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Rudi Völler zu Kalou„Entweder zu blöd, oder er hat das mit Absicht getan“

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Bayer-Geschäftsführer Rudi Völler

  • Bayer Leverkusen wird die Bundesliga-Saison am kommenden Montag mit einem Heimspiel gegen Werder Bremen fortsetzen.
  • Vor dem Spiel verteidigt Geschäftsführer Rudi Völler das Hygienekonzept – und attackiert SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach scharf.
  • Völler äußert sich auch zum Fall Kalou und den sportlichen Wert einer Saison, die unter ungewöhnlichen Bedingungen zu Ende gespielt wird.

Leverkusen – Herr Völler, Sie sind mit Bayer 04 Leverkusen Teil der Quarantäne und pendeln mit der Mannschaft zwischen Teamhotel in Wermelskirchen und BayArena. Wie empfinden Sie diese Situation?

Fernando Carro, Simon Rolfes und mir war es wichtig, ein Zeichen zu setzen und zumindest bis nächste Woche ganz nah bei der Mannschaft zu sein. Im Moment schaue ich gerade beim Training zu. Wie wohl alle anderen Klubs auch probieren wir gerade einige Dinge aus, zum Beispiel, wie es sich unter Wettbewerbsbedingungen anfühlt im Stadion ohne Zuschauer.

Für Werder und uns ist es ein Vorteil, dass wir erst am Montag in Bremen spielen, da können wir am Samstag und Sonntag durch die Spiele der anderen Erkenntnisse gewinnen. Aber die Situation ist schon speziell. Wir hatten kürzlich die vierte Testreihe. Es waren wieder alle negativ. Natürlich wird es nie eine hundertprozentige Sicherheit geben, dass es nicht doch mal wieder positive Fälle gibt. Doch für mich persönlich ist das fast schon Routine. Ich denke, wir machen es gut hier mit dem Einhalten der Hygiene-Vorschriften und Regeln. Da hilft natürlich die Grunddisziplin, die ein Fußball-Profi haben muss.

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Es gab allerdings den Profi Salomon Kalou in Berlin, der alle Regeln des Abstands gebrochen hat. Er hat diesem Bild des disziplinierten Profis nicht entsprochen und für viel Empörung gesorgt.

Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder war er zu blöd. Oder er hat das mit Absicht getan. Eins davon kann er sich aussuchen. Ich habe mich genauso darüber geärgert wie alle anderen auch. Das war Wasser auf die Mühlen unserer Kritiker. Natürlich hat es im Profi-Fußball in der Vergangenheit Auswüchse gegeben. Die goldenen Steaks und den Friseur, den man kurz vorm Spiel eben mal so einfliegen lässt. Da muss etwas geschehen, darum müssen wir uns kümmern, und das sollen nicht nur Lippenbekenntnisse sein. Ich sehe bei uns allerdings im Moment nur Spieler, die sehr diszipliniert sind und alle Vorgaben einhalten.

Dennoch ist die Stimmung sehr gespalten. Und die Kritik am Privileg des Fußballs, die Saison fortsetzen zu dürfen, verstummt nicht.

Ich glaube, manche Kritiker haben einfach erkannt, dass man mit dieser Haltung zum Fußball gerade sehr gut in jede Talkshow kommt. Wir waren ja regelrecht umzingelt, egal, wo du eingeschaltet hast, prasselte es auf uns nieder. Wir stellen uns der Kritik und akzeptieren sie. Aber manche, wie Karl Lauterbach (SPD-Gesundheitsexperte aus Leverkusen, Anm. d. Red.), haben es meiner Meinung nach übertrieben.

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Ich finde vieles von dem überlegenswert und richtig, was Wissenschaftler oder Mediziner gesagt haben – auch wenn es dem Fußball gegenüber hin und wieder durchaus kritisch war. Und ich habe als normaler Zuschauer viele dieser Dinge sogar regelrecht aufgesogen, wenn sie schlüssig, nachvollziehbar und auf Faktenbasis vorgebracht wurden. Aber bei Herrn Lauterbach, der ja selbst Mediziner ist und auf dieser Tatsache seinen Expertenstatus begründet, waren und sind einige Behauptungen einfach nicht wahr. Zum Beispiel, dass es nicht genügend Testkapazitäten gibt und der Fußball der Allgemeinheit etwas wegnehme. Ich glaube, das behauptet er ja immer noch, obwohl es natürlich nicht stimmt und jedes Testlabor in Deutschland inzwischen das Gegenteil bestätigt.

Herr Lauterbach ist nicht nur in dieser Frage schlicht und ergreifend populistisch unterwegs. Er brüskiert doch tagtäglich mit seinen Aussagen hoch qualifizierte Kollegen wie unseren Leverkusener Pandemiebeauftragten Dr. Karl-Heinrich Dittmar oder Prof. Tim Meyer vom DFB. Das sind alles Top-Leute in den medizinischen Abteilungen der Bundesliga-Vereine, die das Hygienekonzept der DFL umsetzen. Aber auf deren Kosten kann man sich natürlich auch profilieren.

Welchen sportlichen Wert hat eine Saison, die unter diesen Voraussetzungen zu Ende gespielt wird?

Die Voraussetzungen sind für alle gleich. Alle fangen bei null an. Der sportliche Wert ist gegeben. Vielleicht ist er sogar ehrlicher als bei normalen Spielen. Es ist eine Situation, die es ja eigentlich schon lange nicht mehr gibt: Auf dem Platz stehen Elf gegen Elf, was zählt, ist allein der Fußball. Vielleicht gibt es mal eine Unstimmigkeit mit dem Video-Schiedsrichter, aber der Schiedsrichter selbst kann alle seine Entscheidungen ohne Druck von außen fällen. 

Ich sehe diese Frage des sportlichen Wertes sehr, sehr gelassen. Der Meister wird zurecht Meister, genau so wird es mit der Champions League-Qualifikation sein, mit der Europa-League-Qualifikation, mit dem Klassenerhalt und dem Abstieg. Alles wird korrekt entschieden, vielleicht noch sauberer als sonst. Wir werden jede sportliche Entscheidung akzeptieren. Natürlich wünschen wir uns aber nichts mehr, als so schnell wie möglich wieder vor Fans spielen zu können.

Sie sind mit einer Italienerin verheiratet und haben durch ihre Zeit beim AS Rom glänzende Verbindungen nach Italien. Wie sieht man das Projekt Bundesliga dort, wo gerade erst wieder das Training beginnt und noch keiner weiß, wie es weitergeht?

Man schaut auf uns. Aber nicht nur in Italien, ganz Europa, die ganze Welt schaut auf uns. Wir haben deshalb auch eine große Verantwortung. Wenn wir das hinkriegen, die Saison mit diesem wirklich guten Konzept zu Ende zu spielen, macht das dem Fußball in anderen Ländern viel Hoffnung. Deutschland hat es bisher in der Corona-Krise sehr gut gemacht, die ganze Bevölkerung, die Politik, alle zusammen haben die Krise bisher vorbildlich gemeistert. Und wir, der Fußball, die Bundesliga,  stehen jetzt unter Beobachtung.

Wir tragen deshalb eine große Verantwortung, der sich jeder bei uns bewusst sein muss. Wir müssen alles dafür tun, damit wir es schaffen. Ich glaube, wenn wir es hier nicht schaffen, die Saison sportlich zu beenden, dann wird man es nirgendwo schaffen.

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