Kai HavertzDer Aufstieg des Begnadeten geht in der Nationalelf weiter

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Kai Havertz von Bayer 04 Leverkusen

  • Der 19-Jährige setzt mit seinen Toren und Leistungen Bestmarken.
  • Bundestrainer Joachim Löw schwärmt von den Fähigkeiten des Mittelfeldspielers.
  • Im Sommer 2020 steht den Leverkusenern ein Rekordtransfer ins Haus.

Köln – In einer Woche, am 11. Juni, wird Kai Havertz 20 Jahre alt. Im Leben eines Fußball-Profis beginnt damit eigentlich die Krabbelphase.  Der Weg großer Stars war mit 20 Jahren noch unabsehbar. Thomas Häßler war in diesem Alter beim 1. FC Köln ein Problemkind, das regelmäßig den Sprung in den Kader verpasste. Zlatan Ibrahimovic wechselte von Malmö FF  zu Ajax Amsterdam als ein Talent unter vielen. Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger waren zwar schon Lieblinge der Nation, aber von späterer fußballerischer Reife weit entfernt. Für sie alle galt das Naturgesetz, dass mit 20 Jahren in dieser Branche  alles noch infrage steht. Kai Havertz aber ist gekommen, um dieses Gesetz aufzuheben. Vor ihm steht eine große Karriere. Und nichts ist vorstellbar, außer schweren Verletzungen, das sie verhindern könnte.

Große Augen der Bewunderung gibt es beim jungen Supertalent nicht

Als sich die Fußball-Nationalmannschaft am Montag zur Vorbereitung auf ihren Doppelspieltag in der EM-Qualifikation gegen Weißrussland (Samstag, 20.45 Uhr in Borissow) und Estland (Dienstag, 11. Juni 20.45 Uhr in Mainz) in Venlo traf, war Havertz wie  immer der Jüngste. Und wie immer  war ihm nichts davon in Auftreten, Körpersprache und Gestus anzumerken. Die großen Augen, mit denen der junge Mensch die neue Welt bewundert, hat es bei Kai Havertz nie gegeben. Auch nicht, als er mit 17 zu den Profis von Bayer 04 Leverkusen gerufen wurde. Wenn das Wort Selbstbewusstsein jemals zu einem jungen Fußballer gepasst hat, dann zu Kai Havertz. Er ist unglaublich gut. Und er weiß es.

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Bundestrainer Joachim Löw, der dieser Tage noch die Folgen einer Brustverletzung vom Hanteltraining auskuriert, hat in einem Interview mit dem „Kicker“ gesagt: „Bei Kai Havertz habe ich mich ... nach dem ersten Training gefragt, ob er schon ein oder zwei Jahre bei uns wäre. Es wirkte, als wenn er mit allen anderen schon immer zusammengespielt hätte. Das habe ich zuvor ganz, ganz selten bei einem Spieler gesehen.“ Dank dieser Selbstverständlichkeit eigener Klasse hat Kai Havertz mit noch 19 Jahren eine beeindruckende Liste von Leistungsdaten angehäuft. Er hat 114 Profi-Spiele für Bayer 04 absolviert, 88 davon in der Bundesliga. Im Mai 2017 hat er dem Werksklub beim 1:1 in Ingolstadt mit einem Kopfballtor entscheidend aus dem Abstiegskampf geholfen.  In der abgelaufenen Liga-Saison hat er 17 Tore erzielt, neunmal das 1:0. Das war zuvor noch keinem 19-Jährigen gelungen. Er hat die U 21 übersprungen, drei A-Länderspieleinsätze gesammelt und ist zu einem der begehrtesten jungen Spieler der Welt geworden.

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Die Basis für all das ist ein fantastisches Balltalent, gepaart mit unglaublicher Übersicht und erstaunlicher physischer Robustheit. Dazu kommt eine innere Ruhe, die aus der Nähe fast beängstigend wirkt. Sein Leverkusener Trainer Peter Bosz sagt über ihn: „Kai ist ein sehr intelligenter Junge, sehr besonders, vor allem, weil er noch 19 Jahre alt ist.   Er ist sehr offen, man kann mit ihm reden. Ich versuche, mich jede Woche oder jede 14 Tage ruhig mit ihm hinzusetzen und ihm zu zeigen, was er gut macht. Und was er noch besser machen kann, denn es gibt noch viel, was er besser machen kann.“

Nach dem Verkauf von Julian Brandt nach Dortmund ist Kai Havertz der Chef im Leverkusener Offensivspiel. Der Klub könnte ihn in diesem Sommer ohne weiteres für eine fantastische Summe verkaufen. Es ist aber praktisch garantiert, dass der Wert dieses Spielers durch ein Jahr in der Champions League weiter steigt, deshalb wird das nicht passieren. Und da der Vertrag des Profis, der auf allen Mittelfeldpositionen spielen kann, bis 2022 läuft, steht schon jetzt fest, dass es im Sommer 2020 einen Leverkusener Rekordtransfer in der Nähe einer dreistelligen Millionensumme geben wird, auch wenn ihm sein Trainer ein Tal prophezeit. „Er wird ein Tief bekommen, das bekommen alle, auch der Kai“, sagt Peter Bosz.

Vermutlich werden aber nur Experten etwas von diesem „Tief“ bemerken, denn Kai Havertz hat mehr Gefühl in seinen Füßen als die meisten Menschen in ihren Händen. Und er ist selbstkritisch.  In den ersten Rückrundenspielen war der gebürtige Aachener, der mit elf Jahren nach Leverkusen wechselte, hinter den Erwartungen zurückgeblieben. „Da habe ich ein neues Wort von ihm gelernt“, verrät Peter Bosz, „Kai hat sich die Bilder angesehen und gesagt: Das war schlumpig. Oder wie heißt das Wort? Ah, schlampig. Das hat er gesagt.“

Danach hat der 19-Jährige einen fantastische Rückrunde hingelegt und sein Team in die Champions League geführt. Zur Belohnung wird sich jetzt die Zahl seiner Länderspiele erhöhen.   

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