid transferiert. Kais Wert sehe ich auf keinen Fall darunter. Für die Zukunft möchte ich daran arbeiten, dass wir eine noch bessere Adresse werden und Top-Spieler noch länger hier bleiben möchten. Aber dafür müssen wir öfter um Titel mitspielen – und zwischendurch einen gewinnen.

Ein Fußballer, der am Beginn einer erfolgreichen Karriere zu stehen scheint, ist Florian Wirtz (17), den Sie im Januar vom 1. FC Köln verpflichtet haben. Wenige Monate später ist er jüngster Bundesliga-Spieler der Bayer-Geschichte und jüngster Bundesliga-Torschützen aller Zeiten. Wie war es möglich, ein solches Talent vom Nachbarn zu holen? Durch Beharrlichkeit, Professionalität und gute Überzeugungsarbeit. Wir haben ihm und seinen Eltern offensichtlich das Gefühl gegeben, bei Bayer 04 gut aufgehoben zu sein für seinen nächsten Entwicklungsschritt. Letztlich müssen sie ihn das aber selbst fragen. Wir sind einfach sehr glücklich darüber, dass er bei uns ist.

Bayer 04 hofft auf eine kleine Kulisse beim DFB-Pokal-Finale gegen den FC Bayern am 4. Juli in Berlin. Wie ist ihre Prognose? Ich glaube, dass das Pokal-Finale ein guter Test wäre für nächste Saison. Ich würde mir wünschen, dass 5000 Zuschauer pro Klub erlaubt würden. Das müsste in einem so riesigen Stadion und selbstverständlich unter Einhaltung sämtlicher Hygiene-Vorschriften möglich sein. Beim Deutschen Fußball Bund kennt man unsere Haltung. Wir erwarten vom DFB, dass er ein Konzept für das Pokal-Finale erarbeitet, so dass am Ende wenigstens ein Teil unserer Fans dabei sein kann. Entscheiden muss dann die Politik. Dieser Entscheidung würden wir uns selbstredend beugen. Aber die Politik kann nur entscheiden, wenn ein gutes Konzept vorgelegt wird, so wie das die DFL mit der Bundesliga gemacht und der DFB es für die Dritte Liga übernommen hat. Wir als Bayer 04 wären selbstverständlich bereit, den DFB bei dieser herausfordernden Aufgabe zu unterstützen.  

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