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Stürmerin von Bergisch GladbachDoris Kresimon – Pionierin des Frauenfußballs

Lesezeit 4 Minuten
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Doris Kresimon (oben) mit ihren Mannschaftskameradinnen

  • Vor 50 Jahren hob der DFB das Frauenfußball-Verbot auf, das seit 1955 in Kraft war.
  • Bis Deutschland eine Nationalmannschaft bekam, dauerte es aber noch eine Weile.
  • Am 10. November 1982 war es soweit: Doris Kresimon war die erste Torschützin für Deutschland.

Köln – Einmal im Jahr findet in Köln ein Gipfel des Frauenfußballs statt, das DFB-Pokalfinale im Rhein-Energie-Stadion, das hier seit 2010 zu Hause ist. Wer den Nationalspielerinnen um Alexandra Popp vom Dauersieger VfL Wolfsburg so zuschaut und -hört, der erlebt Frauen, für die es das Selbstverständlichste auf der Welt ist, Fußball zu spielen. „Wir brauchen keine Eier – wir haben Pferdeschwänze“, verkündeten sie 2019 in einem selbstironischen TV-Spot.

Verbot des Frauenfußballs im Jahr 1955

Früher war nichts selbstverständlich, im Nachkriegsdeutschland untersagte es der DFB den Vereinen, Frauen-Abteilungen zu gründen. Frauenfußball erschien den Herren vom Verband zu unweiblich. „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand“, lautete die Begründung von 1955. Doch die Emanzipation nahm ihren Lauf, und so kam der DFB vor 50 Jahren, am 31. Oktober 1970, nicht daran vorbei, das Verbot des „Damenfußballs“ aufzuheben, wie er damals genannt wurde. Die Frauen legten mutig los, ohne sich um die vielen Vorurteile zu kümmern, mit denen sie in den abenteuerlichen Anfangsjahren konfrontiert wurden.

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Eine der Pionierinnen war Doris Kresimon (65), ehemalige Stürmerin des neunmaligen Meisters SSG Bergisch Gladbach. Der Beschluss des DFB von 1970 hatte zunächst  keine direkte Auswirkung auf ihr Leben. „Davon habe ich nichts gemerkt, ich war sowieso jeden Tag auf dem Bolzplatz“, erzählt sie. Dort kickte sie seit Kindertagen mit den Jungs aus ihrem Viertel ihrer Heimatstadt Essen. „Wenn meine Eltern mich gesucht haben, wussten sie immer, wo ich war.“ Ihr Vater habe sie  immer unterstützt, sagt sie. „Er hat mir sogar die Schuhe zugebunden und gesagt: schieß wieder zwei Tore.“ Und das tat sie fast immer. „Es soll nicht überheblich klingen“, erzählt sie, „aber ich war es einfach gewohnt, Tore zu schießen. Ich habe mir darüber keine großartigen Gedanken gemacht.“

1972, als die junge Torjägerin 17 Jahre alt war, trat sie der Frauenabteilung von Rot-Weiss Essen bei, sechs Jahre später ging sie nach Bergisch Gladbach, dem damaligen Nabel der Frauen-Fußball-Welt. „Wir haben alles gewonnen, was man gewinnen konnte – bis hin zu der inoffiziellen Weltmeisterschaft in Asien“, erzählt Kresimon. Die Geschichte ist heute legendär. DFB-Funktionär Horst R. Schmidt hatte eine Einladung für die inoffizielle Frauen-WM in Taiwan angenommen, obwohl es noch gar kein Frauen-Nationalteam gab. Deshalb wurde einfach die überragende Bergisch Gladbacher Mannschaft nach Taiwan geschickt, und sie gewann den Titel nach Siegen gegen Neuseeland, Thailand, Norwegen und Niederlande. Den Ereignissen von 1981 ist der in diesem Jahr erschienene ARD-Film „Die Weltmeisterinnen“ gewidmet. „Eine Mannschaft wie uns hat es danach nicht mehr gegeben“, meint Kresimon.

Doris Kresimon erzielt erstes Tor für Frauen-Nationalmannschaft

In die Geschichtsbücher des DFB trug sich die Stürmerin ein, als sie am 10. November 1982 in Koblenz im ersten offiziellen Länderspiel einer deutschen Frauen-Nationalmannschaft das erste Tor schoss, die Partie gegen die Schweiz endete 5:1. Dass sie einen Treffer erzielt habe, sei ihr gar nicht so wichtig gewesen, sagt Kresimon: „Wir waren glücklich darüber, dass es endlich eine offizielle Frauen-Nationalmannschaft in Deutschland gab. Heute ist das selbstverständlich, damals mussten wir lange dafür kämpfen.“ Erstmals in einem Nationaltrikot zu spielen, sei „extrem besonders“ gewesen. „Ich kann mich noch gut an den Augenblick erinnern, als ich erstmals im DFB-Trikot auf dem Platz stand und die Hymne vor der Partie gespielt wurde. Ich habe gezittert und hatte am ganzen Körper Gänsehaut. Es war einfach überwältigend.“

Regelmäßige Besuche beim Pokalfinale in Köln

Beim ersten Titelgewinn der DFB-Elf, dem EM-Sieg 1989, war Kresimon schon nicht mehr dabei. Sie hatte ihre Karriere zwei Jahre vorher, im Alter von 32 Jahren, beendet. „Auch damals schon hat sich der Frauenfußball sehr schnell entwickelt. Ich wollte nicht der Musik hinterherlaufen, sondern zur richtigen Zeit Schluss machen“, sagt sie. Inzwischen sind die deutschen Frauen achtmaliger EM- und zweimaliger WM-Sieger.

Geld haben Kresimon und ihre Mitstreiterinnen der frühen Jahre mit dem Fußball nicht verdient, zu ihrer Zeit spielten auch die besten Fußballerinnen vor allem aus Spaß und übten nebenher Berufe aus. Kresimon arbeitete als Druckerin und lebt inzwischen als Rentnerin in Rösrath.

Das, was die SSG Bergisch Gladbach in den 1970er und 1980er Jahren war, ist heute der sechsmalige Meister und siebenmalige Pokalsieger VfL Wolfsburg. Zum alljährlichen Cup-Finale kommt Kresimon meist nach Köln, denn: „Es ist ein tolles Event, bei dem man immer wieder ehemalige Weggefährtinnen trifft.“

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