Analyse zum Fall des HSV-ProfisJattas Schwindel könnte glimpflich enden

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Bakery Jatta

Bakéry Jatta im Training des Hamburger SV am Donnerstag

Hamburg – Im Fall des angeblich unter falscher Identität spielenden Fußballprofis Bakéry Jatta hat das Bezirksamt Hamburg-Mitte ein Anhörungsverfahren eröffnet. Ein Schreiben mit Fragen des Amtes an den Offensivspieler des Zweitligisten Hamburger SV wurde am Donnerstag verschickt. Im Rahmen der Anhörung solle Hinweisen auf angebliche Falschangaben Jattas bei seiner Einreise nach Deutschland nachgegangen werden, über die die „Sport Bild“ berichtet hatte. Demnach könnte der HSV-Offensivspieler einen anderen Namen haben und älter sein. Wir erklären die rechtlichen Grundlagen.

Gilt für Jatta die Unschuldsvermutung?

Die Unschuldsvermutung gilt nur im Strafrecht, nicht aber im Ausländerrecht. Doch auch dort ist ein rechtsstaatliches Verfahren vorgesehen, das nicht allein auf Gerüchten und Medienberichten basieren wird.

Welche Auswirkungen hätte eine Täuschung auf Jattas Aufenthaltsrecht?

Jatta kam als minderjähriger Flüchtling nach Deutschland und hat zunächst keinen Asylantrag gestellt. Dies ist nicht unüblich, weil unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Regel nicht abgeschoben werden. Als Jatta (nach seinen Angaben) 18 wurde, schloss der HSV mit ihm einen Arbeitsvertrag. Auf dieser Grundlage erhielt Jatta auch eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis, die jüngst verlängert wurde. Diese Aufenthaltserlaubnis kann zurückgenommen werden, wenn sich herausstellt, dass Jatta bei der Antragstellung falsche Angaben gemacht hat.

Welche Vorteile hätte Jatta eine Täuschung gebracht?

Im Asylverfahren hätte ihm die Täuschung über die Identität wohl nichts gebracht. Antragsteller aus Gambia haben minimale Asyl-Anerkennungsquoten, vor allem seit 2017 der neue demokratisch gewählte Präsident Adama Barrow sein Amt antrat. Eine etwaige Identitätstäuschung dürfte wohl der Vertuschung einer Altersmanipulation gedient haben. Die Angabe eines niedrigeren Alters kommt bei jungen Flüchtlingen häufig vor, weil unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bis zur Volljährigkeit in der Regel nicht abgeschoben werden und eine viel bessere Betreuung erhalten als Erwachsene.

Muss Jatta im Falle einer Täuschung mit einer Abschiebung rechnen?

Falls Jatta sein Aufenthaltsrecht in Deutschland verliert, müsste er das Land verlassen. Eine zwangsweise Abschiebung käme aber nur dann in Betracht, wenn er nicht freiwillig ausreist. Denkbar wäre allerdings auch, dass Jatta dann eine neue Aufenthaltserlaubnis mit korrekter Identität bekommt. Falls der HSV weiter an seinem Spieler interessiert ist, würde der Vertrag ja fortbestehen. Jatta hätte also ein (mehr als) ausreichendes Einkommen, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Bei Profi-Sportlern liegt meist auch ein öffentliches Interesse vor. Aufenthaltsrechtlich könnte ein Schwindel in seinem Fall also glimpflich ausgehen.

Könnte der HSV den Vertrag mit Jatta auflösen?

Wenn ein Vertragspartner bei einem Arbeitsvertrag über seine Identität täuscht, ist dies keine bloße Formalie. Zumindest der damit verbundene Vertrauensbruch wiegt schwer. Der HSV könnte den Vertrag deshalb wegen arglistiger Täuschung anfechten. Er muss dies aber nicht tun. Schließlich war er mit Jatta als Spieler bisher auf und neben dem Platz durchaus zufrieden.

Was droht Jatta im Fall einer Täuschung strafrechtlich?

Ein Betrug liegt wohl nicht vor. Jatta hat den Vertrag mit dem HSV nicht deshalb erhalten, weil er über seine Identität getäuscht hat. Im Gegenteil, Jatta hat sogar seine bisherigen Erfahrungen als Jugendnationalspieler Gambias verschwiegen. Er wäre im Fall einer Täuschung also kein Hochstapler, sondern ein Tiefstapler gewesen. Wenn sich dagegen herausstellt, dass der Pass, den Jatta vorlegte, nicht echt ist ist, wäre dies als Urkundenfälschung strafbar. Nach dieser Norm wird auch die Benutzung einer unechten Urkunde bestraft. Höchststrafe sind zwar fünf Jahre Freiheitsstrafe, möglich wäre aber auch eine Geldstrafe.

Verliert der HSV die Punkte aus dem Spiel gegen Nürnberg?

Nürnberg beruft sich darauf, dass Jatta nicht spielberechtigt war, falls seine Spielberechtigung auf einen falschen Namen lautet. Der Einsatz eines nicht-spielberechtigten Spielers führt zwar in der Regel dazu, dass das Spiel mit 2:0 für die gegnerische Mannschaft gewertet wird. An eine jahrelange Identitätstäuschung hat hier aber sicher niemand gedacht. Der Ausgang des Verfahrens wäre also auch im Falle einer Täuschung sehr ungewiss.

Müssen auch noch andere HSV-Spiele überprüft werden?

Falls die fehlende Spielberechtigung im Spiel gegen Nürnberg ein Problem war, war sie dies auch in den drei Spielzeiten zuvor. Dem HSV drohen hier aber keine Sanktionen mehr. Einspruch gegen eine Spielwertung ist nämlich nur binnen zwei Tagen möglich.

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