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Leverkusens Lars Bender im Interview„Der eine oder andere wäre daran zerbrochen“

Lesezeit 8 Minuten
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Zum Saisonstart gegen Paderborn zog sich Lars Bender eine blutige Nase zu.

  • Bayer 04 Leverkusens Kapitän Lars Bender ist als Vorzeigefußballer bekannt – und als verletzungsanfälliger Profi.
  • Der Defensivspieler spricht im Interview über ein mögliches Karriereende und das Spiel am Samstag in Dortmund.
  • Zudem wirft Bender einen Blick auf die nächste Woche beginnende Champions-League-Saison.

Leverkusen – Herr Bender, wissen Sie, Ihr wievieltes Pflichtspiel für Bayer 04 Leverkusen die Partie am Samstag bei Borussia Dortmund werden könnte?

Ja, mein 301.

Im Internet ist von bislang 297 zu lesen…

Ja, aber ich habe drei Spiele für die Leverkusener Amateurmannschaft gemacht. Die Gesamtzahl weiß ich aber auch nur, weil ich beim 300. von einem Fan darauf aufmerksam gemacht wurde (lacht).

Wissen Sie auch, wen sie zuletzt in der Leverkusener Rekordspieler-Rangliste überholt haben?

Nein, das weiß ich nicht.

Jens Nowotny, er hat 297 Spiele für Bayer 04 absolviert. Nehmen Sie es an, wenn man Sie als Leverkusener Klublegende bezeichnet?

Ich finde es schön, wenn die Fans noch Spieler haben, mit denen sie sich verbunden fühlen. Genauso schön ist es, wenn sich ein Spieler mit einer Sache identifizieren kann. Und ich kann mich mit dem Klub vollends identifizieren. Wenn beide Seiten zufrieden sind, Fans und Verein mir etwas geben, ich den Leuten etwas geben kann, dann ist das schön. Das zeigt, dass wir in den vergangenen Jahren einiges richtig gemacht haben.

Zur Person

Lars Bender (30), geboren in Rosenheim, spielt seit 2009 für Bayer 04 Leverkusen, ist seit 2015 Kapitän der Werkself.  Der Defensivspieler verbrachte seine Jugend beim TSV Brannenburg, der SpVgg Unterhaching und 1860 München. Benders Vertrag in Leverkusen läuft noch bis 2021. 2009 wurde er zusammen mit Zwillingsbruder Sven Bender U-19-Europameister, 2016 holten sie Olympia-Silber in Rio.

Wie viele Spiele können noch dazukommen? Ihr Sportdirektor Simon Rolfes steht bei 377 Einsätzen.

Ich will noch möglichst viele absolvieren. Wenn ich irgendwann das Gefühl habe, es reicht körperlich gar nicht mehr, oder ich kriege das Feuer nicht mehr entfacht, dann höre ich auf.

Dass es körperlich nicht mehr funktioniert, dürfte bei Ihnen wahrscheinlicher sein, als dass das Feuer erlischt.

Ich habe so viele Verletzungen gehabt – wenn noch weitere schwere dazukommen, dann wird es bei mir eng, auch vom Feuer her. Bis jetzt habe ich es immer hinbekommen, dass die Bereitschaft voll da war, mich zurück zu kämpfen. Allerdings hat die Öffentlichkeit selten registriert, wie viel ich leisten musste, um wieder auf dem Platz zu stehen und gute Leistungen zu bringen. Es war eher so, dass man in erster Linie gesehen hat, wie oft ich verletzt war.

Es ist also anstrengender verletzt zu sein, als Woche für Woche zu spielen.

Keine Frage. Woche für Woche geht es darum, sich für das nächste Spiel fit zu machen. Grundsätzlich hat man aber das Niveau. Das Zurückkommen nach Rückschlägen ist ein viel anstrengenderer Prozess. Da weiß man nie, wie lange so etwas noch funktioniert. Es braucht auch den Glauben, dass man wieder dahin kommen kann, wo man vorher war. Sicherlich habe ich noch ein bisschen Energie und Kraft. Aber ich muss auch ehrlicherweise sagen: Ich brauche nicht mehr viele große Verletzungen – sonst ist für mich der Ofen aus.

Ist Ihre Verletzungsanfälligkeit Pech oder Veranlagung? Oder ein Mix aus beidem?

Grundsätzlich fällt es mir nicht leicht, mich mit dem Thema Verletzungen auseinanderzusetzen. Das erzeugt negative Energien. Und gerade wenn du für dein Comeback schuftest, solltest du positive Dinge finden. Das ist mir immer ganz gut gelungen. Nichts destotrotz weiß ich natürlich um meine Verletzungs-Historie. Ich bin einfach froh, dass ich noch spielen kann. Ich befürchte, es hätte den einen oder anderen gegeben, der daran zerbrochen wäre. Ich habe weitergemacht und bin jetzt mit dem Saisonstart zufrieden, das überwiegt. Ich hoffe, dass wir irgendwann hier sitzen und nicht über Verletzungen sprechen.

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Sie nervt das Thema Verletzungen.

Absolut.

Dann zum Samstag: Es geht nach Dortmund (15.30 Uhr/Sky). Gegen den BVB gab es in den vergangen Jahren immer viel Spektakel und wenige Punkte für Bayer 04.

Dann sollten wir jetzt Punkte holen und weniger Spektakel veranstalten (lacht). Ich möchte nur gewinnen, ganz einfach – egal wie das Spiel aussieht. Gegen Hoffenheim haben wir gut gespielt und standen am Ende mit einem 0:0 da. Wenn ich mich ans Spiel im Februar in Dortmund erinnere, wo wir eine Super-Leistung bringen und am Ende 2:3 verlieren – der Fußball ist manchmal schwer zu erklären.

Am vergangenen Spieltag beim 0:0 gegen Hoffenheim hat Bayer 04 einen kleinen Rückschlag erlitten…

… Rückschlag ist natürlich schon „sportlich“ ausgedrückt.

Ein Spiel, das man von den Chancen her klar gewinnen muss…

… Rückschlag hört sich trotzdem hart an.

Dortmund hat auf jeden Fall einen Rückschlag erlitten beim 1:3 gegen Union Berlin. Haben Sie bestimmte Schwächen beim BVB erkannt?

Ich glaube, dass die Niederlage sie noch schärfer macht, noch gefährlicher. Sie wollen im Heimspiel jetzt unbedingt einen Sieg. Und in Dortmund zu bestehen, ist nicht einfach. Was die dort in den vergangenen Jahren verloren haben, kann man wahrscheinlich an einer Hand abzählen. Aber wir gehen selbstbewusst ran an die Aufgabe.

Was muss Leverkusen besser machen als in den letzten Partien gegen Dortmund?

Wenn wir nochmal so einen Auftritt in Dortmund hinlegen wie im Februar, dann bin ich sehr, sehr optimistisch, dass wir das Spiel gewinnen werden.

Hat Peter Bosz mal mit der Mannschaft über seine Zeit beim BVB gesprochen?

Nein. Er ist zu 100 Prozent hier. Man muss einen Cut machen, das hat er mal betont. Es hat Gründe gegeben, warum es nicht funktioniert hat und es gibt Gründe, warum es jetzt hier gut läuft. Weiter ausgeführt hat er es nicht.

Warum klappt es Ihrer Meinung nach momentan gut mit dem Trainer Peter Bosz und Bayer 04?

Ich kann mir sogar vorstellen, dass in Dortmund jeder weiß, was für eine Qualität Peter Bosz besitzt. Und dass sie sich gewünscht hätten, dass es mit ihm geklappt hätte. Für uns ist er ein ganz wichtiger Faktor. Er hat eine klare Spielanlage, eine klare Idee, die wir umsetzen müssen. Er vermittelt das sehr souverän und unaufgeregt – immer mit dem Wissen, dass wir es perfekt umsetzen wollen, es vielleicht aber nicht immer perfekt umsetzen können. Er führt viele Einzelgespräche, und so kommt es Stück für Stück immer tiefer in die Köpfe der Spieler. Ich glaube auch, dass wir in der laufenden Saison von Spiel zu Spiel immer eine klare Leistungssteigerung gesehen haben. Natürlich hoffe ich, dass der Trend in Dortmund anhält und wir über 90 Minuten zeigen können, was er sich von uns wünscht. Dann können wir ein Ausrufezeichen setzen.

Wo sehen Sie Bayer 04 im Vergleich zum BVB, den Bayern und Leipzig?

Ich glaube, dass die Dortmunder eh schon einen sehr guten Kader hatten und sich jetzt noch einmal sensationell verstärkt haben. Zusammen mit den Bayern haben sie den besten Kader der Liga, das steht außer Frage. Wenn man sieht, wie die Leipziger letztes Jahr gespielt haben und auch dieses Jahr wieder gestartet sind, dann muss man stark mit denen rechnen. Ich sehe uns ein bisschen dahinter. Wenn wir eine gute Runde spielen, kann können wir da aber mitmischen.

Am Samstag treffen Sie auf Ihren Ex-Teamkollegen Julian Brandt.

Er ist ein Riesen-Fußballer, der in Dortmund sicher den nächsten Schritt gehen wird. Aber wir kennen ihn noch ganz gut. Ich hoffe, dass wir ihn ein bisschen einzäunen können, dass er sich nicht so entfaltet. Und, dass wir uns am Ende des Spiels in die Augen schauen können, wir als Gewinner vom Feld gehen und ihm sagen: „Jetzt kannst du wieder performen.“ Aber es gibt nicht nur Julian Brandt – Dortmund hat noch ein paar andere Kaliber auf dem Platz.

Nächste Woche startet die Champions League, wie zufrieden sind Sie mit der Gruppen-Auslosung?

Ich finde es überragend. Es ist unser aller Traum gewesen, Champions League zu spielen. Und wer schon einmal in den Genuss gekommen ist, will es immer wieder haben. Und wer das noch nicht so kennt, hat ewig davon geträumt. Und wenn du in die Champions League kommst, willst du gewisse Größen und Klubs mit einer Strahlkraft bekommen. So eine Gruppe haben wir erwischt.

Bayer 04 empfängt am Mittwoch Lokomotive Moskau. Ist es das erste Spiel um Platz drei oder kann Leverkusen auch Juventus Turin und Atlético Madrid ärgern?

Ärgern? Wir wollen für Überraschungen sorgen. Und dafür müssen wir das Heimspiel gewinnen.

Die Europa League in der vergangenen Saison war unbefriedigend: Kein sportlicher Erfolg und die Bay-Arena war nur halbvoll in den Heimspielen.

Letzte Saison im Europapokal war es nicht so prickelnd. Jetzt hoffe ich, dass wir die Bay-Arena auch dank der Attraktivität der Gegner in der Champions League voll bekommen und das eine oder andere Fußballfest feiern können.

Ihnen fehlen übrigens noch neun Champions-League-Einsätze, um Jens Nowotny zu überholen. Dafür müssten Sie das Viertelfinale erreichen.

Da weiß ich ja jetzt, was die Aufgabe ist (lacht).

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