Die Bayer-KriseKlubchef Carros letzter Auftrag an Trainer Seoane

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Seoane Berichtbild

Gerardo Seoane

Leverkusen/München – Am Sonntagvormittag saß Fernando Carro im Studio des TV-Senders Sport1 und erzählte im Fußball-Talk „Doppelpass“, wie er gedenkt, mit der aktuellen Krise seines Arbeitgebers umzugehen. Nach der 0:4-Niederlage beim FC Bayern München am Freitagabend war Bayer 04 Leverkusen auf Platz 17 abgerutscht. Sportlich, emotional und tabellarisch hat der mit großen Ambitionen in die Saison gestartete Tabellendritte der Vorsaison ein neues Tief erreicht. Aber am Trainer, so bekräftigte der Vorsitzende der Geschäftsführung, werde man vorerst festhalten.

Zur Situation von Gerardo Seoane sagte der Spanier: „Wir wollen den Turnaround mit ihm schaffen, aber wir sind nicht blauäugig. Und wir sind auch nicht unvorbereitet.“ Auf die Frage, ob der ehemalige Chelsea-Coach Thomas Tuchel ein Kandidat sei, antworte der 58-Jährige: „Thomas Tuchel ist ein exzellenter Trainer, mit dem Rudi Völler schon vor Jahren Kontakt hatte.“

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Trotz allem, erklärte Carro unter Verzicht auf Logik, sei man mit Seoane zufrieden: „Wir glauben an ihn und sind von seinen Fähigkeiten überzeugt. Aber wir benötigen Ergebnisse schon am Dienstag in der Champions League beim FC Porto. Und am Samstag gegen Schalke musst du die drei Punkte holen.“ Gleichzeitig übte der Klubchef harte Kritik am 0:4 gegen den FC Bayern: „So wie in München kann es nicht weitergehen. Das kann man nicht akzeptieren.“

Gefahrlos darf das so übersetzet werden: Gerardo Seoane hat noch zwei Gelegenheiten, um sich im Amt zu halten. Sollte seine Mannschaft nicht ein gänzlich anderes Gesicht zeigen als zuletzt, wird eine Trennung unvermeidlich sein. Dass danach Thomas Tuchel übernimmt, ist allerdings unwahrscheinlich. Der Welt-Trainer des Jahres 2021, dessen Entlassung beim FC Chelsea weltweit auf Unverständnis stieß, denkt in anderen Dimensionen und würde außerdem in Gehaltsregionen vorstoßen, die bei Bayer 04 bisher unrealistisch waren.

Unabhängig davon erscheint es schwer vorstellbar, wie die vielen Defizite im Spiel der Werkself über Nacht verschwinden sollen. Alleine das Torwartproblem erscheint riesig. Mit seinen schweren Fehlern vor dem 0:2 und dem 0:4 hat Lukas Hradecky in München seine Pannenserie auf insgesamt fünf ausgebaut. Schon gegen Bremen, Brügge und Hoffenheim hatten Patzer des Kapitäns Punkte und Siege gekostet. Die gerade erfolgte Vertragsverlängerung bis ins Jahr 2026 wirkt vor diesem Hintergrund schon fast beängstigend. Der Russe Andrej Lunev kommt aus einer Verletzung und scheint nicht die Antwort auf die Torhüterfrage sein zu können.

Spieler geraten reihenweise in schwere Krisen

Davor müht sich eine Abwehr, in der jeder einzelne Spieler in eine Krise geraten ist – aber keiner in eine tiefere als Linksverteidiger Mitchel Bakker, der am Freitag trotz fortgesetzt schlimmer Leistungen in den letzten Monaten starten durfte und durch einen Stellungsfehler das 0:1 in der dritten Minute einläutete. Die Stürmer Patrik Schick und Moussa Diaby, auf deren Bleiben der Klub im Sommer so stolz war, laufen wie ihre eigenen Schatten über den Platz, Last-Minute-Verpflichtung Callum Hudson-Odoi hat ebenso in den Unsichtbarkeitsmodus gefunden. Die Kollegen mussten sich von Kerem Demirbay sagen lassen, was die Stunde geschlagen hat. „Das müssen jetzt die Führungsspieler tun, also auch ich“, sagte der Demirbay. Allerdings ist fraglich, dass ihm jemand zuhört. Alle scheinen in ihrer Welt mit sich selbst beschäftigt.

In diesem Zustand fliegt der Tross am Montag mit Trainer Seoane zum Champions-League-Spiel nach Porto (Dienstag, 21 Uhr/Dazn), wo nach einer Pleite in Brügge und einem Sieg über Atlético schon eine Richtungsentscheidung fallen kann. Allerdings nur für die Gruppenphase des Wettbewerbs. Das aktuelle Problem von Bayer 04 kann nicht in einem Spiel besiegt werden. Es geht viel tiefer.

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