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Wird die Liga wieder so spannend?Bayern München entscheidet selbst, wer Meister wird

Lesezeit 5 Minuten
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Nach dem Sieg im Supercup hat Dortmund den Bayern in dieser Saison zumindest einen Titel voraus.

  • Nach dem sehr engen Meisterschaftsrennen in der vergangenen Saison erwarten viele erneut einen spannenden Titelkampf.
  • Der BVB hat offensiv seine Meisterschaftsambitionen untermauert und war zuletzt formstark.
  • Doch die Bayern haben weiterhin den wertvolleren Kader und entscheiden mit ihren Fehler, wer Meister wird. Eine Analyse

Köln – Man muss sich die Fußball-Bundesliga als Vier-Klassen-Gesellschaft vorstellen. In der untersten Gruppe befindet sich der größte Teil aller 18 Mannschaften – mindestens zehn. Sie stellt den Kreis potenzieller Absteiger. In ihr kann jeder jeden an jedem Tag schlagen. Alle ihre Klubs können nicht mehr erreichen als den Verbleib in der Liga.

Die dritte Klasse setzt sich zusammen aus den Vereinen mit einem natürlichen Europapokal-Anspruch. Namentlich: RB Leipzig, Bayer 04 Leverkusen, TSG Hoffenheim, in normalen Jahren, aber nicht in dieser Saison, der FC Schalke 04. Und in unnormalen Jahren, wie zuletzt, ein Klub wie Eintracht Frankfurt. Die zweite Klasse, weit oberhalb der Verfolger, bildet Borussia Dortmund. Und über allem thront nach sieben Meisterschaften in Folge der FC Bayern München. Diese Hierarchie hat zwischen 2013 und 2018 jegliche Spannung in der Titelfrage verhindert. Aber diesmal soll – in Fortsetzung der vergangenen Saison – alles ganz anders werden.

Trainer tippen auf Bayern

Das Bauchgefühl des deutschen Fußballs legt sich mehr denn je darauf fest, dass es keine achte Meisterschaft des FC Bayern in Serie geben wird, auch wenn die meisten Bundesliga-Trainer in der rituellen Umfrage wieder auf die Münchner getippt haben. Dafür gibt es zwei Gründe: Die starke Dortmunder Vorrunde der Vorsaison. Und die Personalpolitik in diesem Sommer. Während sich der BVB frühzeitig und punktgenau mit Julian Brandt, Thorgan Hazard, Mats Hummels und Nico Schulz verstärkt hatte, stellten sich die Münchner auf dem Transfermarkt reichlich seltsam an.

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Nach den frühzeitigen Transfers der Abwehrspieler Lucas Hernández und Benjamin Pavard begann das Schauspiel der versuchten Verpflichtung von Leroy Sané, zu der sich schon im Mai praktisch der gesamte deutsche Fußball geäußert hatte. Die Welt wird vermutlich nie erfahren, ob es je konkrete Verhandlungen zwischen den Klubs gegeben hat und wenn ja, auf welchem Stand sie waren, ob Manchester City einen gesunden Sané je abgegeben hätte und wie scharf der Spieler selbst auf einen Wechsel war, bevor sich das Thema durch die Knieverletzung des deutschen Nationalspielers im englischen Supercup vorläufig erledigt hat.

Das Scheitern in diesem zum Königstransfer erhobenen Versuch folgte dem Muster des Scheiterns im Fall von Callum Hudson-Odoi, bei dem sich Sportdirektor Hasan Salihamidzic im Winter nach tumbem Werben eine blutige Nase geholt hatte. Dabei entstand das Bild eines Großklubs, der im operativen Geschäft Anfängerfehler macht, während sich die Vereinsspitze in den Personen von Präsident Uli Hoeneß und Klubchef Karl-Heinz Rummenigge in einem schwelenden Dauer-Machtkampf gegenseitig neutralisiert. Zwar haben die Münchner mit Vizeweltmeister Ivan Perisic, der auf Leihbasis von Inter Mailand kommt, einen günstigen Deal zur Aufbesserung der Offensive gemacht. Aber kurz vor Liga-Beginn ist der Kader des Trainers Niko Kovac, der als einziger an der Säbener Straße bodenständig und geerdet wirkt, immer noch dünn und voller Baustellen.

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Für Dortmund spricht eine makellose Vorbereitung voller Testspielgewinne und der 2:0-Sieg über die Bayern im Supercup. Der junge Kader von Lucien Favre ist voller Optionen und hat in Jadon Sancho, Paco Alcácer und Marco Reus ein Angriffstrio mit überragenden Abschlussqualitäten. Dagegen ist der Bayern-Angriff sehr abhängig von den Toren des Polen Robert Lewandowski und dem Gesundheitszustand der Flügelspieler Kingsley Coman und Serge Gnabry. Auch in der puren Masse hat der BVB Vorteile.

Auf der Gehaltsliste des Vizemeisters, der zuletzt Verteidiger Ömer Toprak nach Bremen ausgeliehen hat, stehen aktuell noch 28 Profis, beim FC Bayern sind es 23, darunter Spieler wie Lars Lukas Mai (Verteidiger), Christian Früchtl, Ron-Thorben Hoffmann (beide Torhüter) und Jann-Fiete Arp (Stürmer), die sich selten im Kader für ein Profi-Spiel finden werden. Mindestens zwei weitere Zugänge sind hier zu erwarten. „Wir müssen noch zulegen“, sagte Kovac am Mittwoch. Noch ist unklar, ob die Transfers Verstärkungen sein werden.

BVB mit verbaler Offensive

Aus all diesen Fakten leitet der nach Spannung dürstende deutsche Fußball die Fantasie einer aufregenden Saison ab, an deren Ende die Bayern-Dominanz zumindest unterbrochen wird. Allerdings vermitteln Zahlen, dass der Rekordmeister immer noch einen Vorsprung vor dem BVB hat. Das Portal „Transfermarkt.de“ errechnet für den Bayern-Kader einen Marktwert von knapp 790 Millionen Euro, wohingegen der BVB auf 642 Millionen Euro taxiert wird. Die Bayern beschäftigen 18 Nationalspieler, davon fünf, die aktuell für die deutsche Nationalmannschaft spielen.

In Dortmund sind es 13, davon drei aktuelle Nationalspieler. Außerdem ist die Top-Elf der Bayern voller fußballerischer Alphatiere, die furchtlos und siegesgewohnt mit Kritik und Erfolgsdruck umgehen, während auf den Dortmundern die Last der Erwartung lastet. Und was die mit einem jungen Team unter der Führung des sensiblen Trainers Lucien Favre anrichten kann, hat die vergangene Saison gezeigt, als der BVB einen Neun-Punkte-Vorsprung verspielte.

Vermutlich wird es wieder so sein, dass der FC Bayern über den Ausgang der Deutschen Meisterschaft entscheidet – und zwar mit seinen Fehlern. Je mehr er macht, desto wahrscheinlicher wird ein Coup der Dortmunder, die sich diesmal dazu durchgerungen haben, sich zum Ziel Meisterschaft zu bekennen. Kapitän Marco Reus hat es gesagt. Klubchef Hans-Joachim Watzke hat es gesagt. Und Sportdirektor Michael Zorc sagt es auch: „Das Ziel ist es, um die Meisterschaft mitzuspielen, das kommt auch aus der Mannschaft heraus.“

Die Bayern braucht man so etwas gar nicht erst zu fragen. Sie wollen sowieso immer alles gewinnen.

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