Auswärtssieg in GladbachUmstrittener Treffer ebnet Weg zum Dortmunder Erfolg

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Sancho Tor in Gladbach

Jadon Sancho trifft zum 1:0. Vor der Vorlage von Marco Reus könnte der Ball bereits im Toraus gewesen sein.

Mönchengladbach – Am Ende, nach dem überpünktlichen Abpfiff, wirkte im Borussia-Park in beiden Lagern vieles sehr harmonisch. Die Dortmunder Spieler trotteten nach dem 2:0-Sieg in Mönchengladbach erhobenen Hauptes in Richtung Kabine, fast alle BVB-Profis verzogen keine Miene. Klubchef Hans-Joachim Watzke wirkte trotz der verpassten Meisterschaft auch nicht am Boden zerstört, man hatte sich auf das dann auch eintretende Szenario ja bereits einstellen  können.

Die Mannschaft der Hausherren stand da noch vor der Nordkurve. Trainer Dieter Hecking, der 878 Tage im Amt war, verabschiedete sich von der Anhängerschaft, wurde gefeiert und wirkte bewegt. Sein Team, das zuletzt brutal abgebaut hatte, bekam ebenfalls Applaus.

Gratulation nach München

Beide Lager ordneten an diesem Tag ihre Leistungen  richtig ein. Der BVB erkannte an, dass der FC Bayern in der Rückrunde dann doch besser war. Eine furiose Hinrunde hatte die Mannschaft des früheren Gladbacher Trainers Lucien Favre  hingelegt. Noch nach 20 Spieltagen hatte der BVB die Tabelle mit sieben Punkten Vorsprung vor dem FC Bayern angeführt – um am Ende doch noch vom Rekordmeister abgefangen zu werden. „Glückwunsch an die Bayern. Sie haben zwei Punkte mehr als wir und sind verdient Meister geworden“, sagte Watzke, der den Bayern-Bossen Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß diese Glückwunsche am Montag telefonisch überbringen will.

Seine Mannschaft habe zwar auch eine gute Rückrunde gespielt (worüber man geteilter Meinung sein kann), doch am Ende müsse man die Leistung der Bayern „neidlos“ anerkennen. So ganz vergaß Watzke allerdings auch nicht, dass sein BVB einen ordentlichen Vorsprung  verspielt hatte. So wäre „vielleicht noch etwas mehr drin gewesen“, wie Watzke anfügte. Seine halbherzige Kampfansage: „Wir versuchen, in den nächsten Jahren dranzubleiben. Das ist ambitioniert, aber wir werden es versuchen.“

Favre: „Es hat ein wenig gefehlt“

Lucien Favre wirkte so wie immer: nüchtern, ruhig, Emotionen sind nicht seine Sache: „Am Ende sind wir etwas enttäuscht. Es hat ein wenig gefehlt. Wir können zufrieden sein mit der Saison“, befand Favre.

Bei der anderen Borussia freute man sich zwar über die Teilnahme an der Europa League. Aber es wäre wohl auch des Guten zu viel gewesen, wenn die Fohlen-Elf nach dieser schlechten Rückrunde sogar noch die Qualifikation für die Champions League geschafft hätte. Zur Erinnerung: Nach besagtem 20. Spieltag hatte Gladbach als Zweiter  – wie der FC Bayern – 42 Punkte auf dem Konto. Doch in den folgenden 14 Partien folgten nur noch 13 Zähler.  Konkurrent Leverkusen drehte ganz anders auf und holte Borussia noch ein.

BVB startet zögerlich

„Es schien für uns lange Zeit mehr möglich zu sein. Platz fünf ist ein gutes, kein herausragendes Ergebnis. Aber mein Appell an alle ist, das auch alles realistisch zu sehen. Europa zu erreichen ist keine Selbstverständlichkeit für Borussia“, sagte Hecking: „Wenn du zweieinhalb Jahre bei einem solch tollen Klub gearbeitet hast, kannst du erst einmal dankbar sein.“ Nobel war, dass er  seinem Nachfolger Marco Rose viel Glück wünschte. Rose sei ein „toller Kollege“ und werde Borussia „guttun“.

Zum Spiel: Für eine Mannschaft, die theoretisch noch Meister werden konnte, startete der BVB viel zu zögerlich,  beinahe ohne Feuer. Gladbach war am Anfang besser und hatte zum Beispiel großes Pech, als Traoré nur die Latte traf (12.) oder Elvedi per Kopf verpasste (40.).

Ein sehr umstrittenes Tor

Kurz vor der Pause sollte ein höchst umstrittenes Tor alles (ver)ändern: Nach Vorarbeit von Marco Reus traf Jadon Sancho zur Führung der Gäste. Oder doch nicht? Beim ersten Studium der Szene sah es so aus, als ob der   Spielball, der einen Umfang von 69 Zentimetern hat, bei Reus’ Vorarbeit die Torauslinie überschritten hatte. Laut dem DFB-Regelwerk ist ein Ball dann im Aus, wenn er „vollständig die Tor- oder Seitenlinie überschreitet“. Die Videoschiedsrichter in Köln befanden, dass der Ball wohl noch die Linie gekratzt hatte. Schiedsrichter Manuel Gräfe überzeugte sich dann selbst noch mal am Monitor am Spielfeldrand und gab nach  den Treffer zum 0:1. Hecking: „Dass das Tor strittig war, das brauche ich nicht zu betonen.“

Gladbach wirkte danach geschockt und bekam  gar nichts mehr auf die Reihe.  Das Gegentor und die Zwischenstände aus Berlin hätten seiner Elf den „Stecker gezogen“, so Hecking. Der BVB spielte nach der Pause weitaus flüssiger, konzentrierter,  einfach besser und ging  durch den starken  Reus mit 2:0 in Führung (54.). Danach war alles   entschieden – und auch im Stadion wurde es immer leiser.

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