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Lukas Hradecky„Ich genieße die Freiheit, nach dem Spiel ein Bier zu trinken“

Lesezeit 6 Minuten
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Lukas Hradecky

  • Der Torhüter von Bayer Leverkusen mag den Führungsstil des Trainers Peter Bosz.
  • Der Finne übt Kritik an der Einstellung junger Kollegen im Liga-Alltag.
  • Ein Karriereende beim Werksklub ist für den finnischen Nationalspieler denkbar.

Leverkusen – Herr Hradecky, wirkt die Euphorie des Sieges über Dortmund noch nach?

Ja natürlich, da hat man schon gute Laune in der folgenden Trainingswoche.

Davor hatten sie aber in Hoffenheim verloren und im Pokal gegen Stuttgart nicht überzeugt. Können Sie sich mit ein paar Tagen Abstand die Leistungsschwankungen erklären?

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In dieser Mannschaft ist es gegen vermeintlich schwächere Mannschaft schon oft passiert, dass es Probleme mit der richtigen Einstellung gab. Wobei ich damit weniger die Erfahrenen meine, die bringen immer ihre Leistung. Ich meine eher Aktionen wie die von Moussa Diaby, der gegen Stuttgart den Ball an der Seitenlinie jongliert hat. Das geht gar nicht, deshalb hat er auch eine eindeutige Ansage bekommen. Das geht auch gegen einen Zweitligisten gar nicht. Das habe ich nach dem Spiel kritisiert. Jetzt haben wir schon wieder ein gutes Pokal-Los bekommen, diese Chance dürfen wir uns nicht entgehen lassen.

Wenn Sie die Feldspieler nach dem Spiel so kritisieren, bekommen Sie dann nicht Ärger mit denen?

Ich bin eigentlich ein ganz ruhiger Typ. Ich schimpfe nicht mit der Abwehr, wenn ich eine Parade machen muss. Wenn dann so eine Kritik kommt, verstehen sie es hoffentlich als Warnung: Jetzt ist es Ernst. Es geht so nicht weiter. Es gibt Torhüter, die jedes Mal verbal draufhauen, aber so bin ich ja nicht. 

Außerdem sind Sie selbst auch nicht fehlerfrei. Ihr Patzer gegen Lokomotive Moskau hat zur Niederlage im ersten Champions-League-Spiel geführt, die das Erreichen des Achtelfinales ziemlich unwahrscheinlich gemacht hat.

Das war schon ein harter Schlag für mich. Es hatte ja viel Einfluss auf den Verlauf unserer Champions-League-Saison. Da schaut man in den Spiegel und fragt sich: „Warum machst du solche Dinge?“ Mit der Zeit wurde es für mich einfacher, damit umzugehen. Aber im grundgenommen bin ich selbst schuld, ich bin Torhüter geworden. Hinter mir steht keiner mehr. Trainer Peter Bosz hat danach zu mir gesagt: „Einfach weitermachen.“

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Sie sind 2018 von Eintracht Frankfurt gekommen und seitdem die unumschränkte Nummer 1. Ein gutes Torhüterleben.

Nichts gegen die anderen Trainer, die ich schon hatte, aber unter Peter Bosz bin ich nach meinem Gefühl der beste Lukas Hradecky, der ich je war. Ich meine das nicht nur fußballerisch, sondern auch, wie man in der Kabine sein kann, wie man seine Freizeit gestalten kann. Ein Beispiel: Das eine Bier nach dem Spiel. Das war früher nicht so offensichtlich erlaubt, auch nicht in Frankfurt unter Niko Kovac. Ich genieße diese Freiheit, dass man nach einem Spiel auch mal mit Kumpels ein Bier trinken kann. Das ist keine Kritik an denen, die es anders machen. Jeder Trainer hat seine Art, aber zu mir passt es am besten so, wie es jetzt ist.

Zu Ihrer neuen Realität in Leverkusen gehört auch die Art, wie der Trainer Peter Bosz Fußball spielen lässt. Sie verlangt den Fußballer im Torwart.

Ich merke, dass ich hier viel mehr im Spiel involviert bin, eigentlich war es früher einfacher bei Niko Kovac. Bei Heiko Herrlich war ich schon mehr mit dem Fuß gefordert, aber unter Peter Bosz ist es extrem. Man muss Libero spielen hinter der letzten Linie und lange Bälle abfangen hinter einer hoch stehenden Verteidigung. In der Disziplin habe ich noch viel zu lernen. Der erste Kontakt muss besser werden. Ich muss mehr Ruhe am Ball haben.

Gibt es Solidarität unter Torhütern?

Ja, die gibt es. Wir reden immer vor dem Einlaufen im Spieler-Tunnel miteinander. Vor dem jetzigen Spiel in Berlin hat mir der Union-Torhüter Rafal Gikiewicz eine Nachricht geschickt. Natürlich werden wir nach dem Spiel unsere Trikots tauschen. Aber sein Sohn wollte auch ein Bayer-Leverkusen-Trikot. Das werde ich ihm besorgen. Solche Dinge halt. Das nennt man Goal-Keepers-Union.

Leverkusen will Titel gewinnen. Was fehlt noch dazu?

Wie reden hier über das Klischee der Scheiß-Konstanz. Vor Weihnachten haben wir gegen Hertha und Köln verloren, vor zwei Wochen gegen Hoffenheim. Wenn du um die Meisterschaft spielen willst, geht das eigentlich nicht. Jetzt haben wir gegen Dortmund gewonnen, aber letztes Jahr haben wir auch gegen die Vereine aus dem Mittelfeld Probleme gehabt, da haben wir gegen Hoffenheim und Bremen alle vier Spiele verloren. Daran müssen wir arbeiten. Union Berlin ist auch so eine Aufgabe. Da musst du einfach gewinnen. Auch wenn sie extrem heimstark sind.

Sie sind Finne mit slowakischen Wurzeln. Welche Kultur spüren Sie stärker?

Ich fühle mich mehr als Finne, vor allem fußballerisch. Wir haben uns für die Europameisterschaft qualifiziert, das ist für Finnland eine große Sache, vor allem für unseren Fußball, der noch Nachholbedarf hat. Als Profi in der finnischen Liga verdient man 3000 bis 4000 Euro im Monat. Ich habe ein paar Kumpels, die aus der ersten finnischen Liga in die deutsche Regionalliga und 3. Liga gewechselt sind. Aber ich hoffe, dass es sich bessert. Es sind gute Schritte gemacht worden. Als Mensch bin ich zu einem Teil natürlich auch Slowake, ich fahre immer gern in die Slowakei.

Vielleicht sprechen Sie deshalb so gern und oft über Bier.

Auch mal ein Bier zu trinken, gehört zu meinem Leben. Für mich hat das eine soziale Komponente, teilweise hat es auch einen therapeutischen Wert. Vielleicht merken die Leute daran, dass ich normal bin. Natürlich bin ich ein professioneller Bundesliga-Torwart, aber ich bin trotzdem ein normaler Mensch und gönne mir auch mal ein Bier wie jeder andere nach einem Arbeitstag. Aber ich poste das nicht, das ist mein Privatleben. Und wenn ich mal einen über den Durst trinke, muss das die Öffentlichkeit nicht wissen.

Sie haben in Finnland gelebt und in Dänemark und kennen die Slowakei. Wie empfinden Sie nach fast fünf Jahren das Leben in Deutschland?

Ich sehe kaum Unterschiede. Für mich ist es eigentlich wie ein weiteres skandinavisches Land. Alles funktioniert hier, genau wie in Dänemark, ich fühle mich hier sehr wohl. Für mich als Mensch passt es genau. Ich versuche, ein einfaches, ein bodenständiges Leben zu führen.

Dann spricht offenbar wenig dagegen aus Ihrer Sicht, so lange es geht oder vielleicht bis zum Ende der Karriere bei Bayer 04 Leverkusen zu spielen.

Auf jeden Fall, ich würde das gerne tun. Die Leistungen müssen natürlich passen. Man darf nicht vergessen: Ich bin schon auf der falschen Seite von 30. Ich habe noch drei Jahre Vertrag und hoffe auf noch mehr. Aber mache ich mir da keine großen Gedanken. So lange es geht, würde ich sehr gerne hierbleiben.

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