Cottbus-Trainer Pele Wollitz„Man kann auch gegen Bayern München viel verlieren“

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Claus-Dieter Wollitz

  • Energie Cottbus empfängt am Montag den FC Bayern in der ersten DFB-Pokalrunde.
  • Claus-Dieter Wollitz, genannt „Pele“, trainiert den Regionalligisten. Als Spieler war er unter anderem für den 1. FC Köln und Leverkusen aktiv.
  • Wollitz spricht im Interview über das angebliche Traumlos FC Bayern und die Probleme von ostdeutschen Fußballklubs.

Köln – Herr Wollitz, was hat das Pokal-Los Bayern München in Ihnen ausgelöst?

Ich habe gedacht: „Warum gerade das Los“? Zu dem Zeitpunkt hatten wir praktisch keine Spieler, waren abgestiegen, sportlich am Boden. Und dann kriegt man so ein Los. Mit so einem Los hast du gleich wieder Erwartung, Hoffnung, Vergangenheit, Tradition – aber das alles hilft dir nichts, weil du im Hier und Jetzt leben musst. Wenn man gegen Bayern München spielt in der heutigen Zeit, sind  die Chancen nicht ganz so groß. Deswegen war es Segen und Fluch zugleich.

Warum Fluch?

Ich glaube, auch wenn viele sagen, dass man in einem Spiel gegen Bayern München nichts verlieren kann, dass man doch viel verlieren kann – wenn man es nicht richtig einordnet, wenn man unrealistisch wird. Alle hoffen immer auf eine Sensation. Ich glaube, in einem solchen Spiel in der heutigen Zeit, da hat man keine Chance.

Zur Person

Claus-Dieter Wollitz, geboren am 19. Juli 1965 in Brakel, verheiratet, drei Kinder, bekam schon als Kind seinen bis heute gültigen Rufnamen „Pele“. Als Spieler aktiv bei: Schalke 04 (1987-1988),  Leverkusen (1988-1989), VfL Osnabrück (1989-1993), Hertha BSC  (1992-1994), VfL Wolfsburg (1994-1995), Kaiserslautern (1995-1996), Uerdingen 05 1996-1998), 1. FC Köln (1998-2001). Trainer: Uerdingen 05 (2003-2004), Osnabrück (2004-2009), Energie Cottbus (2009-2011), Osnabrück (2012-2013), Viktoria Köln 2012-2014), Cottbus (seit 2016). (ksta)

Das heißt, dass heiligen Pokal-Orten wie Eppingen und Vestenbergsgreuth – Synonyme für Pokal-Sensationen – womöglich keine weiteren mehr folgen werden?

Das denke ich, zumindest, wenn der Gegner Bayern München heißt. Die Bayern sind in den letzten Jahren noch einmal anders geworden. Sie waren ja früher schon immer Favorit, aber früher waren die Unterschiede nicht so groß. Die neue Richtung des Fußballs zeigt sich nicht nur in der Art, wie gespielt wird, sondern vor allem in den Preisen. Früher waren sie schon hoch, aber nicht so extrem wie heute. Es wird über Spieler diskutiert, die 100, 120, 150 Millionen Euro kosten, es werden verletzte Spieler für 80 Millionen gekauft. Das war früher undenkbar. Außerdem ist kein großer Verein heute mehr so naiv, einen Gegner zu unterschätzen.

Sie als Trainer trotzdem mit einem Ziel in dieses Spiel gehen.

Ich gehe als Trainer mit dem Ziel in dieses Spiel, dass wir uns nach dem Spiel auf das Wesentliche konzentrieren werden. Und das Wesentliche ist die Regionalliga und das Tagesgeschäft. Ich versuche, der Mannschaft zu vermitteln, dass sie sich auf dieses Spiel gegen Bayern München freuen darf, dass sie im Mittelpunkt des Montagabends steht, weil es das letzte Spiel ist und in der ARD übertragen wird. Aber sie soll das richtig einordnen. Die Spieler sollen schon eine eigene Erwartung an sich haben und eine eigene Motivation, aber man sollte das richtige Maß finden und nicht nach solch einem Spiel in ein Loch fallen, aus dem man schwer wieder rauskommt.

Dennoch lebt diese erste Pokalrunde vom Hunger nach Sensationen oder Überraschungen. Was wären in Ihren Augen mögliche Überraschungen in dieser ersten Pokalrunde, wenn das in dem Spiel Cottbus gegen Bayern für Sie schon kaum vorstellbar ist?

Ich glaube, so viel kann gar zusammenkommen, dass das gegen Bayern passiert. Der Unterschied ist zu groß, um ihn in 90 Minuten zu kaschieren. Ich glaube an so etwas nicht. Und Dinge, an die ich nicht glaube, die kann ich auch nicht nach außen hin verkaufen. Spiele, in denen Brisanz drin ist und etwas möglich ist, sehe ich zum Beispiel, wenn Kaiserslautern gegen Mainz spielt. Mainz hat ja noch kein Pflichtspiel gemacht. Oder wenn Frankfurt gegen Mannheim spielt. Frankfurt ist ja letztes Jahr als Titelverteidiger in Ulm ausgeschieden. Oder wenn Lübeck gegen St. Pauli spielt. Da denke ich: Das ist für die Höherklassigen doch nicht ganz so einfach. Aber wenn ein Regionalligist mit komplett neuer Mannschaft gegen die Bayern spielt – selbst die zweite Mannschaft von Bayern München spielt höher als wir – dann ist der Unterschied einfach zu groß.

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Energie Cottbus hat als ehemaliger Bundesligist aber immerhin noch einen großen Namen. Und Sie sind letzte Saison mit diesem Klub abgestiegen. Warum sind Sie dort noch Trainer?

Das ist eine berechtigte Frage, denn normalerweise muss man nach einem Abstieg gehen. Wir sind als Aufsteiger in die Dritte Liga am Ende mit 45 Punkten abgestiegen. Es war bis dahin noch nie eine Mannschaft mit 45 Punkten abgestiegen. Wir sind abgestiegen wegen einem Tor. Wir waren in der Hinrundentabelle nicht auf einem Abstiegsplatz. Wir waren in der Rückrundentabelle nicht auf einem Abstiegsplatz. Wir waren in der Heimtabelle nicht auf einem Abstiegsplatz. Wir waren in der Auswärtstabelle nicht auf einem Abstiegsplatz. Wir haben die sechstmeisten Tore geschossen. Aber am Ende stand der Abstieg. Und nach einem Abstieg musst du eigentlich gehen. Aber hier traut man mir zu, den Wiederaufbau zu gestalten. Das habe ich ja schon einmal geschafft.

Sie sind, ihre ersten Zeit bei Energie eingerechnet, schon etwa fünf Jahre Trainer in Cottbus.  Der Fußball im Osten scheint gefangen in einem Geflecht finanzieller, struktureller und politisch-soziologischer Probleme. Wie gehen Sie mit dieser Herausforderung um?

Ich versuche, solche Dinge nicht grundsätzlich an mich heranzulassen. Ich habe mich dazu klar positioniert und nichts damit zu tun. Aber es wird eben immer wieder   thematisiert. Der Verein FC Energie Cottbus hat sich klar geäußert. Ich verwahre mich gegen die Unterstellung, dass Energie Cottbus rechts ist. Dass es schwer ist  für einen Verein, strukturelle Probleme zu lösen, das liegt auf der Hand. Aber da ist die Politik gefragt, und der Verein kann das unterstützen. Und man sollte mit allen Aussagen in diese Richtung vorsichtig umgehen.

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