Europa LeagueAuch Leverkusen fliegt blind im rheinischen Geister-Turnier

Lesezeit 4 Minuten
MDS-KSTA-2020-06-17-71-162172146

Der Endspiel-Ort: Das Rhein-Energie-Stadion

  • Der Endspurt mit dem Finale in Köln stellt alle vor riesige Herausforderungen.
  • Rhein-Energie-Stadion könnte die zuschauerlose Heimspielstätte für Manchester United werden
  • Im Erfolgsfall verbringt Bayer 15 Tage im Quarantäne-Hotel in Düsseldorf

Köln – Es ist im Fußball normal geworden in der Corona-Zeit, keine Einblicke zu bekommen, mit niemandem in physischer Nähe sprechen zu können, kein Publikum zu haben und sich in Unklarheit über die Dinge tastend vorwärts zu bewegen. Im Rahmen eines simulierten Bundesliga-Alltags war das schon eine Herausforderung. Jetzt begibt man sich allerdings auf europäischer Ebene in eine Situation, die es so noch nie gab. Champions League und Europa League werden nach fast fünfmonatiger Unterbrechung in kürzester Zeit im Großraum Lissabon und im Rheinland zu Ende gespielt. Es wird unter künstlichen Bedingungen in zwei weit voneinander entfernten Regionen Europas ein Raum-Zeit-Kontinuum geschaffen, von dem man keine rechte Vorstellung hat. Zuvor aber müssen manche Klubs noch durch halb Europa reisen, um das Achtelfinale zu Ende zu spielen. Wie die Glasgow Rangers, die am Donnerstag bei Bayer 04 Leverkusen in der Europa League zu Gast sind.

Hinter allem steht ein Fragezeichen

Hinter allem, was die Klubs erwartet, steht auch beim Geister-Turnier im Rheinland ein Fragezeichen. Es ist unklar, in welcher Verfassung sich der Gegner befindet. Ebenso unklar ist, in welcher Verfassung man sich als deutscher Bundesligist rund einen Monat nach dem Ende der Corona-Saison selbst befindet. Es ist unklar, ob körperliche Erholung die Wettkampfpraxis und den existierenden Rhythmus der Top-Vereine aus England, Spanien und Italien schlagen wird. Und wie es mit der inneren Spannung der Profis aussieht, die auch nur Menschen sind, weiß ebenfalls niemand.

Sicher ist vor allem: Es wird keine Zuschauer geben. Das Europa-League-Turnier wird am Mittwochabend um 21 Uhr in einer leeren Veltins-Arena mit dem Spiel FC Getafe gegen Inter Mailand beginnen und am 21. August vor leeren Rängen mit dem Endspiel im Kölner Rhein-Energie-Stadion zu Ende gehen.

Alles zum Thema Florian Wirtz

Einem normalen Menschen ist kaum zu erklären, warum der VfL Wolfsburg unter großem Widerwillen dennoch fast 2000 Kilometer entfernt in Charkow/Ukraine gegen Schachtjor Donezk antreten muss. Die Begründung der Uefa ist: Getafe und Inter können die Sache auf einmal an einem neutralen Ort austragen, weil sie noch kein Hinspiel hatten. Alle, die wie Wolfsburg, Frankfurt und Leverkusen das Hinspiel schon absolviert hatten, müssen im Rückspiel dem Gegner oder sich selbst den Heimvorteil gewähren. Für Bayer 04 ist das sehr einfach. Die Heimspielstätte liegt mitten im NRW-Spielgebiet (Gelsenkirchen, Duisburg, Düsseldorf, Köln). Der 3:1-Sieg vom 12. März eröffnet außerdem beste Chancen auf den Einzug ins Viertelfinale, das dann am kommenden Montag in Düsseldorf gegen den Sieger aus der Partie Getafe gegen Inter Mailand stattfände.

Das könnte Sie auch interessieren:

Aber auch dahinter verbergen sich Außergewöhnlichkeiten. Sobald sie Teil des Rheinland-Endturnieres werden, müssen die Klubs am Tag zuvor ihr Quarantäne-Hotel in der Region beziehen, bis zum Ausscheiden dort Station machen und in der Nähe trainieren. Im Fall der Leverkusener, die sowohl ein mögliches Viertel-, als auch ein Halbfinale in der Düsseldorfer Arena austragen würden, könnte das 15 Tage sein.

Am Montag haben sie von der Uefa eine gute Nachricht erhalten. Aufgrund einer Ausnahmeregelung dürfen laut „sportschau.de“ Spieler, die bis 2. Februar verpflichtet wurden, für den 25-Mann-Kader nachgemeldet werden. Der Ex-Kölner Florian Wirtz (17) wurde am 2. Februar verpflichtet. Bayer 04 wird von dieser Regelung für dieses Turnier Gebrauch machen.

Köln nimmt in der Europa League eine herausragende Stellung ein. Die Rhein-Energie-Arena ist Schauplatz eines Viertelfinales, eines Halbfinales und des Finales. Es könnte die gefühlte Heimstätte des Turnierfavoriten Manchester United werden, dessen Achtelfinal-Rückspiel gegen den Linzer ASK nach dem 5:0-Hinspielsieg eine reine Formsache ist. Allen Klubs bietet sich dieselbe Chance: Sie können in nur vier Spielen den zweithöchsten Titel des europäischen Klub-Fußballs gewinnen und sich, wenn nicht schon in der heimischen Liga geschehen, für die nächste Austragung der Champions League qualifizieren. #

Für die Werkself, der das in der Liga um Haaresbreite nicht gelungen ist, liegt darin ein ganz besonderer Anreiz, der mehr Wert ist als die 20 Millionen Euro, die man als Teilnehmer an der Königsklasse mehr verdient. „Unser Anspruch ist immer die Champions League“, sagt Klubchef Fernando Carro. 

Obwohl alle Spiele ohne Publikum stattfinden ist die NRW-Sportpolitik stolz auf dieses Turnier. „Das Vertrauen in unsere Region ist ein großes Kompliment für das Sportland NRW mit seinen hervorragenden Strukturen aus Vereinen, Stadien und zuverlässig arbeitenden Behörden“, hatte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) nach der Vergabe des Turniers gesagt. Und Sport-Manager Michael Mronz, der mit der Initiative „Rhein Ruhr City 2032“ Olympische Spiele in diesen Teil von NRW holen will, sieht dieses Event als Beweis dafür, dass Nordrhein-Westfalen eine einzigartige Sportstätteninfrastruktur besitzt.“

Obwohl es ohne echtes Publikum den bekannten Fußball-Heimvorteil nicht geben kann, versucht Leverkusen als einziger Klub aus der Region daraus einen Vorteil zu schlagen. Geschäftsführer Rudi Völler sagt: „Es wird Zeit, dass es losgeht.“

KStA abonnieren