Kommentar zur WMAbschottung, Fehlervermeidung – Politik und Fußball sind so ähnlich

Lesezeit 2 Minuten
WM Pokal Deutschlandfahnen

Der WM-Pokal im deutschen Fahnenmeer (Symbolbild)

Wie bei jeder Fußball-Weltmeisterschaft kann auch bei dieser bereits eine Woche vor ihrem Ende gefahrlos Bilanz gezogen werden. Es sind nur noch vier Spiele zu spielen und eines davon – das Spiel um Platz drei – ist prinzipiell unerheblich.

Der Weltmeister wird den Einfluss, der von diesem Turnier auf diesen Sport ausgeht, nicht mehr ändern. Er steht bereits fest. Der Fußball hat sich parallel zur Politik in Europa und der Welt entwickelt. Belohnt wird die Abschottung, die pragmatische Risikovermeidung um fast jeden Preis, der Verzicht auf alles vorwärtsgerichtete, spielerische. Das große Ganze, die globale Idee, ist unwichtig. Man sucht den Erfolg konsequent innerhalb der eigenen Grenzen.

Unbegrenzte Möglichkeiten

Ein Beispiel dafür ist die Art, wie die Mannschaften von Frankreich und Belgien mit ihrem Talent umgehen. Die Fähigkeiten dieser Auswahlteams zum schönen Spiel sind nahezu unbegrenzt. Sie könnten vom Anpfiff an das Recht auf den Ball für das ihre erklären und den Besitz des Spielgerätes auf eine Art kultivieren, der weit über das sinnentleerte Quergeschriebe hinausgeht, mit dem sich die deutsche Mannschaft aus dem Turnier gequält hat.

Aber man verzichtet aus einem einfachen Grund darauf: In einem Turnier wie diesem führt der schnellste Weg zum Titel über die Fehler des Gegners.

Der Standard als Kunstwerk

Weil jede Mannschaft selbst solch ein Gegner ist, versucht sie alles, um Fehler zu vermeiden. Das Mittelfeld wird vollgepackt mit Spielern, die Abwehr wagt es nicht, zu weit aufzurücken. Die Scham vor dem Mittel des langen Balles ist verschwunden. Vorne soll ein genialer Moment entscheiden.

Die Standardsituation, diese am leichtesten reproduzierbare Lektion in der von Zufällen und Unwägbarkeiten geprägten Welt des Fußballs, bekommt eine zuvor nicht gekannte Bedeutung. Und die Engländer, genauer gesagt ihr Trainer Gareth Southgate, haben sie zum Kunstwerk erhoben.

Acht von zehn Toren bei dieser Weltmeisterschaft hat das Team mit den drei Löwen auf der Brust nach ruhenden Bällen erzielt – und darüber hinaus ein Elfmeterschießen gewonnen. Was früher als Schicksal, Fluch oder Glück bezeichnet wurde, hat sich mit massiver wissenschaftlicher Hilfe und strategischer Planung in Erfolg verwandelt. Nichts davon war Zufall. Der Romantik des Fußballs, der sich gern metaphysisch definiert, mag das abträglich sein. Für die Engländer ist das gut. Wer sie schlagen will, braucht viel Talent. Und einen ähnlich guten Plan. 

KStA abonnieren