Jupp HeynckesDer große Erzieher des deutschen Fußballs wird 75

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Jupp Heynckes wird nach dem Champions-League-Sieg 2013 von seiner Mannschaft in die Luft geworfen.

  • Als Spieler und Trainer war der Mann vom Niederrhein ein moralisches Vorbild.
  • Beim FC Bayern München feierte der Mönchengladbacher seine größten Erfolge.
  • Geboren als neuntes von zehn Kindern eines Schmieds lebte er den Profis Werte vor.

Köln – Am späten Abend des 25. Mai 2013 saß Jupp Heynckes im Bauch des Wembley-Stadions und sollte erklären, was viele für den Höhepunkt seiner Karriere als Trainer hielten. Der FC Bayern München hatte Borussia Dortmund im Finale der Champions League 2:1 geschlagen.

Der Nestor des deutschen Trainerwesens hatte den Emporkömmling Jürgen Klopp noch einmal besiegt. Die englischen Journalisten schienen das ein wenig schade zu finden. Sie hatten den faszinierenden BVB-Anführer schon Jahre vor dessen Wechsel in die Premier League in ihr Herz geschlossen.

Das Charisma des ruhigen Jupp Heynckes lag tiefer. Auch in Deutschland hatte es gedauert, bis man seine ruhige Tiefe nicht mehr mit Langeweile verwechselte. Sie war in dieser Londoner Nacht des Überschwangs an Worten wie „Moral“, „Verbundenheit“ und „Charakter“ erkennbar. Am meisten, erklärte der Trainer, dessen Team genau ein Jahr zuvor mit dem gegen Chelsea verlorenen Finale in München ein Trauma erlebt hatte, freue er sich für verdiente Spieler wie Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm, die relativ spät in ihrer Karriere ihren ersten großen Titel gewannen.

Jupp Heynckes freute sich immer am meisten für die Spieler

Am 9. Mai wird Jupp Heynckes 75 Jahre alt. Als er jetzt nach seinen vielen Trophäen gefragt wurde, sagte Heynckes, sie seien alle nicht so wichtig. Mehr Wert besitze für ihn, dass er jungen Menschen dabei geholfen habe, Persönlichkeiten mit sportlichen und menschlichen Qualitäten zu werden. Diesem erzieherischen Aspekt hat er immer höchste Priorität eingeräumt. Die Menschen, mit denen er gearbeitet hat, konnten das immer spüren. „Ich habe mit vielen Leuten hier geredet“, erklärte Heiko Herrlich, nachdem er 2017 als Cheftrainer bei Bayer 04 Leverkusen angefangen hatte, „ich bin überall auf den Namen Jupp Heynckes gestoßen. Er hat hier einen bleibenden menschlichen Eindruck hinterlassen.“ Da war Heynckes, der von 2009 bis 2011 bei Bayer 04 arbeitete, schon Jahre weg.

Jupp Heynckes wurde am 9. Mai 1945 in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges als neuntes von zehn Kindern eines Schmiedes in der Stadt München Gladbach geboren, die heute Mönchengladbach heißt. Dieser biografische Satz erklärt viel. Bescheidenheit, Disziplin, Fleiß und Respekt waren immer die Grundpfeiler seines Wertesystems. Heynckes wurde als Spieler Weltmeister (1974), Europameister (1972), mit Mönchengladbach viermal Deutscher Meister (1971, 1975, 1976, 1977) DFB-Pokalsieger (1973), als Trainer zweimal Champions-League-Sieger, (1988, 2013) viermal Deutscher Meister (1989, 1990, 2013, 2018) und DFB-Pokalsieger (2013). Keine Trophäe hat sein Wesen verändert. 

Die Erfahrung hat ihn allerdings ruhiger gemacht. Als junger Trainer war Jupp Heynckes noch der Meinung, seine strenge innere Ordnung uneingeschränkt auf Gruppen junger Männer übertragen zu können, die in anderen Zeiten aufwuchsen. In Frankfurt war er 1995 daran gescheitert. Zu Beginn seiner letzten Trainer-Phase, die 2009 mit dem Kurzzeit-Job beim FC Bayern begann, für den er viermal arbeitete, stand Heynckes dann über den Dingen.

Seinen 75. Geburtstag verbringt er mit Ehefrau Iris und dem oft liebevoll erwähnten Schäferhund „Cando“ zu Hause in Schwalmtal bei Mönchengladbach. Dem Fußball gibt er in der Corona-Zeit einen Rat: „Wir müssen wieder viel mehr die Sinne für die Menschen schärfen, denen es nicht so gut geht. Es muss in Bezug auf die Ablöse oder die Gehälter zurückgerudert werden. Teilweise war das unmoralisch“, sagte er in einem Gespräch mit der „Welt am Sonntag“. Es gibt wenige, die zu dieser Kritik mehr berechtigt sind als Jupp Heynckes.

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