Rundum-ErneuerungWie Viktoria Köln nach dem Drittliga-Aufstieg oben bleiben will

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Im Aufstiegsfieber: Viktoria-Boss Franz-Josef Wernze (l.)

Im Aufstiegsfieber: Viktoria-Boss Franz-Josef Wernze (l.)

  • Nach dem Aufstieg in die Dritte Liga verpasst sich Viktoria Köln eine Rundum-Erneuerung.
  • 13 Spieler müssen den Verein verlassen, elf neue wurden verpflichtet. Die Korsettstangen bleiben.
  • Schon bald misst sich der Klub aus Höhenberg mit zahlreichen Traditionsklubs in der Dritten Liga.

Köln – Die beiden Ausscheidungsspiele gegen Ferencvaros Budapest waren die Saisonhöhepunkte überhaupt: Damals, in der Saison 1962/63, nahm Viktoria Köln tatsächlich am europäischen Messepokal teil. Dass die Mannschaft um ihren legendären Trainer Hennes Weisweiler gegen das Spitzenteam aus Ungarn am Ende den Kürzeren zog (4:3, 1:4), gerät in der Nachlese fast zur Nebensache. Noch heute erzählen die Älteren rund um den pittoresk wirkenden Sportpark Höhenberg von den längst vergangenen Zeiten. Wenn man es genau nimmt, hat die Viktoria von dazumal, die namhafte Fußballer wie Otto Pfister, Erich Ribbeck, Hansi Sturm und später auch Andreas Rettig oder Hans Sarpei hervorbrachte, mit der von heute nicht mehr viel gemein: Der Klub von der „Schäl Sick“ dümpelte spätestens nach der verpassten Qualifikation zur eingleisigen 2. Bundesliga (1981) mehr oder weniger vor sich hin, wurde von Insolvenzen und Namensänderungen heimgesucht und fristete schließlich ein freudloses Dasein in der Landesliga. Aber der Reihe nach:

Der SCB Viktoria entstand am 1. Juli 1994 durch Fusion des SC Brück mit dem SC Viktoria Köln, wobei sich der Klub zunächst noch SCB Preußen Köln nannte. Trotz eines guten Starts in die Regionalliga-Spielzeit 1994/95 (damals war die Regionalliga noch die dritthöchste deutsche Spielklasse) endete die Spielzeit mit dem Abstieg in die Oberliga. Zwei Jahre nach dem Abstieg aus der Regionalliga stiegen die Preußen in die nunmehr fünftklassige Verbandsliga ab, mit elf Punkten Vorsprung auf den TSC Euskirchen schafften sie aber den sofortigen Wiederaufstieg. Die ersten Jahre nach der Rückkehr in die Oberliga Nordrhein verliefen erst vielversprechend. Im Jahr 2000 wurde die Mannschaft Vizemeister hinter dem Wuppertaler SV, kurze Zeit später bog der Verein dann erneut in eine sportlicher Talfahrt ein. Am 11. Juni 2002 wurde schließlich die Umbenennung in den SCB Viktoria Köln wirksam. Eine sportliche Renaissance durch die Namensänderung konnte indes nicht erreicht werden. Denn schon zwei Jahre später stieg die Viktoria aufgrund des schlechteren Torverhältnisses gegenüber dem Bonner SC in die Verbandsliga ab. Der Verein hatte abermals finanzielle Probleme – die Konsequenz war der Niedergang 2010 in die Landesliga. Der SCB Viktoria trat dort jedoch nicht an; denn am 1. August 2010 beantragte der Verein erneut Insolvenz.

2010 Gründung vom FC Viktoria Köln

Mittelfeldspieler Christian Derflinger

Mittelfeldspieler Christian Derflinger

Erst vor neun Jahren lebte der Traditionsverein aus dem Stadtteil Höhenberg wieder auf: Am 22. Juni 2010 wurde der FC Viktoria Köln gegründet; einer Erfolgsstory stand zumindest vorerst nichts mehr im Wege. Die Neugründung war vor allem möglich gewesen dank der Mithilfe des FC Junkersdorf, dessen erste Seniorenmannschaft damals aufgestiegen war. Durch die Aufnahme der Fußballabteilung in den soeben entstandenen FC Viktoria sicherten sich die Rechtsrheinischen das Startrecht der Junkersdorfer in der damaligen NRW-Liga. Der Aufstieg in die Viertklassigkeit gelang auf Anhieb, der Klub war endlich liquide – eine Entwicklung, die eng verbunden ist mit dem Namen Franz-Josef Wernze (71). Der Vorstand eines weltweit operierenden Steuerberatungs-Imperiums erweckte die Schäl Sick aus ihrem Dornröschenschlaf und ließ die Menschen wieder vom längst vergessen geglaubten Profi-Fußball träumen.

Es brauchte jedoch sieben teilweise deprimierende Anläufe, ehe der FC Viktoria ans Ziel kam. Die letzten Jahre in der Regionalliga West waren lehrreiche und mitunter steinige Jahre, wie Sportvorstand und Viktoria-Urgestein Franz Wunderlich nachdenklich bemerkt: „Wir haben viel Lehrgeld bezahlen müssen und sind durch ein Stahlbad gegangen“, sagt der 55-Jährige. „Vielleicht haben wir die Regionalliga auch etwas unterschätzt. Jetzt haben wir es endlich geschafft und ich spüre nur noch Erleichterung.“ Die Jahre in der Vierten Liga waren keine Herrenjahre für die finanziell und personell fürstlich protegierte erste Mannschaft: Nicht weniger als 13 Trainer, darunter Persönlichkeiten wie Heiko Scholz, Claus-Dieter Wollitz und Olaf Janßen, durften sich am stets überzeugt formulierten Saisonziel „Drittliga-Aufstieg“ versuchen, scheiterten jedoch allesamt.

2017 scheiterte Viktoria in der Relegation

Korsettstangen: Sportvorstand Franz Wunderlich, Kapitän Mike Wunderlich

Korsettstangen: Sportvorstand Franz Wunderlich, Kapitän Mike Wunderlich

Am nächsten dran an der Dritten Liga war die Viktoria vor gut zwei Jahren: Nach einer überragenden Spielzeit und letztlich neun Punkten Vorsprung auf RW Oberhausen hatte das Team von Charakter-Trainer Marco Antwerpen die sehnlichst erwartete Relegation erreicht. In zwei knüppelharten Ausscheidungsspielen ging es gegen den Nordost-Champion Carl Zeiss Jena, ebenso wie die Viktoria garniert mit einer Menge Historie und Tradition. In den Playoffs versagten den Höhenbergern dann aber die Nerven: Das Hinspiel im mit 6214 Zuschauern ausverkauften Höhenberger Sportpark wurde 2:3 verloren, Schlüsselspieler und Kapitän Mike Wunderlich sah im wahrsten Sinne des Wortes „Rot“ und fiel für das Rückspiel in Thüringen aus.

Ohne ihren Regisseur und Ausnahmekönner gewannen die Höhenberger die Revanche in Jena durch einen späten Treffer von Fatih Candan zwar mit 1:0 – was am Ende des Tages im tosenden Jenaer Ernst-Abbe-Sportfeld vor knapp 14000 Besuchern jedoch übrig blieb, waren nur Frust, Enttäuschung und Fassungslosigkeit. Denn auch im Frühjahr des Jahres 2017 stand einmal mehr fest: Der FC Viktoria Köln hatte den Sprung in Liga drei erneut verpasst.

Nach zwei zweiten Plätzen schien auch auf dem siebten Versuch ein Fluch zu liegen, den Rechtsrheinischen ging am Ende der Saison nämlich gehörig die Puste aus. Der smarte Trainer Patrick Glöckner wurde einen Spieltag vor Ultimo entlassen und durch U 19-Coach und Weltmeister Jürgen Kohler ersetzt. Das Manöver fruchtete am Ende, mit Kohler glückte der Sprung in den Profi-Fußball. Der einstige Weltklasse-Verteidiger wird sich nun wieder um seine Junioren in der Bundesliga kümmern, vor einigen Wochen wurde der erfahrene Pavel Dotchev als neuer Trainer vorgestellt. Die Vorstellungen des 53-Jährigen klingen zumindest vielversprechend: „Erst einmal möchte ich die Mannschaft in die Liga integrieren“, sagt Dotchev. „Und nächstes Jahr vielleicht in die Spitzengruppe führen.“ Ein Rundum-Lifting für den Verbleib im Profifußball hat das Team knapp zwei Wochen vor dem Ligastart bereits erfahren: Den insgesamt 13 Abgängen stehen bislang elf Neuverpflichtungen gegenüber, noch mindestens zwei Transfers für den Offensiv-Bereich sind für die Premieren-Saison in Liga drei geplant.

Die Korsettstangen Wunderlich, Willers und Bunjaku bleiben

Ex-Weltmeister Jürgen Kohler

Ex-Weltmeister Jürgen Kohler

Dass die Mannschaft abgesehen von einigen Korsettstangen wie Kapitän Wunderlich, Innenverteidiger Tobias Willers und Sturm-Veteran Albert Bunjaku trotz des Aufstiegs nicht zusammen bleiben durfte, hat für Sportvorstand Franz Wunderlich plausible Gründe: „Man kann sich gar nicht vorstellen, was diese Gemeinschaft in den letzten Jahren für einen Druck erleiden musste: Verpasste Relegation und zwei Vizemeisterschaften in Folge sind nicht spurlos am Team vorüber gegangen. Da musste eine Veränderung her.“

Nun soll es also einer runderneuerten Viktoria gelingen, sich mit Traditionsklubs wie dem 1.FC Kaiserslautern, MSV Duisburg und dem TSV 1860 München zu messen. Seine Heimspiele darf der Aufsteiger dank zweier zusätzlich errichteter Stahlrohrtribünen und einer damit einhergehenden Erweiterung der Zuschauerkapazität auf mehr als 10 000 weiter im stimmungsvollen Sportpark Höhenberg austragen – womöglich könnte die kleine Arena in der Merheimer Heide schon bald als Katalysator für den ein oder anderen Favoritenschreck taugen. Siege gegen die Großen wären wichtige Schritte auf dem Weg zum großen Ziel.

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