KommentarEine Liebeserklärung an die Standardsituation
Köln – Die Standardsituation ist ein Mitglied in der großen Familie des Fußballs, auf das viele mit ein wenig Geringschätzung blicken. Sie gilt als Mittel des kleinen Mannes, der es nicht schafft, Spielfluss und Ballzirkulation in gefährliche Momente zu verwandeln. Der ruhende Ball macht alle gleich. Jeder kann sich etwas ausdenken, das Spielgerät in eine heikle Zone bringen, damit Schaden entsteht beim Gegner. Manche können es sogar aus jeder Entfernung bis zu 30 Metern direkt ins Tor schießen. Aber Kunst, so meinen die Künstler, ist etwas anderes.
Diese mit Erhabenheit verwechselte Hochnäsigkeit des Fußballs wird gerade wieder bei der WM in Russland entlarvt. Nach knapp der Hälfte aller Vorrundenspiele sind etwa die Hälfte aller Tore durch Standardsituationen zustande gekommen. Die Deutschen waren mangels eines Treffers daran nicht beteiligt. Aber das kann ja noch kommen, auch wenn Beobachter schwören, dass der Bundestrainer in der direkten Turniervorbereitung dem Standard-Thema keine Beachtung geschenkt hat.
Deutschland 2014 nach Standards gefährlich
Das überrascht, denn die eigene Geschichte lehrt, dass dies ein Versäumnis sein könnte. Deutschland erzielte bei der WM in Brasilien bis zum Halbfinale zehn Tore, von denen fünf nach Standards fielen. Vier der insgesamt nur fünf Tore in allen Viertelfinals 2014 fielen nach Standards. Gerade bei einem Turnier, in dem Auswahlmannschaften einen mehrwöchigen Abnutzungskampf führen, bei dem Klasse ohne unbarmherzige innere Haltung wenig hilft, ist der ruhende Ball ein Schlüssel zum Erfolg. Und mit je mehr Respekt man ihn behandelt, desto mehr wird er sich erkenntlich zeigen.