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LeverkusenWelches Bayer 04 wird Seoane gegen Bergamo spielen lassen?

Lesezeit 3 Minuten
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Leverkusen – Die Analysten von Atalanta Bergamo werden die Bilder des Bundesliga-Topspiels vom vergangenen Samstag mit all den zur Verfügung stehenden Tools ausgewertet und durchleuchtet haben. Und man kann sich vorstellen, wie ratlos ihre Gesichter bei der Ansicht von Bayern München gegen Bayer Leverkusen (1:1)  ausgesehen haben mögen.

War diese Mannschaft, die mit drei Innenverteidigern, einer massiven Fünfer-Abwehrkette, zwei tief arbeitenden Sechsern mit kaum mehr als 30 Prozent Ballbesitz das Spiel in seiner defensivsten Form arbeitete, war das wirklich Bayer 04 Leverkusen? Und: Wird sie am Donnerstag im Achtelfinal-Hinspiel der Europa League gegen uns spielen – oder wird das wieder das andere Bayer 04 Leverkusen mit seiner unglaublichen Schnelligkeit, seinem jugendlichen Esprit und seiner Furchtlosigkeit im frühen Attackieren?

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Aus Leverkusen, so viel steht fest, wird keine Antwort auf diese Fragen kommen, bevor diese Partie am Donnerstag um 21 Uhr in der Lombardei begonnen hat. Trainer Gerardo Seoane hat mit seiner fußballerischen Mimikri – ein offensives Team täuscht vor, ein defensives zu sein – schon in München den seltenen Ertrag eines Unentschiedens erzielt. Die taktische Verunsicherung des kommenden Gegners kommt als Bonus dazu, den man bestimmt nicht durch Offenherzigkeit verschenken wird. Zumal Atalanta mit seiner Art, das Verhalten des Gegners auf dem Platz zu spiegeln, jeden Spieler von einem direkten Gegenspieler verfolgen zu lassen und so Stress in allen Bereichen des Spiel zu erzeugen, im europäischen Fußball in dieser Konsequenz einzigartig auftritt.

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Die Bayer-Spieler machen erst gar keinen Hehl daraus, dass sie sich in den ungewohnten taktischen Kleidern nicht so recht wohl gefühlt haben. „Das war nicht unsere Art“, sagte Abwehrchef Jonathan Tah nach dem 1:1 unverblümt. Aber Trainer Gerardo Seoane wird nicht zögern, eine solche Taktik noch einmal zu wählen, wenn sie ihm geeignet erscheint, eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Erreichen des in dieser Saison einzig noch erreichbaren Titels zu erzeugen. Der Schweizer ist, bei all seiner Liebe für die Offensive, ein beinharter Realist. Und genau deshalb wurde er nach der verschwenderischen Zeit des Offensivdogmatikers Peter Bosz, der lieber ein Spiel verlor, anstatt ein Ergebnis zu verteidigen, auch nach Leverkusen geholt.

An Seoane hat die Leverkusener vor allem überzeugt, wie er sie im Februar 2020 mit einem Young-Boys-Bern-Team, das die Schweizer Liga offensiv dominierte, durch defensiv ausgerichtetes Umschaltspiel mit zwei Siegen (4:3, 2:0) aus der Europa League warf. "Heute braucht man im Fußball, und selbst in einem Spiel, verschiedene taktische Grundausrichtungen, weil es Gegner gibt, die sich beispielsweise durch jedes Pressing hindurch spielen. Hier wollen wir den nächsten Schritt gehen, denn unsere Ziele bleiben hoch", hat der künftige Geschäftsführer Simon Rolfes im Frühsommer 2021 nach der Verpflichtung von Gerardo Seoane gesagt. Und ziemlich genau diese Fähigkeit zur Verstellung gemeint.

In der wieder einmal wichtigsten Woche des Jahres, mit Spielen gegen Bergamo und dem 1. FC Köln (Sonntag, 15.30 Uhr, Bay-Arena), können Weichen in Leverkusen falsch oder richtig gestellt werden. Patrik Schick, der sich nach seiner Wadenverletzung noch in der Reha befindet, wird dabei nicht behilflich sein können. Karim Bellarabi (Muskelfaserriss) peilt ein Comeback gegen Köln an. In Bergamo muss der Trainer mit dem Kader auskommen, den er in München zur Verfügung hatte. Auch nach dem Abgang von Robin Gosens zu Inter Mailand gehört das kleine Atalanta mit seinem nur rund 21 000 Zuschauern fassenden Gewiss-Stadion zu den Top-Klubs Italiens. Die 0:1-Niederlage gegen den AS Rom hat das Team von Trainer Gasperini auf Platz sechs zurückgeworfen, der Anschluss an die Champions-League-Ränge ist aber noch nicht verloren. „Das ist eine ganz starke Mannschaft“, sagt Italien-Kenner Rudi Völler. Gegen sie dürfen alle Mittel zur Anwendung kommen. Auch Fußball-Mimikri.

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