Nachruf auf Diego MaradonaMit der Hand Gottes und dem Herz eines Menschen

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Auf dem Höhepunkt seiner Karriere: Diego Maradona im Jahre 1986 mit dem WM-Pokal.

Buenos Aires/Köln – Es passiert nicht oft, dass sich das Leben eines Fußballers in zwei Szenen innerhalb eines Spiels verdichtet. In diesem Fall aber war es so: Es läuft die 51. Minute des Viertelfinales bei der WM 1986, Argentinien gegen England im Aztekenstadion zu Mexiko-City, ein aufgebauschtes Spiel ohnehin, der Konflikt der beiden Nationen um die Falklandinseln ist erst seit vier Jahren beigelegt. Diego Armando Maradona Franco springt in den verunglückten Abwehrversuch eines englischen Spielers und lenkt den auf ihn zufliegenden Ball ins Tor. Nicht mit dem Kopf wie der Schiedsrichter vermutet, sondern mit der linken Faust, die Maradona später als „Hand Gottes“ bezeichnet. Das Tor zählt. 1:0 für Argentinien. Maradona feiert so beseelt und beglückt, als sei ihm der feinste Treffer aller Zeiten gelungen.

Die Ironie der Fußballgeschichte will es, dass ihm exakt ein solcher Treffer nur vier Minuten später gelingt: Alleingang mit dem Ball, kurz hinter der Mittellinie beginnend, vorbei an allen Engländern – und deren Torwart Peter Shilton spielt er auch noch aus, nach einem 60 Meter-Sprint, lässig und famos. Es ist das WM-Tor des Jahrhunderts, dazu kürt es der Fußball-Weltverband Fifa 2002. Argentinien gewinnt 2:1 und wird später, nach einem 3:2-Erfolg gegen Deutschland, Weltmeister. Den Siegtreffer hat Maradona vorbereitet, natürlich.

Aufstieg zu einem Heiligen

Zwei Szenen wie ein Leben: Die erste zeigt Maradona als als verschlagenen Helden, dem für den Erfolg jedes Mittel recht ist, der sich verrennt und dennoch Zuspruch sucht. Des Dopings wurde er während der WM 1994 überführt, später, nach dem Ende seiner Karriere, schoss er mit einem Luftgewehr auf Journalisten, verfiel dem Kokain, schonte sich nicht, nahm enorm zu, ließ sich den Magen verkleinern und benahm sich immer wieder auch unflätig. Dazu zeigte er sich mit Wonne an der Seite Fidel Castros und fiel zuletzt mit Verhaltensweisen auf, die seine Anhänger betroffen zurückließen.

Maradona Indien

Superstar und Held der Massen: Maradona wird 2008 im Stadion von Kalkutta (Indien) gefeiert. 

Das alles mischte sich mit seiner erhabenen, überirdischen Gabe, als Fußballer die Zeit anhalten zu können. Die Welt dank seines Genies staunen zu lassen. Über ihn, den mindestens besten Spieler seiner Generation, wenn er nicht sogar der Größte aller Zeiten war. Argentinien jedenfalls, sein Heimatland, liebte ihn und betete ihn an, es gab sogar eine Glaubensgemeinschaft, die ihn als Heiligen und Gott verehrte, die Iglesia Maradoniana, die Kirche des Maradona. Und Argentinien trauert seit Mittwoch um ihn, dessen Regungen und Bewegungen das Volk stets verfolgt hat. Denn Maradona, der Mensch, der zwischen Vergötterung und Absturz wandelte, ist tot, gestorben kurz nach seinem 60. Geburtstag, den er noch am 30. Oktober feierte. 

Drei Tage Staatstrauer in Argentinien

Kurz darauf wurde bei einem Krankenhausaufenthalt in einem Vorort von Buenos Aires eine Blutung zwischen harter Hirnhaut und Gehirn festgestellt. Zunächst war von emotionalem Stress, Dehydrierung und Blutarmut die Rede. Doch es stimmte etwas im Gehirn nicht, eine Operation war unumgänglich. Gut eine Woche später, am 11. November, wurde Maradona aus dem Hospital entlassen. Nun folgte die Todesnachricht. Argentinien reagiert darauf mit einer dreitägigen Staatstrauer.

Trauer Maradona

Boca Junior-Spielerin Yamila Rodriguez weint vor einem Graffiti Maradonas über den Tod der Legende.

Mehrmals schien Diego Maradona dem Tode nah, Aufenthalte in Kureinrichtungen gab es einige, die brasilianische Zeitung „El Pais“ berichtet aus Maradonas Zeit in einer psychiatrischen Einrichtung am Stadtrand von Buenos Aires im Jahre 2004. Es ging um eine Entgiftungstherapie. Einer der Patienten habe behauptet, Robinson Crusoe zu sein, erzählte Maradona demnach. Er selbst sagte, er sei Diego Maradona, was ihm in jenem Umfeld aber weder Robinson Crusoe noch sonst jemand glaubte – „ich fühlte mich wie Jack Nicholson in »Einer flog übers Kuckucksnest«“, sagte Maradona.

Erfolge und Niederlagen, auch menschlich

Als Fußballer jedoch feierte er Erfolge, Weltmeister war er, was seine Apotheose in Argentinien bewirkte, denn es war Maradona, der sein Team zum Titel führte, mit fabelhaften Leistungen in jener Zeit. Mit dem SSC Neapel gewann er zweimal die italienische Meisterschaft (1987 und 1990) und einmal den Uefa-Pokal (1989), in der Stadt am Vesuv wurde er wie ein Heiliger geliebt. Vergessen war damit seine Zeit beim FC Barcelona, die von 1982 bis 1984 nicht glücklich verlief. Begonnen hatte alles schon 1976 bei den Boca Juniors, da war Maradona 16. Ein Schlag war es für ihn, dass Nationaltrainer Menotti ihn, den zum Goldjungen Erhobenen, 1978 nicht für die Heim-WM nominierte, die Argentinien gewann.

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Maradona erlebte die Geschichte eines Aufsteigers, geboren wurde er als fünftes von acht Kindern des Fabrikarbeiters Diego Maradona senior und von Dalma Franco. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen in Villa Fiorito am Südrand von Buenos Aires auf. Schon mit zwölf Jahren unterhielt er als Balljunge der Argentinos Juniors die Zuschauer in der Halbzeitpause mit spektakulären Kabinettstückchen.

Zuletzt arbeitete er wieder in der Heimat, als Trainer von Gimniasia y Esgrima La Plata. Und dort, in Buenos Aires, endete nun auch dieses aufregende, unwirkliche Leben. Ein Kreis hatte sich geschlossen.

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