Debatte um Kimmich„Und als Ungeimpfter besucht er eine Kinderstation im Krankenhaus“

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Joshua Kimmichs Impfstatus wird in den sozialen Netzwerken heftig diskutiert.

Köln  – Die Impf-Debatte um Joshua Kimmich reißt nicht ab. Während sogar die Regierung auf eine Vorbildfunktion setzt, sieht der Ethikrat den Nationalspieler schlecht beraten.

Der Deutsche Etikrat betonte die „private“ Entscheidung von Kimmich. „Das ist ganz wichtig zu beachten“, sagte die Vorsitzende Alena Buyx am Montag bei Sky Sport News: „Ich finde es aber schade. Joshua Kimmich ist ein Vorbild, zu dem Leute aufschauen und dem man zuhört.“ Skeptiker könnten seine Aussagen benutzen, um „Zweifel über die Impfung zu streuen“.

Insgesamt sei Kimmich in Sachen Corona-Impfung „schlecht beraten“, so Buyx. Der Münchner sei angesichts seines Verweises auf mögliche Folgeschäden einer Impfung „einer Falschinformation aufgesessen“. Dies sei ein „Irrglaube“.

Bundesregierung hofft auf Kimmich-Impfung

Die Bundesregierung hofft derweil auf eine baldige Entscheidung von Kimmich für eine Corona-Impfung und hat dazu auf umfassende Informationen hingewiesen. Alle Fragen seien natürlich berechtigt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Zu Aspekten wie Art und Wirkung der Impfstoffe oder möglichen Impffolgen gebe es aber „klare und überzeugende Antworten“ nationaler und internationaler Experten.

Er hoffe daher, „dass Joshua Kimmich diese Informationen alle noch mal auf sich wirken lässt und sich dann auch vielleicht für die Impfung entscheiden kann“, sagte Seibert. „Denn als einer, auf den Millionen schauen, hätte er dann erst recht Vorbildwirkung.“

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Seibert sagte, sicherlich sei es bei einem Fußballnationalspieler erst einmal nicht anders als bei jedem anderen, weil es eine sehr persönliche Entscheidung sei, sich impfen zu lassen. Gleichwohl gebe es Antworten auf die Fragen, die Kimmich ganz offensichtlich habe. Mit Blick auf dessen generelles Corona-Engagement – etwa seiner Spendenaktion „We Kick Corona“– sprach Seibert von einer „durchaus überraschenden Aussage“. Er betonte grundsätzlich, von der Zahl der Geimpften hänge es ganz entscheidend ab, wie das Zusammenleben in der Pandemie organisiert werden könne.

Das Gesundheitsministerium erläuterte, nach bereits vielen Impfungen seien auch seltene Nebenwirkungen deutlich besser erforscht als bei anderen Impfstoffen. Das für Sport zuständige Innenministerium betonte die grundsätzliche Position, dass Impfungen der einzige nachhaltige Weg aus der Pandemie seien. Letztlich bleibe es aber dabei, dass jeder für sich selbst entscheiden müsse.

Hitzige Debatte auch in den sozialen Medien

Auch in den sozialen Netzwerken ist eine hitzige Debatte ausgebrochen. Nachdem Kimmich dem Sender „Sky“ erklärt hatte, bei der Impfung noch wegen „ein paar Bedenken“ in Hinblick auf „fehlende Langzeitstudien“ zu zögern – gleichwohl, und das zu betonen schien dem Bayern-Profi wichtig, sei er kein „Corona-Leugner oder Impfgegner“ –, haben sich unmittelbar darauf zwei Lager gebildet.

Grob lässt sich der Dissens so zusammenfassen: Die einen sagen, die Entscheidung für oder gegen die Corona-Impfung sei streng genommen eine persönliche und obliege damit allein Joshua Kimmich. Die anderen halten das im konkreten Fall für falsch – Kimmich sei nun einmal eine Person des öffentlichen Lebens und habe folglich eine gesellschaftliche Vorbildfunktion. Und dann gibt es noch Stimmen, die beide Sichtweisen für legitim halten und miteinander in Einklang zu bringen versuchen. 

So beispielsweise der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der bei Twitter erklärte, man dürfe „jemanden wie Kimmich, der keineswegs Querdenker ist, sondern nur unbegründete Sorgen zur Langzeitwirkung der Impfung hat, nicht billig verurteilen“. Auch ein Impfdruck sei nicht geboten. Vielmehr müsse der Fußballer wissenschaftlich aufgeklärt werden, um ihm die Sorgen über vermeintliche Langzeitschäden zu nehmen. Zuvor hatte Lauterbach bei „Sport1“ allerdings gesagt, dass er es für „schwierig“ bzw. „nicht gut“ halte, dass sich Kimmich bisher nicht habe impfen lassen.

Eine klare Meinung zu Kimmichs Impfstatus hat dagegen etwa der langjährige Vorstandschef des FC Bayern München, Karl-Heinz Rummenigge, der dem TV-Sender „Bild“ sagte: „Als Vorbild, aber auch als Fakt wäre es besser, er wäre geimpft." Demnach hoffe er, Kimmich werde sich „zeitnah“ dazu entschließen. 

Das dürfte auch insofern im Interesse des Vorstandschefs sein, als dass sich die 2G-Regelung in Stadien, wonach nur Geimpfte und Genesene eintreten dürfen, nur schwerlich rechtfertigen lässt, wenn einer der Spieler auf dem Platz selbst eben nicht immun gegen das Virus ist. Gleiches Recht für alle, fordern mithin bereits erste Nutzerinnen und Nutzer bei Twitter. 

Generell hält sich das Verständnis für Kimmichs Bedenken in den sozialen Netzwerken in Grenzen. So sei es beispielsweise nicht nachvollziehbar, dass der Profifußballer eher eine Infektion mit dem Coronavirus in Kauf nehme, die für ihn und seine Karriere „wesentlich gefährlicher“ sei, als sich schlicht impfen zu lassen. Auch sprächen „Milliarden Impfdosen in 7 Monaten eine deutliche Sprache“. 

Andere Nutzerinnen und Nutzer wiederum verurteilen die Kritik an Kimmich scharf. Demnach würden Ungeimpfte „wie Zirkustiere durch die Manege gepeitscht“, die öffentliche Einmischung in eine Privatangelegenheit Kimmichs sei an „Selbstgerechtigkeit“ kaum zu überbieten, kurzum: „Die Menschen müssen dringend wieder lernen, sich um ihren eigenen Mist zu kümmern.“

Berechtigte Kritik an einer Sache wird sich Kimmich allerdings durchaus gefallen lassen müssen. Als Ungeimpfter die Kinder-Palliativstation im Münchner Klinikum Großhadern zu besuchen, wie es der Fußballverein TSV 1860 München bei Twitter postete, ist eine höchst bedenkliche Angelegenheit, für die der Fußballer im Internet auch reichlich Ablehnung erfährt. 

Ob sich Kimmich doch schon bald für die Corona-Impfung entscheidet, bleibt abzuwarten. Im „Sky“-Interview jedenfalls stellte er das in Aussicht. So sei es nach eigenen Angaben „sehr gut möglich“, dass er sich „in Zukunft impfen lasse“.

 (red/dpa/sid)

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