Bundesliga vs. ExpertenKann es wirklich ab 9. Mai Geisterspiele geben?

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Beim Geisterspiel zwischen Gladbach und Köln waren 600 Personen im Stadion.

  • Die DFL möchte, dass die Bundesligen am 9. Mai fortgesetzt werden – mit Geisterspielen natürlich.
  • Von Armin Laschet und Markus Söder gab es schon grünes Licht. Doch aus der Wissenschaft gibt es Widerstand.
  • Fragen und Antworten zum Thema

Köln – Die Anzeichen verdichten sich, dass die Fußball-Bundesligen in Deutschland vom 9. Mai am mit Geisterspielen fortgesetzt werden dürfen. Dieses Datum bestätigten die Ministerpräsidenten Markus Söder (Bayern) und Armin Laschet (NRW) am Montag. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn verschließt sich dem Wiederbeginn nicht und spricht von einem „Stück Normalität“.  Für die Vereine wären Geisterspiele  eine Erleichterung – TV- und Sponsorengelder würden wieder fließen. Ein Abbruch der Saison hätte viele Klubs in eine finanzielle Schieflage gebracht. Laut „Kicker“ wären 13 von 36 Profivereine von der Insolvenz bedroht gewesen, denn die Einnahmen aus der TV-Vermarktung sind verplant. Diese Gefahr scheint  gebannt. Dennoch sind vor der Fortsetzung der Saison  Fragen zu klären.

Wann wird voraussichtlich entschieden, ob die Bundesligen am 9. Mai fortgesetzt werden?

Bis zur nächsten Konferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Länderchefs am 30. April. Die DFL muss bis  dahin glaubhaft vermitteln, dass durch die Geisterspiele keine Gefahren einer Ansteckung bestehen und dass es keinen negativen Effekt für die Allgemeinheit geben wird. Das Szenario für einen Wiederbeginn wurde von der Taskforce unter Leitung von DFB-Arzt Tim Meyer erarbeitet. Den Klubs soll das Konzept bei der DFL-Videokonferenz am Donnerstag vorgestellt werden. Termin-Beschlüsse werde es nicht geben. Die Entscheidung darüber liege „selbstverständlich bei den zuständigen politischen Gremien“, teilte die DFL am Dienstag mit.

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Was sagen die Klubs?

Nach den Aussagen von Laschet und Söder herrschte Erleichterung. Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge nannte sie ein „positives Signal“, BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke lobte den „Vertrauensvorschuss der Politik“. FC-Finanzchef Alexander Wehrle sagte: „Ich glaube, das tut allen in unserer Gesellschaft gut, ein kleines Stückchen Normalität wieder zurück zu bekommen.“

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Welcher Meinung sind die Experten?

Viele sind skeptisch. Lars Schaade, Vizepräsident des Robert Koch-Instituts (RKI), kritisiert die zum Spielbetrieb zwingend notwendigen Coronavirus-Tests für Fußballprofis, etwa 20000 müssten bis Ende Juni durchgeführt werden. „Ich sehe nicht, warum bestimmte Bevölkerungsgruppen (...) routinemäßig gescreent werden sollen“, sagte Schaade am Dienstag. Der Epidemiologe und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ist ebenfalls gegen Geisterspiele: „Die Bundesliga würde mehrere zehntausend Tests verbrauchen, die in Pflegeeinrichtungen und Schulen fehlen.“

Wie rechtfertigen die Klubs den Test-Aufwand für ihre Profis?

Bayer-04-Medizindirektor und -Pandemiebeauftragter Karl-Heinrich Dittmar teilt nicht die Sorgen des RKI („Das ist nicht das Labor, das testet“) und von SPD-Politiker Lauterbach: „Er ist Mediziner, er sollte es wissen. Und ich habe auch in der Vergangenheit Politikern nicht alles geglaubt. Warum sollte das an dieser Stelle anders sein? Das Problem, dass wir anderen die Kapazitäten wegnehmen würden, besteht nach Auskunft des Verbands der Laborärzte nicht. Deren Aussage ist für mich in diesem Fall kompetenter“, sagt Dittmar. Kapazitäten in den Laboren gebe es immer. „Es wäre nichts Besonderes, wenn die Probe hier in Leverkusen genommen und in München oder Prag untersucht werden würde.“ Es sei nur ein Problem der Logistik. Die Testung für Fußballer „wäre von ganz wenigen Leuten ganz einfach zu organisieren“. Pro Spieltag müssten pro Team etwa 50 Personen getestet werden, ein Test kostet zwischen 100 und 150 Euro. Leverkusens Mannschaftsarzt sagt: „Ich hätte aus medizinischer Sicht kein Problem, das nächste Spiel am kommenden Samstag durchzuführen.“ Die DFL führte am Dienstag Zahlen an: Nach jüngsten Erhebungen stünden bei den Akkreditierten Laboren in der Medizin (ALM) derzeit 640.000 Test pro Woche zur Verfügung, das derzeit diskutierte Konzept der DFL erfordere „weniger als 0,5 Prozent der aktuellen Testkapazität“.

Wie würde ein Geisterspiel ablaufen?

Mit möglichst wenigen Menschen in den Stadien:  Spieler, Betreuer, Medien- und Vereinsvertreter sowie Ordnungspersonal. Die „Bild“ hatte von insgesamt 239 Personen berichtet, 126 im Innenraum, 113 auf den Tribünen. Beim Geisterspiel zwischen Gladbach und Köln waren noch rund 600 Menschen im Borussia-Park.

Wie hoch ist das Infektionsrisiko auf dem Platz?

„Mit 1,5 Metern Abstand wäre es ein anderes Spiel, das wir alle nicht sehen wollen“, sagt Bayers Mannschaftsarzt Dittmar. „Früher sind Spieler ja auch mal mit einer beginnenden Grippe auf dem Platz gewesen. Und auch da haben wir uns nicht alle angesteckt.“ Infektionsketten auf dem Fußballplatz hätten bislang auch noch nicht nachgewiesen werden können. Eine Maskenpflicht im Fußball lehnt Dittmar ab: „Das Atemvolumen wird durch die Maske reduziert.“

Was würde passieren, wenn ein Profi positiv getestet wird?

Laut den aktuellen Vorgaben müssten der Infizierte und seine Kontaktpersonen für 14 Tage in Quarantäne  – ein einziger Corona-Fall könnte somit zum Fall des gesamten Liga-Spielplans führen. Bayer-Arzt Dittmar hofft auf eine Änderung der Regel und dass nur noch Kranke isoliert werden, ihre Kontaktpersonen aber nicht mehr automatisch. 

Müssten die Profis bis zum Ende der Saison komplett isoliert werden?

Sollten die Vorgaben durch die Behörden nicht geändert werden, sei es denkbar – um den Spielbetrieb nicht erneut zu gefährden –, die Profis vorsorglich mehr oder weniger zu isolieren, sagt Dittmar. „Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet.“

Wie gehen die anderen europäischen Länder mit ihren Fußballligen um?

In Italien will die Liga – trotz des Widerstands vieler Vereine – die Saison zu Ende spielen,  hieß es in einer Erklärung der Serie A vom Dienstag. Die englische Premier League hofft ebenso auf Spiele spätestens in der zweiten Junihälfte wie Spaniens Primera División. Dabei sollten die Ligen nach dem Wunsch der Uefa bis Ende Juli fertig sein, um dann den Europapokal zu Ende zu spielen. Uefa-Boss Aleksander Ceferin sagte, notfalls könne auch parallel gespielt werden.

Wie ist der Plan der Uefa für den Europapokal?

Das ideale Szenario sieht vor, dass die Europa League am 2./3. August das Achtelfinale wieder aufnimmt, gefolgt von der Champions League am 7./8. August. Danach würde alle drei Tage gespielt – bis zu den Finals am 27. und 29. August in Danzig (EL) und Istanbul (CL). Im September könnte es laut Ceferin Länderspiele geben, der Start der Champions League 2020/21 würde auf den 20. Oktober verlegt. Allerdings benötigt die Uefa  nicht das Okay  von gleich 13 Ländern. So viele sind noch im Europacup vertreten oder wie Polen mit Danzig als Ausrichter eines Endspiels dabei.

Ist es absehbar, wann Zuschauer wieder in die Stadien dürfen?

Bis zum 31. August sind Großveranstaltungen in Deutschland grundsätzlich verboten. Sollte die Bundesliga bis zum 30. Juni mit Geisterspielen zu Ende gespielt werden können,  sähe der Rahmenterminplan den 21. August als möglichen ersten Spieltag der Saison 2020/21 vor. Damit wären die ersten beiden Spieltag noch von der Sperre betroffen, im Falle des 1. FC Köln bedeuteten das rund 3,5 Millionen Euro fehlende Einnahmen. Ob anschließend wieder vor vollen Stadien gespielt werden dürfte, ist fraglich. In der Branche geht man davon aus, dass Großveranstaltungen erst wieder uneingeschränkt möglich sein werden, wenn ein Impfstoff vorliegt. Damit ist realistisch erst zur Mitte des nächsten Jahres zu rechnen. Unter den aus der Zeit vor Corona bekannten Bedingungen  würde dann erst in der Saison 2021/22 gespielt.

Was ist bis dahin möglich?

Es könnte mit reduzierter Zuschauerzahl gespielt werden. Das klingt zunächst kaum vorstellbar, doch werden derzeit viele Dinge umgesetzt, die bislang nicht denkbar schienen. Die Ticketing-Systeme erlaubten es, die Zuschauer im Stadion so zu verteilen, dass zwischen den Plätzen genug Abstand bliebe. Dennoch würfe ein solcher Ansatz weitere Fragen auf: Wie stellte man sicher, dass die Zuschauer bei der An- und Abreise die Abstände einhielten? Wie würde der Zutritt auf die Ränge geregelt – und wer stellte sicher, dass im Stadion auch jeder auf seinem Platz bliebe? Und: Würden die Karten dann verlost? Doch auszuschließen ist nichts: „Warum sollte man zur neuen Saison nicht auch den Fußball langsam hochfahren? Wir können uns bis dahin anschauen, wie es zum Beispiel die Kirche mit Gottesdiensten macht und daraus lernen. Da wird man auch nicht mit einem vollen Kölner Dom anfangen können“, sagte FC-Vizepräsident Carsten Wettich dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Wie planen die Vereine ihre Etats für die neue Saison?

Zwar finanzieren sich Bundesligaklubs nur noch zum Teil über die Einnahmen aus dem Kartenverkauf. Allerdings sind gerade die Beiträge der Dauerkartenkunden im in der spielfreien Sommerzeit hoch willkommen. In diesem Jahr steht aber nicht fest, wem überhaupt ein Spielbesuch in der neuen Saison garantiert werden kann. Daher wird der 1. FC Köln seinen Dauerkartenkunden, derzeit sind es 25 000, in diesem Jahr nicht zum 30. Juni pauschal die Saisontickets in Rechnung stellen. Den Vereinen wird damit ein Teil ihres Spielraums genommen.

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