Flicks klare WorteBundestrainer kritisiert Katar vor Nations-League-Spielen scharf

Lesezeit 4 Minuten
Hansi Flick, Trainer der deutschen Nationalmannschaft, vor den Nations-League-Spielen.

Hansi Flick, Trainer der deutschen Nationalmannschaft, vor den Nations-League-Spielen.

Frankfurt – Ein bisschen frische Luft kann nie schaden. Und ein wenig Abwechslung von zu viel Bildschirmzeit auch nicht. Also sind am Dienstag fast 150 Mitarbeiter auf dem neuen Campus des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) auf die Terrasse geströmt, als das Nationalteam der Männer – dreieinhalb Monate nach den DFB-Frauen – seine erste Trainingseinheit auf dem gepflegten Rasenplatz abhielt.

Bundestrainer Hansi Flick gestattete auch den rund 50 Medienvertretern, die anderthalb Stunden zu beobachten, wobei es prompt zu einer Schrecksekunde kam, als Jamal Musiala im temporeichen Abschlussspiel den Ball so geschwind an Thomas Müller vorbeilegte, dass der Jungspund unglücklich beim Klubkameraden einfädelte.

Entwarnung bei Musiala

Die neue Pressesprecherin Franziska Wülle konnte Entwarnung geben: außer einer „oberflächlichen Platzwunde“ sei nichts passiert. Der Einsatz von Shootingstar Musiala ist genau wie der des vorsorglich wegen eines schmerzenden Zehs geschonten Kapitäns Manuel Neuer für die Nations-League-Duelle gegen Ungarn in Leipzig (Freitag 20.45 Uhr/ZDF) und England in London (Montag 20.45 Uhr/RTL) nicht gefährdet.

Doch Fallstricke lauern wegen der höchst umstrittenen WM in Katar (20. November – 18. Dezember) überall. Nun hat sogar der bislang eher unpolitische Flick dem WM-Gastgeber im Grunde die Legitimation für die Ausrichtung abgesprochen. Die Frage nach der Richtigkeit des WM-Zuschlags „hätte schon viel früher beantwortet werden müssen – und zwar mit einem Nein!“, sagte der 57-Jährige der „Süddeutschen Zeitung.“ „Dass in Katar beim Thema Menschenrechte, beim Thema Nachhaltigkeit vieles nicht stimmt, ist ja offensichtlich.“ Gleichwohl sieht er seine Zuständigkeit „in erster Linie beim Sport, beim Fußball“. Für Trainer und Spieler sei die WM immer das größte Event, „bei dem entsprechender Erfolg verlangt wird.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Führungsspieler Joshua Kimmich beschrieb anschaulich den Zwiespalt: einerseits verspüre er auf die WM „extreme Lust“, andererseits werde „zu Recht viel darüber diskutiert“. Was die Menschenrechtslage, Arbeitsbedingungen oder klimatische Gegebenheiten angehe: „Das wusste man vor der Vergabe. Am Ende des Tages wird ein Boykott von den Spielern gefordert, aber da sind wir zwölf Jahre zu spät dran.“ Flicks Ordnungshüter erzählte von den Erfahrungen, die der Langstrecker-Geher Jonathan Hilbert von der Leichtathletik-WM 2019 in Doha gerade übermittelt habe. „Dass es gewisse Tabuthemen gab, über die er nicht sprechen durfte – das ist als Sportler schon krass.“ Es werde ein Spagat: „Auf der einen Seite freut man sich auf das Riesenevent, auf der anderen Seite gibt es diese Missstände.“

Vergleichsweise locker parlierte der 27-Jährige darüber, ob die Sinnkrise des FC Bayern München in die Nationalmannschaft schwappen könnte. Sei doch gut, wenn die Bundesliga mal ein bisschen spannender sei, sagte der Bayern-Profi – und wirkte tiefenentspannt. Von seinem jetzt für Dortmund kickenden Ex-Kollegen Niklas Süle müsse er sich manchen Spruch anhören: „Von Niki hört man ein bisschen was, der kommt jetzt rausgekrochen“, sagte Kimmich.

Kimmich: Abschlussschwäche als Problem 

Weniger witzig ist das generelle Problem, dass der Mittelfeldspieler für Verein und Nationalelf ausgemacht hat: die Abschlussschwäche: „Auch heute im Trainingsspiel hatten wir wieder viele Chancen – und wir verlieren wieder, weil man die Dinger nicht reinmacht.“

Es war genau der Punkt, der auch Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff einfällt, warum man vor der WM in der Wüste noch nicht zurück in der Weltspitze sei: „Wir müssen noch abgeklärter sein in Spielen, die wir dominieren. Den Gegner dürfen wir nicht mehr rankommen lassen“. Der 54-Jährige sieht das Team aber nach dem ersten Flick-Jahr generell auf einem guten Weg. Ein drittes Turnier werde das DFB-Aushängeschild nach 2018 und 2021 nicht vermasseln. „Ich spüre diese Wut im Bauch, diese Motivation, diesen Willen, jetzt wieder ein erfolgreiches Turnier zu spielen“, sagte Bierhoff. „Was wir uns wünschen, ist klar, am 18. Dezember im Finale zu stehen.“

Argumente für die Umsetzung derart hoher Ambitionen blieb der Mann, der einst die Idee für den Bau eines Campus auf dem Gelände der ehemaligen Frankfurter Galopprennbahn hatte, bei der ersten Pressekonferenz an Ort und Stelle nicht schuldig: „Mentalität, Qualität der Spieler und ein Toptrainer.“

KStA abonnieren