Interview mit Ex-FC-Spieler Adil Chihi„Plötzlich platzte der Wechsel”

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Adil Chihi beim Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“

  • Von Christoph Daum wurde der FC-Profi Adil Chihi einst als „neuer Ronaldo“ gepriesen. Heute ist er Immobilienmakler.
  • Beim Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger” spricht er offen über geplatzte Träume, schlechte Berater und schöne Zeiten beim FC.
  • Auch zu Lukas Podolski hat der Offensivspieler eine Meinung.

Köln – Herr Chihi, warum spielen Sie als Ex-Profi und Ex-Nationalspieler mit 31 Jahren in der Sechsten Liga für den FSV Duisburg?

Der Kontakt zu den Verantwortlichen ist durch meine Firma entstanden, die ich 2018 gegründet habe. Ich bin heute in der Bau- und Immobilienbranche tätig. Es läuft ganz gut, die Aufträge sind da. In dem Zusammenhang habe ich den FSV-Vorsitzenden Ayhan Coskun kennengelernt, er und Sportdirektor Erol Ayar haben mich dann überzeugt. Der Verein fördert junge Spieler, gibt ihnen auch nach dem Fußball eine Perspektive – das finde ich ganz wichtig. Ich kann den jungen Spielern mit meiner Erfahrung helfen.

Die Immobilienbranche hat nichts mehr mit Ihrem langjährigen Beruf als Fußballprofi zu tun.

Alles zum Thema Lukas Podolski

Das stimmt. Aber mich hat das schon immer interessiert. Schon als 18-Jähriger hatte ich mir meine erste Immobilie gekauft. Dicke Autos, teure Uhren oder Klamotten: Darauf habe ich schon damals keinen Wert gelegt. Ich wollte auch einen Plan für die Zeit nach meiner Karriere haben. Ich könnte zwar noch heute mit dem Fußball Geld verdienen, es gab zuletzt Anfragen aus der Dritten oder Vierten Liga. Der Fußball ist für mich aber nebensächlicher geworden. Und Sie wissen ja auch, dass meine Karriere neben Höhen auch Tiefen hatte.

Sie waren oft verletzt. Und Ihre letzten Stationen waren – sagen wir mal – außergewöhnlich. Nach zehn Jahren beim 1. FC Köln landeten Sie 2014 beim FC Fulham, 2016 wechselten Sie zu Esteghlal Teheran, es folgte die kurze Rückkehr zum FSV Frankfurt, einige Probetrainings im In-und Ausland und 2017 ein Gastspiel bei IR Tanger in Marokko, dem Land Ihrer Eltern.

Natürlich hatte ich mir vieles anders vorgestellt, ganz klar. Die letzte Saison in Köln 2013/14 verlief vollkommen anders als geplant. Der FC hatte mir früh nahe gelegt, dass ich mir einen neuen Klub suchen solle. Das war auch legitim. Trainer Peter Stöger und Manager Jörg Schmadtke waren neu und wollten einen kompletten Umbruch. Ich hätte damals zum FC Augsburg oder zu Werder Bremen wechseln können. Die Verträge waren schon ausgearbeitet, aber leider verletzte ich mich im Sommer schwer. Und dadurch platzte ein Wechsel. Beim FC zählte ich zu den alten Spielern – obwohl ich nicht alt war. Ich hatte in Köln nur noch einen Vertrag über ein Jahr und musste bleiben. Denn wer nimmt in dieser Konstellation schon einen schwer verletzten Spieler? Im Januar 2014 hatte ich dann ein Probetraining beim FC Blackpool. Ich wollte nicht meinen Vertrag in Köln aussitzen. Trainer Paul Ince, der auf meinen Wechsel gedrängt hatte, wurde dann überraschend gefeuert. Und wieder zerschlug sich der Wechsel. Unter Peter Stöger habe ich dann noch einmal für zehn Minuten gespielt, das war es.

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Felix Magath, der damals den FC Fulham trainierte, holte Sie im Sommer 2014 nach London.

Er wollte mich schon 2010 für Schalke 04 verpflichten, aber Wolfgang Overath war dagegen. Ich war glücklich, dass der Wechsel zu Fulham geklappt hatte. Leider verletzte ich mich in der Vorbereitung erneut. Ich spielte dann zwar, doch schon im September wurde Magath beurlaubt. Und der neue Trainer setzte nicht auf mich.

Und dann waren Sie bis 2016 vereinslos.

Ich habe mich erst mit einem Personal-Coach fit, später bei Fortuna Düsseldorf. Jetzt denken bestimmt einige, der Chihi ist ein Schwätzer: Aber auch bei Fortuna war es so, dass mich der damalige Trainer Frank Kramer fest verpflichten wollte, dann aber rausflog. Und wieder zerschlug sich der Transfer.

War danach der Wechsel in den Iran nach Teheran eine Art Panik-Transfer?

Ich wollte erst auch nicht in den Iran, habe mich dann aber über ausgiebig über den Klub erkundigt habe. Esteghlal ist der Klub im Iran und der Region schlechthin, im Schnitt kamen 50 000 Zuschauer, zu Derbys sogar knapp 100 000 Fans. Das war beeindruckend. Ich war ungebunden, musste auf keinen groß Rücksicht nehmen und verdiente zudem richtig gut. Die Menschen im Iran waren sehr nett, aber die Kultur und die Gesetze waren neu für mich. Und ich habe meine Familie dann doch vermisst.

Sie sind dann auch nach Deutschland zurück – zum FSV Frankfurt in die Dritte Liga.

Sportdirektor Roland Benschneider kannte mich noch gut aus der gemeinsamen Zeit beim FC. Aber leider lief es nicht so, wie es sich beide Seiten wohl vorgestellt hatten. Im Januar 2017 nahm ich dann das Angebot aus der Ersten Liga in Marokko an. Mich hatte der Wechsel nach Tanger wegen der Aussicht gereizt, möglicherweise noch einmal eine Chance in der marokkanischen Nationalmannschaft zu erhalten. Nach drei Monaten blieben dann aber die Gehaltszahlungen aus, ein juristisches Verfahren läuft immer noch. Nach dieser Erfahrung hatte ich eigentlich mit dem aktiven Fußball abgeschlossen, doch in Duisburg kann ich jetzt den Sport und den Beruf perfekt verbinden.

Wie viele Berater hatten Sie?

Zwei über einen längeren Zeitraum, aber zuletzt eigentlich keinen festen mehr. Warum?

Fühlten Sie sich in Ihrer Karriere manchmal schlecht beraten?

Mir wurde von vielen Leuten in der Branche Märchen aus Tausendundeiner Nacht erzählt. Am Ende hatte ich auf viele Leute einfach keine Lust mehr. Natürlich wurde ich als junger Spieler auch falsch beraten. Ich kann Talenten nur raten, sich eine ganz vertraute Person ins Boot zu holen. Ich will da überhaupt nichts verallgemeinern, aber einige Berater gucken nur auf sich. Du wirst von Beratern und Vereinen zwar auf das Profigeschäft vorbereitet, aber nicht auf die Zeit nach der Karriere. Viele Spieler sind zu unselbstständig, weil ihnen alles abgenommen wird. Das war bei mir damals auch schon oft der Fall und ist heute noch extremer. Als Jung-Profi hast du einen so hohen Lebensstandard, du wirst verwöhnt. Auch ich habe lange Zeit sehr gut verdient. Wenn du dann eines Tages nicht mehr so viel Geld bekommst, dann ist das eine gravierende Umstellung.

Zur Person

Adil Chihi, geboren am 21. Februar 1988 in Düsseldorf, spielte von 2000 bis 2004 bei Fortuna Düsseldorf und von 2006 bis 2014 beim 1. FC Köln. Weitere Stationen: FC Tannenhof (1993-95), Düsseldorfer SV 04 (1995-2000), FC Fulham (England, 2014-15), Esteghlal Teheran (Iran, 2016), FSV Frankfurt (2016-2017), IR Tager (Marokko, 2017-2018). Der 1,83 Meter große Mittelfeldspieler nahm 2005 für Marokko an der U-20-Weltmeisterschaft teil. Chihi ist seit 2018 in der Immobilienbranche tätig. (ksta)

Haben Sie Fehler gemacht?

Natürlich habe ich auch falsche Entscheidungen getroffen und würde aus heutiger Sicht einiges anders machen. Darauf jetzt genau einzugehen, würde aber den Rahmen sprengen.

Der FC war mit 141 Pflichtspielen mit Abstand Ihre erfolgreichste Station.

Nur 141 Spiele, leider. Kreuzband, Achillessehne, Syndesmose, Leiste, Sehne: Ich war zu oft verletzt. Der Körper hat nicht so mitgemacht, wie ich es wollte. Ansonsten wäre vieles wohl anders verlaufen. Das Talent und das Potenzial für mehr hatte ich, das wurde mir von so vielen Experten bescheinigt. Bereits 2006 hatte ich ja Gespräche mit dem FC Arsenal gefühlt, fühlte mich dann aber mit 18 noch nicht bereit für einen Wechsel. Ich bin oft auf die Fresse gefallen. Aber ich habe daraus gelernt.

Christoph Daum war drei Jahre lang Ihr Trainer in Köln. Was das Talent angeht, hat er Sie mal mit Cristiano Ronaldo verglichen. War dieser Vergleich ein Fluch?

Der hat mich verfolgt, er war schon ein Rucksack für mich. Aber die Aussage zeigte mir auch, was Christoph Daum, ein so erfolgreicher Trainer, in mir damals gesehen hat.

Sind Sie sauer auf Ihn?

Nein, gar nicht. Wir haben uns damals auch mal gestritten, dennoch denke ich, dass wir uns mochten. Ich schätze Christoph Daum sehr. Der FC ist mein Verein. Die Zeit war wunderschön, manchmal trauere ich ihr noch heute hinterher. Mit Jonas Hector, Timo Horn und Marcel Risse habe ich ja noch zusammengespielt, aus dem Stab und dem Verein kenne ich noch viele Leute. Wenn ich heute das Stadion im TV sehe, kommen die Emotionen wieder hoch. Deshalb kann ich es noch nicht wieder betreten – noch nicht.

Verfolgen Sie den FC noch?

Natürlich. Und jetzt warte ich darauf, bis mein ehemaliger Mitspieler Lukas Podolski Präsident wird (lacht). Im Ernst: Für mich wäre es aber die logische Konsequenz, wenn Poldi in Zukunft mal beim FC Verantwortung trägt.

Würden Sie mit ein paar Worten Ihre Karriere beschreiben, was wären diese Worte?

Sie war schön, interessant, verrückt, dann auch wieder brutal und traurig. Ich habe leider sicherlich nicht das ausgeschöpft, was vom Potenzial her möglich war. Ich bin ein Instinkt-Fußballer, habe die Technik und Ausdauer. Ich hätte gerne noch mehr gezeigt.

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