LeverkusenDie schöne Champions-League-Welt der Werkself liegt in Trümmern

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Enttäuschte Profis von Bayer 04 Leverkusen

  • Durch die 1:2-Niederlage gegen Moskau sind alle Ziele schon fast verspielt
  • Trainer Bosz hat für das rätselhafte Versagen seiner Talente keine Erklärung
  • Leon Bailey fällt mit einer Muskelverletzung wochenlang aus

Leverkusen – Der Fußball ist in der Lage, in knapp zwei Stunden aus Trümmern ein Paradies zu erschaffen. Er kann  aber auch ein Paradies in Trümmer legen, so wie es am Mittwochabend in Leverkusen geschah. 90 Minuten plus Nachspielzeit und eine Halbzeit haben die große Oper Champions League in eine Provinzbühne verwandelt. Oder genauer: Das taten die Darsteller im Werkself-Trikot, die in ihrem Stück auf eine Weise dilettierten, die sogar  Bayer-erfahrene Betrachter erschrak.

Gehemmt, verstört, jenseits der Schaffenskraft

Es geschah nicht zum ersten Mal in der Geschichte von Bayer 04, dass eine Mannschaft genau in dem Moment versagte, als das große Licht anging und die Welt auf sie blickte. Selten jedoch wirkten Leverkusener Spieler so gehemmt, verstört und jenseits ihrer Schaffenskraft wie die Bayer-Profis am Mittwochabend. Das 1:2 gegen Lokomotive Moskau war nicht nur eine Niederlage – es war die Blamage gegen eines der schwächsten Champions-League-Teams, das jemals in der Bay-Arena gespielt hatte. 22 Prozent Ballbesitz ohne ein konsequent von hinten nach vorn gespielter Angriff genügten dem Eisenbahner-Verein aus der russischen Hauptstadt, um das  für sein Talent gerühmte Ensemble der Werkself zu schlagen. Dessen Trainer Peter Bosz, der zuvor einen „Pflichtsieg“ gefordert hatte, erklärte hinterher zerknirscht: „Mit solchen Fehlern kannst du kein Spiel gewinnen. Das waren heute nicht wir, das war nicht Bayer Leverkusen.“

Die Frage war allerdings, was es dann war. Das Erreichen der Champions League hatte Bayer 04 auf eine Weise stolz gemacht, die einem Titelgewinn sehr nahe kam. Der Werksklub war in das Quartett der deutschen Elite-Teams zurückgekehrt und blickte stolz auf seine sechste Champions-League-Qualifikation in den letzten zehn Jahren. Erfolgreicher waren nur der FC Bayern und Borussia Dortmund. Darüber definiert man auch seine Bedeutung mit einer vielversprechenden Mannschaft um den Jung-Star Kai Havertz, der kommenden Sommer bei einem Transfer mehr als 100 Millionen Euro Ablöse einbringen soll. Der Spielplan hatte Lokomotive  Moskau als Auftaktgegner beschert. Aber das wahre Ziel war, mit dem unter Peter Bosz etablierten Ballbesitzfußball nach sechs Spielen auf Platz zwei der Gruppe zu stehen und entweder Juventus Turin oder Atletico Madrid hinter sich zu lassen. Der Sieg über das biedere Lok-Team mit dem Deutschen Benedikt Höwedes in der Innenverteidigung galt als Selbstverständlichkeit. Dann begann das Spiel, und diese Mannschaft zeigte die schlechteste Leistung in den neuneinhalb Monaten, die Peter Bosz ihr Trainer ist.

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Das einzige Leverkusener Tor war ein Moskauer Eigentor von Benedikt Höwedes.  Allerdings hat der Deutsche nur einen Schuss von Charles Aranguiz unglücklich abgewehrt und keine Slapstick-Momente geschaffen wie Bayer 04 bei seinen Gegentoren. Dem 0:1 von Krychowiak in der 16. Minute war ein krasser Fehleinwurf von Wendell vorausgegangen, den Bailey unglücklich in den eigenen Strafraum verlängerte. Später wurde Bailey mit einem Muskelfaserriss ausgewechselt. Er wird Bayer 04 wochenlang fehlen.

Das Versagen der Werkself hatte viele Namen. Vier Tage nach dem deprimierenden 0:4 in Dortmund spielten alle eine Klasse unter Normalform , manche sogar zwei Klassen darunter. „Wir könnten hier alle Namen nennen“, sagte Trainer Bosz, als er nach der schwachen Leistung des Jungstars Havertz gefragt wurde. Herausragend war aber der Slapstick-Moment des Torhüters Lukas Hradecky, der Barinov den Ball vor dem 2:1 direkt vor die Füße warf. Der Russe musste in der 37. Minute nur ins leere Tor schießen.

Alle rangen nach diesem Spiel nach Erklärungen. „Wir hätten das Spiel heute und in Dortmund auch gewinnen können“, sagte der ebenfalls enttäuschende Nationalspieler Jonathan Tah trotzig, wie wider besseren Wissens. Trainer Peter Bosz sollte einen Weg finden, seine Mannschaft bis Samstag um 15.30 Uhr aus ihrer  Lähmung zu holen. Dann ist wieder Fußball-Bundesliga. Union Berlin. Kleinere Bühne. Vielleicht passt sie ja besser zu Bayer 04 Leverkusen.    

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