Lothar Matthäus im Interview„Der 1. FC Köln schaut in eine bessere Zukunft“

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Lothar Matthäus

  • Lothar Matthäus spricht im Interview über die anstehende Bundesliga-Saison.
  • Deutschlands Rekordnationalspieler hat eine klare Meinung zum FC Bayern und schätzt die Situation des 1. FC Köln ein.
  • Zudem berichtet Matthäus über sein Verhältnis zu Franz Beckenbauer.

Köln – Herr Matthäus, ist nach sieben Meisterschaften des FC Bayern  München in Folge in der neuen Saison mit Spannung im Titelrennen zu rechnen?

Absolut, ich gehe nicht davon aus, dass es einen Alleingang des FC Bayern geben wird. Aus meiner Sicht ist Borussia Dortmund bisher in der Breite des Kaders qualitativ besser besetzt als Bayern. Der BVB hat da seine Hausaufgaben schneller, klarer und besser erledigt, während die Bayern zu oft Wasserstandsmeldungen abgegeben haben, mit denen man sich keinen Gefallen getan hat. Ich erwarte allerdings, dass die Bayern auf dem Transfermarkt noch auf zwei, drei Positionen tätig werden. Ivan Perisic kommt schon mal, er passt gut zur Mannschaft und kennt Niko Kovac und sein System.

Zur Person

Lothar Matthäus (*21. März 1961 in Erlangen) nahm als Spieler an fünf Weltmeisterschaften teil. Er ist mit 150 Länderspielen deutscher Rekordnationalspieler, DFB-Rekordkapitän und -Ehrenspielführer. 1990 führte er Deutschland zum WM-Titel. Matthäus  war1990 Europas Fußballer des Jahres und  1991  der erste Weltfußballer des Jahres  – als bisher einziger Deutscher. Matthäus spielte u. a.  für Gladbach, den FC Bayern  (sieben Meistertitel), Inter Mailand (Meister 1989). Er war Coach  z. B. von Rapid Wien, Partizan Belgrad, Ungarn, Bulgarien. Seit 2014 ist er in fünfter Ehe mit Anastasia Klimko verheiratet. Er hat vier Kinder. Seit 2012 ist Matthäus TV-Experte für den Sender Sky. Der Weltstar wird am 28. August  bei der ETL-„Express“-Sportnacht zur „Lichtgestalt Sport 2019“ gekürt. (ksta)

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Für viele hat Bayern auf dem Transfermarkt bisher keine gute Figur abgegeben, auch nicht im Fall von Leroy Sané. Muss man sich um den Rekordmeister sorgen?

Nein, entscheidend ist, wie die Bayern am Ende des Transferfensters aufgestellt sind. Leroy Sané war als Königstransfer gedacht. Ich denke auch, dass die Bayern ihn noch holen werden. Die Verantwortlichen planen da langfristiger. Aus meiner Sicht wäre es auch die richtige Entscheidung. Sané hat riesiges Potenzial und würde Bayern verstärken.

Im Zentrum der Kritik steht oft Sportdirektor Hasan Salihamidzic.

Hasan ist in dem Job noch nicht so erfahren, aber ungemein fleißig. Er entscheidet diese Transfers nicht alleine. Die Kritik an ihm ist nicht ganz fair, zumal die Bayern auch andere Ansprüche haben als der BVB. Spieler wie  Brandt, Schulz oder Hazard hätten sie ganz sicher auch bekommen – wenn sie es gewollt hätten.

Robert Lewandowski und Manuel Neuer haben öffentlich weitere Neuzugänge gefordert.

Als absolute Leistungsträger und Führungsfiguren müssen sie das auch. Die Verantwortlichen wissen selbst, dass sie noch etwas tun müssen. Ich sehe da kein Problem.

Was fehlt den Bayern, um mal wieder die Champions League gewinnen zu können?

Nicht viel. Am Ende der Transferperiode wird Bayern eine Mannschaft haben, die qualitativ in der Lage ist, mit Teams wie Liverpool, Real oder Barça mitzuhalten. Bayern ist in der letzten Saison zu einem Zeitpunkt auf Liverpool getroffen, an dem die Mannschaft noch nicht so gefestigt war.  Ich hätte diese Duelle gerne zwei Monate später gesehen, da hätte Bayern  ganz andere Chancen gehabt. Am Ende muss man vor allem vor der Leistung von Niko Kovac den Hut ziehen, mit welcher Souveränität er die Bayern zum Double geführt hat. Niko ist bereits ein erfolgreicher Trainer, der das Potenzial zu einem ganz großen Trainer hat.

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Haben Uli Hoeneß und Karlheinz Rummenigge Schwierigkeiten, von der Macht zu lassen?

Solange sie im Amt sind, werden und wollen sie mitentscheiden. Sie haben den FC Bayern geprägt. Auch wenn Uli nicht mehr Präsident ist, wird sein Wort weiter Gewicht haben. Das ist gut so. Mit Oliver Kahn und Herbert Hainer rücken bald starke Persönlichkeiten mit großer Ahnung nach, die den Verein  auch  in eine gute Zukunft führen werden.

Wie ist gegenwärtig Ihr Kontakt zu Franz Beckenbauer?

Sehr gut und regelmäßig, wir treffen uns  in der nächsten Woche. Franz musste in den letzten Jahren viele Schicksalsschläge erleiden. Das geht an die Substanz, zumal er bald 74 Jahre alt wird. Ich weiß, viele Leute machen sich um ihn Sorgen, aber grundsätzlich geht es ihm nicht so schlecht, er gibt sich auch positiv.

Wie beurteilen Sie den Umgang mit ihm?

Wenn ich im Ausland bin,  dann höre ich oft, dass es schon typisch deutsch ist, wie mit solch einer Persönlichkeit umgegangen wird. Franz ist eine Fußball-Legende und hat sich für Deutschland sehr verdient gemacht. Weltmeister als Spieler und Trainer, die WM ins eigene Land geholt: Mehr geht doch nicht. Der Umgang mit ihm gehört sich nicht, man versucht ihn zu demontieren. Das hat er nicht verdient und das tut ihm und auch mir weh.Ich gebe zu, dass ich da aufgrund der Nähe zu ihm etwas parteiisch bin. Aber im Zuge der WM-Vergabe hat man bei ihm sofort ein Urteil gefällt, dabei sollte erst die Unschuldsvermutung gelten.

Nach dem Ende von Beckenbauers Amtszeit als Bundestrainer wurden Sie zum Weltfußballer des Jahres gewählt – als bisher einziger Deutscher. Ist ein DFB-Spieler in Sicht, der Ihnen mal folgen könnte?

Wir haben in Deutschland große Talente, Kai Havertz ist wohl das größte. Er hat eine tolle Entwicklung genommen und ist erstaunlich schnell gereift. Wenn er in den nächsten Jahren die richtigen Schritte macht, hat er das Zeug, mich einmal zu beerben. Ich finde es  richtig, dass er diese Saison noch in Leverkusen spielt. Er findet  dort eine spielerisch starke Mannschaft und ein familiäres Umfeld vor. Auch in ein, zwei Jahren werden sich die Klubs um ihn reißen. Es würde mich freuen, ihn dann beim FC Bayern und somit weiter in Deutschland zu sehen.

Sie sind seit Jahrzehnten mit Kölns Manager Armin Veh befreundet. Wie schätzen Sie „seinen“ FC ein?

Der 1. FC  Köln ist kein normaler Aufsteiger. In erster Linie sollte für den FC Platz 15 zählen, aber wenn ich mir den Kader und die Verstärkungen angucke, dann sollte mehr drin sein, vielleicht auch ein Platz von zehn bis zwölf. Was das Stadion, die Fans, das Umfeld und die Finanzen angeht, ist der FC ohnehin gut aufgestellt und schaut in eine bessere Zukunft.

Was zeichnet die Freundschaft  zu Veh aus?

Wir kennen und schätzen uns  seit fast 40 Jahren. Wir liegen  auf einer Wellenlänge. Ich mag seine Art, er ist eine Frohnatur und passt deshalb auch sehr gut zu Köln. Wenn wir uns sehen – und das ist öfter der Fall – haben wir sofort gute Gespräche. Wir sind beide Menschen, die das Leben genießen. Wenn es aber ernst wird, dann wissen wir genau, worauf es ankommt und können uns  durchsetzen.

Ihre letzte Trainerstation liegt jetzt schon fast acht Jahre zurück.

Das Thema stellt sich für mich nicht mehr. Ich habe ein tolles Leben und fühle mich absolut wohl mit dem, was ich mache. Ich kann das Profi-Geschäft und meine Situation gut einschätzen. Den Trainer Lothar Matthäus wird es nicht mehr geben. Ich habe viele Aufgaben. Die Arbeit als TV-Experte für Sky füllt mich aus und macht mir große Freude.

Wie fällt Ihre Bilanz nach sieben Trainerstationen in sechs Ländern aus?

Ich bin im Großen und Ganzen zufrieden. Ich habe viel kennenlernen und erfahren dürfen und in spannenden Ländern gearbeitet. Natürlich hätte ich mir noch etwas mehr Erfolg gewünscht. Als Spieler hatte ich es immer verstanden, die nächste Stufe nach oben zu nehmen. Als Trainer war das nicht so, da ich wohl  einige Situationen unterschätzt habe. Ich hätte mich bei manchen Stationen vorab besser informieren sollen. Das kreide ich mir an. Aber: Ich hatte trotzdem Spaß.

Aber dass einer der besten deutschen Fußballer aller Zeiten niemals in der Bundesliga gearbeitet hat…

…ist schade, aber nicht mehr zu ändern. Ich hatte den Ehrgeiz, auch in der Bundesliga als Trainer tätig zu sein. In der Vergangenheit gab es auch einige Anfragen, aber sie kamen nicht zum richtigen Zeitpunkt. Vielleicht hatten einige Vereine auch nicht den Mut, einen Lothar Matthäus als Trainer zu engagieren.

Wie muss man sich das Leben des Privatmannes Matthäus in Budapest vorstellen?

Ich lebe seit 15 Jahren in Budapest und bin heimisch geworden. Ich bin zwar aufgrund meiner Jobs viel unterwegs, aber wenn ich da bin, fühle ich mich mit meiner kleinen Familie richtig wohl. Die Menschen erkennen mich, aber sie lassen mich in Ruhe. Mein Privatleben interessiert die Öffentlichkeit längst nicht so wie in Deutschland. Das ist auch mal angenehm. Wir sind einfach glücklich.

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