KommentarDer Pokal wirkt wie eine rosa Pille – und Großkreutz wird ein Held

Lesezeit 2 Minuten
5F9E12006BEF2FF1

Kevin Großkreutz umarmt seinen Dortmunder Ex-Kollegen Marco Reus

  • Die erste Runde des DFB-Pokals lässt den Fußball wie immer als heile Welt erscheinen: Die Kleinen können irgendwie mit den Großen mithalten.
  • Am Montag geht das richtige Leben weiter – mit großen, gemeinen Unterschieden.
  • Die Helden-Geschichte dieses Wochenendes schrieb Kevin Großkreutz.

Köln – Die erste Runde des DFB-Pokals hat ihre Funktion im Kosmos des deutschen Fußballs wieder  erfüllt. Einmal im Jahr besteht die Aufgabe dieses  Wettbewerbs darin, den Anschein einer Gemeinsamkeit aller Welten zu erwecken. Wenn ein Winzling aus der Vierten Liga einen Bundesligisten schlagen kann, wie der SC Verl den FC Augsburg, dann müssen die Dinge doch  eine schöne Ordnung haben, weil irgendwie alles miteinander zu tun hat und miteinander verwoben ist von ganz unten bis nach ganz oben. Das ist die Botschaft: Es gibt nur einen Fußball – und der gehört allen.

Am Montag geht das richtige Leben weiter

Am Montagabend allerdings kann man diesen Gedanken  wieder vergessen. Dann geht das richtige Leben weiter mit einer Bundesliga, die sportlich und finanziell in mindestens vier verschiedene Leistungsklassen unterteilt ist,  einer Zweiten Liga, in der  große Klubs in Rekordzeit schrumpfen und einer Dritten Liga, in der alle sportlich und finanziell ums nackte Überleben kämpfen. Da ist es ganz nett, einmal im Jahr eine rosarote Pille zu schlucken, die alles ein bisschen netter macht.

Im Pokal dürfen auch Anti-Helden ihrem Verlies entfliehen und sich ganz gegen ihr Naturell als Helden feiern lassen. Kevin Großkreutz hat das ausgiebig getan nach dem Treffen mit seinem Ex-Verein Borussia Dortmund. Die 0:2-Niederlage  des KFC Uerdingen, für den er seit 2018 spielt, war ehrenhaft, die Verbundenheit der BVB-Fans zu ihrem Ex-Spieler und Weltmeister von 2014 ungebrochen. „Ich werde immer einer von ihnen sein“, erklärte der 31-Jährige, dessen Karriere von Skandalen aller Art begleitet wird.

 Der vorläufig letzte hätte  den theaterreifen Auftritt des kickenden Ultras verhindern können. In der Dritten Liga gegen Sonnenhof Großaspach hatte Großkreutz     einen Gegenspieler fernab des Geschehens hinterhältig in die Hacke getreten und war vom DFB-Sportgericht mit sechs Spielen Sperre bestraft worden. Eine wettbewerbsübergreifende Sanktion wäre möglich gewesen. Der DFB hat allerdings darauf verzichtet, denn sonst hätte das Märchen vom gefallenen Fußballer, der dem Herzensverein seine Liebe erklärt, nicht erzählt werden können.

Ohne diese romantischen Geschichten wäre es aber nicht möglich, die schöne Botschaft der ersten Pokalrunde zu überbringen. Dann würde an allen 365 Tagen des Jahres die grausame Wahrheit gelten: Es gibt nicht nur einen Fußball. Und derjenige, der glitzert, gehört nur denen, die Geld haben.

KStA abonnieren