Counter Strike & CoE-Sportler fordern Gleichstellung mit klassischen Sportarten

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Faszination E-Sport: 40.000 Fans kamen zum Counter-Strike-Turnier des Kölner Veranstalters ESL im Juni in die Lanxess-Arena.

Faszination E-Sport: 40.000 Fans kamen zum Counter-Strike-Turnier des Kölner Veranstalters ESL im Juni in die Lanxess-Arena.

  • Für die einen ist Counter Strike einfach nur ein Ballerspiel. Für viele andere ist es ein Taktik Shooter, der viel Training und Teamgeist erfordert.
  • Zu Turnieren kommen Tausende Fans, um mit den Spielern mitzufiebern.
  • E-Sportler in NRW fordern daher die Gleichstellung mit klassischen Sportarten.
  • In Köln ist der erste E-Sport-Verein als gemeinnützig anerkannt worden.

Köln – Nico Hennecke könnte ein Pionier der E-Sport-Szene werden: 20 Jahre jung, Student der Sozialwissenschaften, will er die Grenzen zum klassischen Sport endgültig einreißen. Hennecke ist begeisterter Computer-Spieler, fasziniert vom umstrittenen Ego-Shooter Counter Strike, bei dem es darum geht, Terroranschläge zu begehen oder zu verhindern und das von Kritikern gemeinhin als Ballerspiel gebrandmarkt wird.

Mit 14 habe er angefangen, wie viele Jungs seines Alters stundenlang allein in seinem Zimmer vor der Konsole gezockt, immer wieder flüchtige Online-Bekanntschaften geschlossen: „Ich habe schnell gemerkt, dass es das nicht bringt. Mir hat das Gemeinschaftserlebnis immer gefehlt. Sport hat schließlich viel mit Teamgeist zu tun.“

Deshalb hat Hennecke im vergangenen Jahr mit einem Freund den Verein Jugend E-Sport Köln (JECK e.V.) gegründet. Inzwischen hat JECK 38 Mitglieder, die in verschiedenen E-Sportarten aktiv sind, gemeinsam trainieren und Turniere ausrichten – online und offline, zum Beispiel in der Alten Feuerwache. „Wir sind inzwischen als gemeinnütziger Verein anerkannt und wollen auch ein wenig Jugendarbeit machen, weil wir finden, dass das sehr gut zum E-Sport passt.“

Ballerspiel oder elektronischer Sport?

Dass Computerspiele wie Counter Strike die Massen faszinieren, wird nicht nur die Gamescom zeigen, die in der kommenden Woche (20. bis 24. August) wieder Zehntausende in die Köln-Messe ziehen wird.

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Noch im Juli strömten mehr als 40.000 Fans in die Lanxess-Arena, um die weltbesten Profis bei einem Counter Strike-Turnier anzufeuern. „Das war eine Stimmung wie im Stadion“, sagt Hennecke. Er hält Counter Strike keineswegs für ein Ballerspiel, sondern für elektronischen Sport, „bei dem ganz viel Taktik und Strategie dahintersteckt und es darum geht, einen Gegner auszuschalten, um in die nächste Runde zu kommen“. Wie in der Champions League.

Von der Champions League sind die Mitglieder des JECK e.V. mindestens so weit entfernt wie der 1. FC Köln, doch darum geht es ihnen auch nicht. Sie trainieren regelmäßig im E-Sports Diner Cologne auf der Friesenstraße und für ihren Trainer Nico Hennecke steht eindeutig fest: E-Sport steht dem klassischen Sport in nichts nach.

Strukturen wie im klassischen Sport

Mit jeweils einem Teams tritt JECK in zwei E-Sportarten zu Ligaspielen an – beim Taktik-Shooter Counter Strike und dem Action-Strategiespiel League of Legends. Die Strukturen sind mit klassischen Sport vergleichbar. Die Ligen heißen Divisionen mit Auf- und Abstieg und Playoffs. „Wir spielen mit beiden Teams in der vierten Division und haben in beiden Fällen den Aufstieg knapp verpasst“, sagt Hennecke.

Auch wenn die Wettkampfstruktur mit dem klassischen Sport vergleichbar, hält Hennecke nichts davon, mit dem E-Sport in Konkurrenz zu treten. „Ich bin ein Freund einer Parallelstrategie. Beide sollten gleichberechtigt sein, aber man muss das nicht vermischen“. Counter Strike bei Olympischen Spielen müsse nicht sein. Der Schritt zur anerkannten Sportart sei nötig, um den Amateuren das Leben zu erleichtern, ihnen öffentliche Zuschüsse und die Zugang zur Sportförderung zu ermöglichen, für die der Bund jedes Jahr 235 Millionen Euro bereitstellt.

Genau das ist die Mission des Hans Jagnow (31), Jurist und Gründer des E-Sport-Bunds Deutschland (ESBD). Man kämpfe um die Anerkennung als Sportart, damit Vereine wie der JECK e.V. in der Lage seien, „eine gesunden Breitensportkultur im E-Sport zu entwickeln, die für Begegnung, Betreuung, Kompetenz und Nachwuchsförderung steht“. Jagnow kann die Vorbehalte gegen die Gleichstellung nicht nachvollziehen. Alle E-Sportarten – ob Counter Strike, League of Legends oder die Fußball-Simulation Fifa – hätten ein spezifisches Anforderungsprofil: die motorische Beherrschung der Eingabegeräte, die Reaktion auf Bildschirminhalte und die strategische Beherrschung des Spielablaufs. „Man kann das mit der Leichtathletik vergleichen, die auch viele Disziplinen unter einem Dach vereint“, sagt Jagnow, dessen Lobbyverband mit 36 Vereinen und 1500 E-Sportlern aber noch sehr überschaubar ist.

Sportwissenschaftler: „Computerspieler treiben eindeutig Sport“

Unterstützung erfährt der Verband von renommierten Sportwissenschaftlern wie Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln. Er forscht seit fünf Jahren über E-Sport. „Ich bin da durchaus ambivalent unterwegs, aber Computerspieler treiben eindeutig Sport.“ Dieser definiere sich ja nicht bloß über körperliche Aktivität. Bei den Schützen oder beim Bogenschießen gehe es vielmehr darum, „möglichst inaktiv zu bleiben, um den Wettkampf ausführen zu können“. Es gehe um ein „durch den Wettkampf getriebenes Aktivsein“.

Vor der Konsole kämen E-Sportler auf 300 bis 400 Bewegungen pro Minute, die mit rechts und links gleichzeitig ausgeführt werden. Bei einer Herzfrequenz von bis zu 150 Schlägen. Links mit der Tastatur, rechts mit der Maus. „Ich kenne keine andere Sportart mit einer derart hohen Intensität“, sagt Froböse. Die Stressreaktionen seien ähnlich hoch „wie bei einem Elfmeterschießen im Champions League-Finale“.

Die technischen und taktischen Fähigkeiten seien mit jeder Teamsportart vergleichbar. Die Profis kämen täglich auf zwei bis drei Stunden Training vor der Konsole und weitere zwei Stunden körperliches Training. E-Sportler bräuchten Ausdauer, eine gut trainierte Rumpfmuskulatur und starke Muskeln im Schulterbereich, „damit die Hände flink arbeiten können“.

Fans fiebern mit den Spielern mit.

Fans fiebern mit den Spielern mit.

Froböse rät den Vereinen in Deutschland, sich dem E-Sport zu öffnen und neue Zielgruppen zu erschließen und mit den traditionellen Sportarten zu verknüpfen. So könne man durch Ausdauer- und Fitnesstraining an der Spielkonsole noch deutlich besser werden. „Ich gehe davon aus, dass bei den Olympischen Spielen 2028 der E-Sport schon assoziiert sein wird. Bei den Asienspielen wird das schon früher der Fall sein.“

Beim Olympischen Sportbund (DOSB), dem rund 89 000 Vereine mit 27,5 Millionen Mitgliedern angehören, hat man sich darauf festgelegt, elektronische Simulationen von Sportarten anzuerkennen, wenn damit „die Überführung von Sportarten in die virtuelle Welt gemeint ist“. Als Beispiele führt der DOSB Fußball, Bogenschießen, Segeln, Basketball oder Tennis an und bezeichnet die elektronischen Varianten als E-Gaming, um sich damit vom E-Sport abzugrenzen. Ego-Shooter wie Counter Strike, Strategiespiele wie League of Legends oder virtuelle Kartenspiele zählen für den DOSB wegen der „unüberschaubaren Vielfalt“ nicht zum E-Gaming. Zudem seien sie mit den ethischen Idealen des Sports nicht zu vereinbaren. ESBD-Präsident Jagnow hat dazu eine klare Haltung: „Ich würde die Kritiker fragen, ob sie Boxen für eine zur Sportart erhobene Kneipenschlägerei halten – was es gewiss nicht ist.“

Die Groko von CDU und SPD hat im Koalitionsvertrag zwar festgehalten, sich für die Anerkennung des E-Sports als eigener Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht einzusetzen und E-Sportler bei ihren Olympia-Ambitionen zu unterstützen – geschehen ist bisher aber nichts.

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