Bundesliga will Betrieb fortsetzenAlles spricht für den 15. Mai

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Ab dem 15. Mai könnte es in der Bundesliga wieder zur Sache gehen.

Köln – Bei ihrer nächsten Telefonkonferenz am Mittwoch wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer unter anderem über eine Fortsetzung der Fußball-Bundesliga mit Geisterspielen entscheiden. Ein Überblick über die Entscheidungsfindung und zu den Streitpunkten.

Wie wird sich die Politik entscheiden?

Mit großer Wahrscheinlichkeit werden Bund und Länder der Bundesliga grünes Licht geben. Laut der Nachrichtenagentur Reuters einigten sich Verhandlungsvertreter in vorbereitenden Gesprächen am Montagabend darauf. Das erste Spiel könnte demnach am Freitag, 15. Mai, stattfinden. Gleichzeitig solle für den Amateurbereich der Sport unter freiem Himmel wieder erlaubt werden. Schon vor der Konferenz am Mittwoch hatten einzelne Bundesländer im Alleingang Lockerungen ihrer Corona-Maßnahmen beschlossen. Ein „Go“ für die Bundesliga wäre demnach nur logisch. Bei 1724 Abstrichen in der ersten Testreihe wurden zehn Infektionen aufgedeckt – eine Quote von 0,58 Prozent scheint vertretbar.

Was sind die Eckpunkte des für eine  Liga-Fortsetzung entscheidenden DFL-Hygienekonzepts?

51 Seiten lang ist das unter Leitung von DFB-Arzt Tim Meyer erstellte Papier. Kernpunkt ist eine engmaschige und regelmäßige Testung der Spieler. Vor Wiederaufnahme des Teamtrainings soll jeder Verein seine Spieler mindestens zweimal getestet haben. Zwei negative Tests sind für Spieler Voraussetzung, um in den Trainingsbetrieb zurückkehren zu können. Auch Kontaktpersonen der Profis sollen freiwillig getestet werden. Alternativ können sie schriftlich jeden Kontakt dokumentieren. Wenn ein Spieler positiv getestet wird, muss nicht automatisch die ganze Mannschaft in Quarantäne. Aufgrund der getroffenen Maßnahmen (Dauertestung) könnten Profis und Betreuer in die Kategorie 2 (geringeres Infektionsrisiko) eingeordnet werden, die „optional anzuwendende informatorische und kontaktreduzierende Maßnahmen“ statt einer Gruppenquarantäne zur Folge hat. Die lokalen Gesundheitsämter entscheiden darüber.

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In den Arenen und um die Stadien herum sollen sich bei Spielen noch etwa 300 Personen befinden. Die Aufenthalte der Profis in den Kabinen sollen auf ein Minimum reduziert werden. Rituale wie das gemeinsame Einlaufen entfallen. Alle Anwesenden, aktive Spieler und Schiedsrichter ausgenommen, sind im Stadion verpflichtet, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Spieler werden angehalten, sich in eine Quasi-Quarantäne zu begeben. Es sollen unter anderem keine Kontakte zur Nachbarschaft mehr geben, keine Besuche empfangen und keine öffentlichen Verkehrsmittel genutzt werden. Positive Corona-Fälle sollen nicht automatisch an die Presse gemeldet werden, da „Krankheitsverifizierung sowie die klare Dokumentation der vermutlichen Übertragungswege im Vordergrund stehen“. Die DFL rät den Klubs, für einen „ausreichend großen Kader“ für das Saisonfinale zu sorgen.

Was ist der größte Streitpunkt?

Die Frage, ob im Falle eines positiv getesteten Profis automatisch die ganze Mannschaft in eine 14-tägige Quarantäne muss. Das DFL-Konzept sieht das nicht vor. Denn ein Corona-Fall könnte so den ganzen Spielbetrieb zum Erliegen bringen. Das Bundesinnenministerium bekräftigte allerdings seine Haltung, dass auch Fußballer nach Kontakt mit Corona-Infizierten isoliert werden müssen. „Horst Seehofer steht dazu, was er gesagt hat. Personen, die in unmittelbarem Kontakt gewesen sind mit einer positiv getesteten Person, müssen in 14-tägige Quarantäne gehen“, sagte BMI-Sprecher Steve Alter. Dieser Grundsatz scheint für das Ministerium nicht verhandelbar zu sein und birgt damit Konfliktpotenzial. „Das ist ein Prinzip, das für die gesamte Bevölkerung zur Anwendung kommt, und es gibt keinen Grund, warum das bei Fußballprofis anders sein sollte“, sagte Alter. 

Zweitligist Erzgebirge Aue nahm am Dienstag einen eigenen Weg. Entgegen der DFL-Empfehlung gab der Klub einen positiven Befund in seiner zweiten Testreihe bei einem Betreuer bekannt und schickte alle Spieler und das komplette Funktionsteam in Quarantäne – in der ersten Testreihe hatte es nur negative Ergebnisse gegeben. Allerdings gilt die Isolierung vorerst nur bis zur dritten Testung am Donnerstag. Die üblichen 14 Tage hätten eine Rückkehr in den Spielbetrieb Mitte Mai unmöglich gemacht.

Wer sind die Unterstützer der Saison-Fortsetzung mit Geisterspielen?

Viele hochrangige Politiker haben dem Liga-Konzept Unterstützung signalisiert. Wenig überraschend auch Armin Laschet und Markus Söder, die Ministerpräsidenten von NRW und Bayern – Heimat von 14 der 36 Bundesligisten. „Die Kölner Corona-Fälle sind gerade der Beleg, dass das ganze System funktioniert. Es ist ein riesen Sicherheitskonzept entwickelt worden, dass inzwischen parteiübergreifend Zustimmung gefunden hat“, lobte Laschet mit Blick auf die drei positiven Tests beim FC. Auch Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz, SPD), sprach am Montag bei „hart aber fair“ – nach dem Wirbel um die entlarvenden Videoaufnahmen aus der Kabine von Hertha BSC – von einem „berechtigten Interesse“ der Fußballer, „wieder spielen zu können“.

Wer ist gegen den Plan der DFL?

Lautester Kritiker des Konzepts bleibt SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Der Professor für Epidemiologie hatte erst angemahnt, dass der Fußball anderen Bereichen Testkapazitäten wegnehmen könnte. Zudem wies er auf eine Sonderbehandlung der Profis hin, während beispielsweise Kinder keinen Sport ausüben dürften. Lauterbach sorgt sich zudem um die Gesundheit der Profis: „Wer mit Covid-19 trainiert, riskiert Schäden an Lunge, Herz und Nieren.  Fußball soll Vorbild sein, nicht Brot und Spiele.“ Wiederholt gegen eine Fortsetzung der Bundesliga mit Geisterspielen hatten sich Ultra-Zusammenschlüsse ausgesprochen.

Kann der Fall des wegen Verstößen gegen die Hygienevorschriften suspendierten Hertha-Profis Salomon Kalou die Entscheidung der Politik ins Wanken bringen?

Wohl kaum – so lange DFL und Klubs das Verhalten von Kalou und den anderen Hertha-Angestellten glaubhaft als Ausnahme darstellen können. „Das grundsätzliche Konzept macht Sinn und kann auch Vorbild sein für andere Profisport-Bereiche. Aber dann muss es auch gelebt werden“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Dienstag im Deutschlandfunk. Deswegen sei es wichtig gewesen, dass der Berliner Verein nach diesem Video auch Konsequenzen gezogen hat. „Und ich hoffe, dass jetzt alle verstanden haben, dass es hier um etwas geht.“  Kalou entschuldigte sich derweil. „Ich trage die Verantwortung für diesen dummen Fehler. Das Video hätte ich niemals machen dürfen. Es war respektlos“, sagte der Ivorer.

Wie würden der 1. FC Köln und Bayer 04 Leverkusen die Vorbereitung bis zur Liga-Fortsetzung angehen?

Der FC würde, um Infektionen so gut wie möglich auszuschließen, Mannschaft und Betreuer im Dorint-Hotel am Heumarkt unterbringen und zu den Trainingsplätzen am Geißbockheim pendeln – ein Quarantäne-ähnliches Trainingslager. Die Corona-Tests werden vom Labor Wisplinghoff aus Marsdorf durchgeführt. Bayer 04 hat ähnliche Pläne, will aber vor der Entscheidung der Politik keine Einzelheiten nennen. Spieler, Trainer und Betreuer fahren zum Testen im Auto in die Tiefgarage unter der Bay-Arena, „wie beim Drive-in“, sagte Sportdirektor Simon Rolfes.

Was passiert, wenn  sich die Politik der Zustimmung für Geisterspiele verweigert?

Wird die Saison abgebrochen, würden dem Vernehmen nach bis zu 750 Millionen Euro fehlen. Mehrere Klubs wären akut von der Insolvenz bedroht. Am Profifußball hängen laut DFL etwa 56.000 Arbeitsplätze. Geisterspiele sind zudem nicht nur eine Notlösung für die laufende Saison. Realistisch betrachtet, wird es volle Stadien erst dann wieder geben können, wenn die Zahl der Erkrankten so niedrig ist, dass Infektionsketten über längere Zeit wieder bis ins kleinste Detail nachverfolgt und erfolgreich bekämpft werden können oder ein Impfstoff verfügbar ist.  (mit dpa, sid)

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