Vor Champions-League-FinaleParis St. Germain hat den so wichtigen Teamgeist entdeckt

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Die Mannschaft von Paris St. Germain

  • Paris St. Germain ist eine Mannschaft, die mit Superstars gespickt ist. Da ist zum Beispiel der Brasilianer Neymar, einer der besten Fußballer der Welt. Oder Kylian Mbappé, sein kongenialer Sturmpartner.
  • Eines aber hatte PSG immer gefehlt: der Teamgeist. In diesem Jahr haben es die Franzosen jedoch geschafft, eben jenen zu entwickeln.
  • Aufgrund der neuen Stärke könnte es dieses Jahr in der Champions League zum Titel reichen. Für den Verein wäre das enorm wichtig.

Köln – Eine ganze Reihe von Entwicklungen verblüffen derzeit im Umfeld des offensiv als Prestigeprojekt katarischer Milliardäre genutzten Fußballvereins Paris Saint-Germain. Zunächst einmal die Unterstützung der Pariser Bevölkerung, die nach dem Finaleinzug nicht nur nahe des Prinzenpark-Stadions, der sportlichen Heimat des Klubs, lautstark feierte, hupte und jubelte, sondern auch an vielen anderen Orten der Stadt, sogar auf den Champs-Élysées. Vor Ort also wird die ungehemmte Versorgung mit Geld und Stars durchaus goutiert.

Vor allem aber haben sich diese üppigst versorgten Helden des Fußballs erstaunlich gewandelt. Der klassische Ego-Fußballer Neymar (28), für 222 Millionen Euro eingekauft als Inspiration für die Offensive, fällt plötzlich mit erstaunlicher Grätscharbeit am eigenen Strafraum auf. Stürmer Kylian Mbappé, eine 180-Millionen-Euro-Investition und bisweilen nicht frei von Allüren auf dem Platz, sagt: „Ich werde meinen Körper auf dem Rasen lassen.“ Und zuvor alles geben im Finale der Champions League am Sonntag gegen den FC Bayern in Lissabon (21 Uhr, live bei Sky und im ZDF).

Plötzlicher Sinn für Altruismus

Nicht nur für sich, sondern auch für die Mannschaft als Ganzes. Es scheint, als habe dieses Team der teuren Hochbegabten nun mit dem Gemeinschaftssinn die noch fehlende Essenz für den ganz großen Sieg gefunden. Mbappé, vor 21 Jahren in Paris geboren, spricht überdies plötzlich wie ein 75-jähriger Fußballweiser. Nach der Halbfinal-Demonstration gegen RB Leipzig, die PSG ohne jede Gegenwehr mit 3:0 gewann, sagte der Weltmeister von 2018 zunächst: „Wir sind nicht mehr so konzentriert auf uns beide.“

Die anderen neun Spieler neben dem Brasilianer Neymar und ihm, soll das heißen, haben sich nun durchaus emanzipiert, beziehungsweise, sie werden von dem Duo akzeptiert. Denn: „Wir haben es geschafft, zu verstehen, dass wir mit den anderen gewinnen – und nicht nur zu zweit. Wir haben es geschafft, eine Mannschaft zu erschaffen, in der jeder seine Wichtigkeit kennt, jeder kennt auch seine Schwächen, wird sind zusammengeschweißt auf dem Platz, so gewinnt man auch.“

Gemeinsamer Jubel nach dem Spiel

Eine Art Gemeinschaftshappening war auch im Anschluss an den Schlusspfiff gegen Leipzig zu erkennen, als die geschlossene, ausgelassene, tanzende Freude der gesamten Mannschaft Mbappés These von dem irgendwo entdeckten Teamgeist bestätigte. Später gefolgt übrigens von großen gemeinsamen Jubelmaßnahmen der Auswahl vor ihrem Hotel.

Und auch der Fakt, dass gegen Leipzig weder Mbappé, derzeit der wohl schnellste und unberechenbarste Stürmer der Welt, noch Neymar die besten Kritiken erhielten, sondern der Torschütze und zweimalige Vorlagengeber Angel di Maria, zeigt, dass eben nicht nur das besondere Duo diese Mannschaft prägt, zumal die beiden im Final-8-Turnier von Lissabon noch gar kein Tor erzielt haben.

Thomas Tuchels Arbeit fruchtet

Das alles spricht vor allem für die Arbeit des deutschen Trainers Thomas Tuchel. Angesichts der Wucht der Aufgabe, für die Geldgeber der Katar Sport-Holding QSI, vor allem den Titel in der Königsklasse gewinnen zu müssen, wofür das Konsortium seit der Vereinsübernahme im Jahre 2011 bisher gut 1,2 Milliarden Euro in die Mannschaft steckte, schien Tuchel in Paris bisweilen zu fremdeln.

Er wirkte noch distanzierter als in Deutschland, wenngleich er sich vor Ort beliebt machte, weil er schnell die Sprache seines Gastlandes lernte und sich in ihr mittlerweile sehr sicher bewegt. Die Bürde der Aufgabe, der Siegzwang in allen Wettbewerben schien Tuchel sehr zu belasten, insofern ist es erstaunlich, wie sehr er es schaffte, dem Klub seinen Willen aufzudrängen.

Tuchel wollte erfahrene Spieler

Vor der Saison setzte er sich für die Verpflichtung des Torhüters Keylor Navas von Real Madrid ein, außerdem kam der spanische Defensivspieler Ander Herrera von Manchester United sowie dessen Landsmann Pablo Sarabia vom FC Sevilla, „Spieler mit Titelerfahrung“, wie Tuchel betont, die seiner Defensive „noch mal Klebstoff“ verliehen hätten. Das von Tuchel favorisierte 4:3:3-System mit den fulminanten Neymar, Mbappé und di Maria im Angriff, gilt als der Schlüssel des aktuellen Erfolges.

Dass es nun nach einer Serie des frühen Scheiterns in der Champions League für den Sprung ins Finale gereicht hat, werden die Kataris mit Genugtuung registrieren. Das Ziel erreicht ist aber erst mit einem Titelgewinn in diesem prestigeträchtigen Wettbewerb, dessen Glanz ausstrahlt in die ganze Welt.

Finanzierung des Vereins hängt von Titeln ab

Und auf den es vor allem der katarische Präsident des Klubs, Nasser Al-Khelaifi, abgesehen hat, ein begnadeter Strippenzieher des internationalen Sports. Vom dauerhaften Erfolg des Projekts PSG hängt auch ab, ob die Kataris auch weiterhin kostspielige Projekte für den Hauptstadtklub finanzieren werden. Bis 2021 soll das 300-Millionen-Euro teure Nachwuchszentrum fertig sein, das Stadion wiederum bis 2024 ausgebaut werden.

Nun fügt es sich, dass PSG, gegründet am 12. August 1970, just im Jahr seines 50. Bestehens tatsächlich das große Finale seiner Sehnsucht erreicht hat. Sollte es gelingen, gewänne der Klub nach den Erfolgen in der Meisterschaft, im Pokal und im Liga-Cup sogar das Quadruple, wofür jeder Spieler eine Belohnung von einer Millionen Euro erhielte. Sollte es misslingen, hätte Tuchel abermals nur die als überschaubar interessant geltende französische Fußballwelt erobert.

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Für die Geldgeber aus dem Nahen Osten ist das eine nette Gewohnheit, aber im Gegensatz zu so einem hübschen Champions-League-Triumph nichts, was einen Thrill provoziert.

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