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Julian BrandtDer Junge, der dem FC Bayern absagte

Lesezeit 3 Minuten
Julian Brandt lässt die Slalomstangen in Lagos stehen wie Slalomstangen.

Julian Brandt lässt die Slalomstangen in Lagos stehen wie Slalomstangen.

Lagos – „Für meine Kumpels“, sagt er, „bin ich derselbe Vogel wie immer und völlig normal.“ Für seine Kumpels mag das ja zutreffen, nicht aber für Sachverständige des Fußballs. Experten mit Blick für Talente halten diesen jungen Mann für ein ganz besonderes Exemplar, für einen Hochbegabten mit glänzender Perspektive, für ein Juwel: Julian Brandt, gerade mal 17 Jahre alt und seit wenigen Tagen in Diensten des Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen unterwegs.

Bis zu 50 Vereine aus dem In- und Ausland sollen es zuletzt gewesen sein, die den pfeilschnellen Linksaußen mit attraktiven Vertragsangeboten zu sich locken wollten, darunter der FC Chelsea sowie die beiden deutschen Branchenführer Bayern München und Borussia Dortmund, aber natürlich auch der gut betuchte VfL Wolfsburg, in dessen A-Jugend der gebürtige Bremer zuletzt spielte. Das Rennen aber machte Leverkusen.

„Der Rudi Völler hat ehrliche Augen“

Glaubt man dem jungen Spieler oder den ihn in allen Dingen des Lebens beratenden Vater, dann hatte Bayers Sportchef daran entscheidenden Anteil. „Mein Sohn sagte mir: Der Rudi Völler hat ehrliche Augen“, vertraute Jürgen Brandt unlängst dem „Express“ an, und Julian selbst bestätigte das gestern am Rande des Trainingslagers der Werkself im portugiesischen Lagos, als er freimütig eingestand: „Ich habe ihm alles abgekauft, was er mir erzählt hat.“

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Okay, es hätten sich wohl auch viele andere Klubs um ihn bemüht, erzählte der Blondschopf, was sich anhörte, als habe er von all dem auch nur aus der Zeitung erfahren. Tatsächlich habe er selbst aber sonst niemanden zu Gesicht bekommen. „Mein Vater hat das Ganze – so gut es ging – von mir ferngehalten.“

Den Ausschlag hat die Annahme gegeben, dass Brandt bei Bayer 04 beste Möglichkeiten vorfindet, um tatsächlich auch im Seniorenbereich zu einem Klassespieler heranzureifen. „Viele sehr junge Spieler haben sich bei uns extrem gut weiter entwickelt. Wir genießen in dieser Hinsicht einen exzellenten Ruf, was im Falle eines Falles auch schon mal finanzielle Nachteile gegenüber Mitbewerbern wie Bayern oder Dortmund wettmacht“, formulierte es Kadermanager Michael Reschke am Mittwoch nicht ohne Stolz.

Wohnungssuche aus dem Hotel

Einstweilen hat Julian Brandt genug damit zu tun, sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Was ihm allerdings auch sehr leicht gemacht werde, „alle haben mich total liebevoll aufgenommen.“ Wenn er am Wochenende mit den Kollegen aus dem Trainingslager zurück ist, wird er zunächst mal im Hotel an der BayArena wohnen, bevor er sich nach einer eigenen Wohnung umschaut. Die Eltern bleiben daheim in Bremen, er wird sich als Solist durchschlagen müssen. Was ihm dank seines Wesens gelingen dürfte – er wirkt zwar ausgesprochen selbstbewusst, aber keineswegs überdreht oder gar durchgeknallt.

Das Thema Schule hat er zu Gunsten der verheißungsvollen fußballerischen Laufbahn nach der Mittleren Reife vorerst für erledigt erklärt, ohne dafür bei seinen Eltern größere Widerstände brechen zu müssen. „Sie waren einverstanden und unterstützen mich auf meinem Weg.“ Was nicht heißen soll, dass er nicht doch eines Tages das Abitur nachmacht oder eine Ausbildung absolviert. „Die Eltern werden schon dafür sorgen, dass ich nicht auf der faulen Haut liege.“

Fürs Erste wäre der U-19-Nationalspieler, der in Leverkusen einen bis Juni 2019 gültigen Kontrakt unterschrieben hat, schon heilfroh, wenn er in der anstehenden Rückrunde überhaupt mal in der Bundesliga zum Einsatz käme – „und wenn es nur für ein paar Minuten wäre“. Als Spielertyp orientiere er sich an Marco Reus – „der macht das richtig stark“. Über seine eigenen Stärken will er aber kein einziges Wort verlieren, denn: „Ich wäre der Letzte, der von sich selber schwärmt.“

Das tun ja schon genug Sachverständige des Fußballs.

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