Wie Bayer 04 so laufstark wurde„Aerob, anaerob? Das war mir scheißegal“

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Trainer Peter Bosz

  • Am Montag lud Peter Bosz in Bayer 04 Leverkusens Trainingslager in La Manga zum Fußball-Konditions-Training. Die Einheit ist die wichtigste der Woche in Spanien.
  • Bosz setzt auf ein Konzept des niederländischen Fitness-Experten Raymond Verheijen.
  • Leverkusens Coach will die Kondition seiner Mannschaft über die Saison hinweg steigern. Die vielen gelaufenen Kilometer stören Bosz dennoch.

La Manga – Der Name Raymond Verheijen dürfte selbst vielen Fußball-Besessenen nicht geläufig sein. Für Peter Bosz, den Trainer von Bayer 04 Leverkusen, ist er allerdings ein zentraler Baustein seines Jobs. Denn auf dem Wissen des niederländischen Athletik-Experten Verheijen, der unter anderem die Südkoreaner vor ihrem vierten Platz bei der WM 2002 fit machte und für Barcelona und Chelsea arbeitete, basiert Boszs Trainingskonzept. Grob vereinfacht lautet es: Fußball-Kondition bekommt man durch Fußballspielen. Am Montag lud Bosz zur wichtigsten Einheit des Trainingslagers im spanischen La Manga, seinem Fußball-Konditions-Training, kurz FKT. Die Belastung eines Spiels soll simuliert werden.

Nach kurzer Aufwärmphase teilte Bosz die Werkself in zwei Teams auf. Viermal 13 Minuten ließ er erst Elf gegen Elf, dann Zehn gegen Zehn und schließlich Neun gegen Neun spielen. Unterbrechungen gab es keine, nach Fouls oder Bällen ins Aus wurde sofort weitergespielt. So kamen die Profis auf über 50 Minuten Netto-Spielzeit. „Immer am Limit“, betont Bosz. In regulären Partien beträgt diese im Schnitt 56 – in den verbleibenden 34 Minuten eines Spiels ruht der Ball. Leverkusens Trainer lässt von den intensiven Einheiten Livedaten wie Pulsfrequenz oder Laufleistung erfassen, so dass er jederzeit Spieler zu mehr Einsatz anstacheln kann. „»Du Arschloch! Lauf!« – Das motiviert nicht, man muss positiv zureden“, erklärt Bosz lächelnd. Gleichzeitig lässt sich so die Belastung steuern und muskulären Verletzungen vorbeugen.

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Am Montag wurde Exequiel Palacios auf Hinweis der Assistenten von Bosz nach dem dritten Intervall aus der Übung genommen – der Neuzugang ist die hohe Intensität noch nicht gewöhnt.  Die von Verheijen entwickelte Methode sieht eine kontinuierliche Steigerung der Intensität im Laufe einer Saison vor. „Zu Beginn haben wir dreimal zwölf Minuten gespielt, dann dreimal 13 Minuten, später viermal zwölf. Am Saisonende können es fünfmal 13 Minuten werden. Das ist mehr Belastung als im Spiel“, sagt Bosz.

Während des FKT steht der 56-Jährige am Mittelkreis und begutachtet sein Team aus der Nähe. Die Laufleistung des Trainers dürfte sich auf wenige Meter beschränken. „Wenn man mittendrin steht, dann sieht man die Abstände besser. Man sieht, ob jemand falsch steht“, sagt Bosz. Der Erfolg einer Einheit lässt sich für den Niederländer leicht erkennen: „Wenn die Spieler am Ende auf dem Rücken liegen, dann weiß ich: Es war gut. Wenn sie noch miteinander reden und lachen, dann war das FKT nicht richtig.“

2031,8 Kilometer gelaufen

Auch statistisch lässt sich die Wirkung belegen. Bayer 04 liegt bei den gelaufenen Kilometern unter den Bundesligisten auf Platz zwei (2031,8) knapp hinter dem SC Paderborn (2034,8). Bosz sieht diese Zahlen allerdings zwiegespalten. „Wichtig ist, dass die Mannschaft zeigt, dass sie lange laufen kann. Aber dass die Werte so hoch sind, ist nicht unbedingt gut. Das heißt, dass man oft Ballverlusten hinterherlaufen muss“, sagt der Trainer.

Moussa Diaby mit starkem Auftritt

Verheijens praxisnahe Methode lernte Bosz während seiner Trainerausbildung kennen, der Experte war einer seiner Dozenten. „Er hat einfach über Fußball geredet“, so Bosz. Das lag ihm mehr, als der andere theoretische Teil. „An der Sporthochschule gab es sonst diese physiologische Terminologie, aerob, anaerob. Das war mir scheißegal alles“, berichtet der Trainer mit einem Lächeln.

Die Einheit in La Manga am Montag war für Bosz wieder ein Erfolg. Kein Profi verletzte sich  und am Ende sackten alle erschöpft auf den Rasen. „Das hat mir gut gefallen“, lobt der Trainer. Moussa Diaby, mit zahlreichen Sprints und Dribblings einer der auffälligsten Spieler, sagt, er sei zwar erschöpft, aber nicht so erschöpft wie noch nach vorherigen Fußball-Konditions-Trainings. Bosz lächelt erneut, wenn er davon erzählt. In dem Wissen, dass der Ansatz von Raymond Verheijen und ihm ein funktionierender ist.

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