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„Die Arbeit fühlt sich ziellos an“Trainer Uwe Koschinat über die Coronakrise

Lesezeit 5 Minuten
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Uwe Koschinat (48) ist seit Oktober 2018 Trainer des SV Sandhausen, zuvor war er sieben Jahre Coach von Fortuna Köln.

  • Uwe Koschinat, langjähriger Trainer des SC Fortuna Köln, ist mittlerweile erfolgreicher Coach des SV Sandhausen.
  • Während der Coronakrise verbringt er die Zeit mit seiner Familie in Köln.
  • Im Interview spricht Koschinat über seinen Alltag und einen möglichen Abbruch der Saison.

Köln – Herr Koschinat, wie sieht Ihr Alltag in der Coronakrise aus?

Ich bin Zuhause bei meiner Frau und meinen Kindern in Köln. Der Alltag reduziert sich auf das Familienleben. Es ist eine neue Situation, weil ich meine Familie sonst nie so lange am Stück sehe. Aber es ist eine angenehme. Wir halten uns natürlich an die Vorgaben – meine Frau darf als Berufsschullehrerin nicht arbeiten, meine Tochter darf nicht in die Schule. Meine Arbeit als Fußballtrainer ruht natürlich ebenfalls. Ein Trainer analysiert im normalen Arbeitsalltag Situationen und spielt dann kurz-, mittel- und langfristige Planungen durch. Man will Ideen entwickeln und diese umsetzen. Dieser Prozess ist aktuell brutalst gestört. Du arbeitest im Nebulösen. Man hat überhaupt keine Vorstellungen, wann und wie es weitergeht.

Und Ihre Spieler, die Zweitliga-Profis des SV Sandhausen, sind im Homeoffice.

Ja, sie haben individuelle Pläne. Wir hatten ursprünglich gedacht, dass wir uns am Dienstag wiedersehen. Aber schnell hat sich herausgestellt, dass es völlig unverantwortlich in der aktuellen Situation gewesen wäre, wieder ein Training mit der Gruppe aufzunehmen. Deswegen haben wir die individuelle Arbeit erst einmal um eine Woche verlängert. Meine Arbeit – wenn man es so nennen möchte – besteht primär darin, den Kontakt zu den Spielern zu halten. Dann bekomme ich eine Einschätzung, ob die Pläne gut ausgearbeitet sind. Oder ob das am Ende dann möglicherweise zu langweilig wird. Viel Kontakt habe ich zu unserem Athletiktrainer. Der hat aktuell wohl noch am meisten zu tun.

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Wie sieht der Alltag bei den Spielern aus?

Es gibt bislang keine Ausstattung mit irgendwelchen Geräten, wie man es vielleicht bei anderen Klubs schon gesehen hat. Das haben wir ohne restriktive Ausgangssperre bislang noch nicht für nötig gehalten. Die Spieler können mit Waldläufen in der Nähe ihrer Wohnorte ihr Trainingsprogramm hervorragend umsetzen. Dazu gibt es dann kraftintensive Einheiten, die mit dem eigenen Körpergewicht zu absolvieren sind. Dann machen einige Jungs Yoga – das geht im häuslichen Umfeld sehr gut. Aber das Umsetzen ihrer Vorgaben ist momentan das Leichteste für die Jungs, das können wir ja überwachen.

Neben den Einheiten haben die Profis noch einen halben Tag Freizeit.

Das ist die vielleicht größte Herausforderung. Denn man muss eine enorme Disziplin in allen Teilbereichen haben – wie zum Beispiel der Ernährung oder dem Tagesrhythmus. Es muss alles auf den Punkt ausgerichtet sein, an dem es dann wieder losgeht. Allerdings kennen wir diesen Punkt nicht. Wir haben keine Idee, wie viel Vorlaufzeit wir haben, um als gesamte Gruppe wieder fußballspezifische trainieren zu können. Die Arbeit fühlt sich im Moment ziellos an.

Wie ist die wirtschaftliche Lage beim SV Sandhausen? Die Ligakonkurrenten Hannover 96, Dynamo Dresden und Erzgebirge Aue haben ihre Angestellten bereits in Kurzarbeit geschickt.

Kurzarbeit gibt es, Stand jetzt, noch nicht. Allerdings wird es in dieser Woche ein Treffen mit Präsidium und Geschäftsführung geben – wenn es die Corona-Vorkehrungen dann noch zulassen. Dann müssen wir die Räumlichkeiten schaffen, dass die Jungs weit auseinandersitzen. Bisher haben wir noch keinen bekannten Coronafall im Team. Wenn es alles so klappt, will unser Präsident Jürgen Machmeier, der ja auch im DFL-Aufsichtsrat sitzt, zu uns sprechen. Bisher hat er sich weder öffentlich noch intern zur wirtschaftlichen Situation des SVS geäußert.

Die DFL wird am Dienstag voraussichtlich entscheiden, dass die Pause der Bundesligen über Anfang April hinaus verlängert wird.

Ich sehe auch gar keine andere Möglichkeit. Dann müsste es ja eine politische Aufweichung der aktuellen Maßgaben geben. Nach dem Motto: Wir nehmen jetzt Profisport davon aus. Und die können unter Ausschluss der Öffentlichkeit ihre Dinge abarbeiten. Aber das halte ich für völlig ausgeschlossen. Das macht ja keinen Sinn aus Sicht des Staates, Versammlungen von über zwei oder drei Menschen zu verbieten und dann ein Fußballspiel zu erlauben, bei dem vor dem Spiel 25 Leute in einem Raum sind und die gleiche Toilette benutzen. Das kann nicht funktionieren, wenn man irgendwie ein Vorbild für die Gesellschaft sein will. Damit würde man jedem, der die aktuellen Maßnahmen für übertrieben hält, förmlich suggerieren, dass das ganze Ding am Ende doch nicht so heiß gegessen wird, wie es gekocht wurde.

Sandhausen wird in der Regel als erster Klub genannt, wenn es um „kleine Zweitligisten“ geht. Könnte der SVS einen Abbruch der Saison verkraften?

Genau kann ich das nicht sagen. Aber mir ist wichtig, dass ich weiß, dass ich sehr schnell von einem entsprechenden Update durch die Vereinsführung unterrichtet werden würde. Gerade kleine Klubs zeichnen sich dadurch aus, dass sie in der Regel sehr vernünftige wirtschaftliche Entscheidungen treffen und kurze Dienstwege haben – sonst wären sie im Vergleich zu den großen gar nicht wettbewerbsfähig. Klubs wie der SV Sandhausen haben auch keine so große Abhängigkeit von Zuschauereinnahmen. Im Profifußball wird es, das vermute ich, viele Drittligisten ganz, ganz hart treffen. Genauso  auch viele Regionalligisten, die in einem professionellen Umfeld arbeiten. Sie sind viel mehr auf Zuschauereinnahmen angewiesen, da ihre TV-Gelder viel niedriger sind oder teilweise gar nicht existieren. Viele Drittligisten sind von der Budgetierung her nah dran an Zweitligisten sind. Sie wird das Problem fehlender Einnahmen im hohen Maße treffen.

Solidarität im Profifußball ist derzeit ein großes Thema. Wie geht Sandhausen damit um?

Zweifelsohne wird diese Solidarität auch bei uns gelebt. Darum wird es auch bei unserem Treffen gehen. In welcher Form, kann ich noch nicht sagen. Zumal in Sandhausen die sportliche Abteilung den weitaus größten Teil des Angestellten-Apparats stellt. Dass wir so etwas in Ruhe handhaben, zeigt, dass hier keine Panik ausgebrochen ist. Jürgen Machmeier wollte bewusst die Situation analysieren und danach zu den Angestellten sprechen.

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